Der Frühling kann kommen

Mit zwei berühmten Stücken der klassischen Musik haben die Dortmunder Philharmoniker beim 6. Philharmonischen Konzert den Frühling eingeleitet: Zu Beginn standen „Die vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi auf dem Programm, nach der Pause ertönte das „Frühlingsopfer“ (Le sacre du printemps) von Igor Strawinsky. Ars tremonia war am Mittwoch, dem 12. Februar 2014 im Dortmunder Konzerthaus.

 

Die beiden Stücke haben eine Gemeinsamkeit: Nicht nur, weil in beiden der Frühling thematisiert wird, sondern auch durch ihre bildhafte Musik. Natürlich liegen zwischen dem barocken Meisterwerks und der Musik des Expressionismus Welten, deutlich zu sehen bei der Besetzung. War bei Vivaldi nur ein kleiner Teil des Orchesters auf der Bühne, füllte die Bühne sich bei Strawinsky deutlich mit Musikern. Ich schätze mal, über 100 (inklusive Dirigent).

 

Schließt man die Augen, kann der Hörer bei Vivaldi fast auf Anhieb die Jahreszeiten erkennen. Der Frühling singt ein Schlummerlied, das Leben in der Natur erwacht, im Sommer gibt es ein ordentliches Unwetter, das Erntedankfest wird mit viel Wein gefeiert und im Winter ist Schlittschuhlaufen angesagt. Die „Vier Jahreszeiten“ sind eigentlich vier Konzerte für Solo-Violine. Gespielt wurden sie von Ariadne Daskalakis. Die Künstlerin ist ein anderer Typ wie Guiliano Carmignola, der vor einigen Wochen bei der „Zeitinsel Caldara“ mit dem Barockorchester La Cetra im Konzerthaus zu Gast war. Carmignola tanzte beinahe die „Vier Jahreszeiten“, aber Daskalakis ging mehr in die Tiefe, die Musik kam quasi aus dem Inneren. Ihre Interpretation war vor allem bei den ruhigen Stellen (beispielsweise dem zweiten Satz des „Winters“, den Daskalakis als Zugabe spielte) ein Genuss.

Dennoch kamen die Philharmoniker noch nicht ganz an die Magie des Barocks heran, wie es die Barockspezialisten von „La Cetra“ schafften. Aber ich finde, es ist ein guter Weg, auch mit den Dortmunder Philharmonikern weiter Richtung Alte Musik zu gehen. Eine Konzertreihe wie sie es schon zur Wiener Klassik gibt, kann ich mir auch für die Alte Musik vorstellen. Potential ist vorhanden.

 

Nach der Pause gehörte die Musik dem Expressionismus. Igor Strawinskys „Sacre du printemps“ wurde ja bei der Uraufführung 1913 als „barbarisch“ verrissen. Denn bei dem Stück steht nicht die Melodie im Mittelpunkt, sondern der Rhythmus. Selbst Melodieinstrumente müssen sich dem Rhythmus beugen. Manche Teile wecken Erinnerungen an Free-Jazz, auch wenn Strawinsky den Jazz erst nach der Komposition von „Sacre“ kennengelernt hatte.

Doch es gibt durchaus lyrische Teile. Strawinsky verarbeitete einige folkloristische Themen, das erste ist gleich zu Beginn vom Fagott zu hören.

Generalmusikdirektor Gabriel Feltz (er hatte bei Vivaldi frei) meisterte die Aufgabe, ein wirklich riesiges Orchester zu leiten. Trotz der vielen rhythmischen Wechsel und Dissonanzen zeigten die Dortmunder Philharmoniker eine famose Leistung und sorgten – im Gegensatz zu 1913 – für Beifallsstürme im Konzerthaus.

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