Der Platz – Der Aufstieg führt zur Sprachlosigkeit

Am 30. Oktober 2021 feierte das Theaterstück „Der Platz“ seine Premiere im Schauspielhaus. Die Regisseurin und Intendantin Julia Wissert inszenierte den Roman von Annie Ernaux als Monologstück, das von sechs Schauspieler*innen getragen wurde.

Die Geschichte der Familie von Ernaux ist beinahe typisch und kam so ähnlich auch in meiner Familie vor. Mein Urgroßvater kam aus einer ländlichen Gegend in der Nähe von Posen und landete 1900 in Dortmund. Mein Großvater und Vater waren beide Bergleute, also Arbeiter, während ich den „Aufstieg“ Dank meines Studiums „geschafft“ habe. Bei Ernaux ging es ähnlich vonstatten, arbeitete der Großvater noch auf dem Land, begann ihr Vater in der Fabrik, um sich später eine Gaststätte samt Laden zuzulegen. Das war ein Aufstieg in die Mittelschicht.

Antje Prust, Linda Elsner, Raphael Westermeier, Lola Fuchs, Marlena Keil und Mervan Ürkmez (Foto: © Birgit Hupfeld)
Antje Prust, Linda Elsner, Raphael Westermeier, Lola Fuchs, Marlena Keil und Mervan Ürkmez (Foto: © Birgit Hupfeld)

Dennoch schien ihr Vater immer zwischen den beiden Klassen zu wandern. Einerseits fand er die Sprache der einfachen Leute negativ. „Für meinen Vater war das Patois etwas Altes, Hässliches, ein Zeichen gesellschaftlicher Unterlegenheit. Er war stolz darauf, es abgelegt zu haben.“

Seine Tochter, die Erzählerin schafft den Einstieg in das Bürgertum, in der andere Werte zählten. Damit hatte sie zunächst Schwierigkeiten. „Ebenso brauchte ich Jahre, bis ich die übertriebene Freundlichkeit ‚verstand‘, mit der gebildete Menschen etwas so Simples wie „guten Tag“ sagten.“

Doch je mehr sich die Tochter von ihren Eltern entfremdet, desto deutlicher wird der soziale Unterschied, zumal sie einen Mann aus dem Bildungsbürgertum geheiratet hatte „Wie sollte ein Mann, der ins Bildungsbürgertum hineingeboren worden war, mit einer ironischen Grundhaltung, sich in der Gesellschaft rechtschaffener Leute wohlfühlen, deren Liebenswürdigkeit, die er durchaus sah, in seinen Augen niemals das entscheidende Defizit wettmachen können, die Unfähigkeit, ein geistreiches Gespräch zu führen.“

Die Bühne war stark reduziert. Ein Gartenhäuschen als Reminiszenz an den Vater, der gerne im Garten gewerkelt hatte. Dazu viele Gartenutensilien aus Plastik. Am linken Rand stand ein Pult, auf dem die Musikerin houaïda passende Musik und Gesang beisteuerte. Auch wenn Antje Prust, Linda Elsner, Lola Fuchs, Marlena Keil, Mervan Ürkmez und Raphael Westermeier in ihren bunten Kostümen einen guten Job machten, eigentlich ist „Der Platz“ in dieser Form ein Monodrama, ein Einpersonenstück. Denn es berichtet eigentlich nur die Erzählerin und andere Figuren tauchen nicht auf. Das wäre sicherlich noch intensiver geworden und beispielsweise Marlena Keil hat dies bei „Die Erzählung der Magd Zerline“ von Hermann Broch bereits unter Beweis gestellt, das so etwas sehr gut funktioniert.

Mehr Informationen unter www.theaterdo.de

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