Ob während der Pandemie oder in politisch schwierigen Zeiten – die digitale Welt eröffnet neue Räume, die gemeinsam erlebt werden können. Es muss nicht immer die langweilige Zoom-Konferenz sein: Die technischen Möglichkeiten erlauben es, einen gemeinsamen Tanzraum zu erschaffen, der in Wahrheit tausende Kilometer entfernt ist. Wie so etwas funktioniert, zeigt Kiani Rezvani in ihrem Stück „Cyber Ghosts“, das am 24. Mai 2024 im Theater im Depot aufgeführt wurde.
Der Beginn ist sehr langsam. Fast wie in Zeitlupe bewegt sich Kiani Rezvani über die Bühne, auf der Beamer und eine große Leinwand die bestimmenden Requisiten sind. Dann erwacht die Leinwand zum Leben. Eine andere Figur erscheint erst schwach und als Torso, und es wirkt, als ob Kiani Rezvani mit ihren Bewegungen diesen Torso steuert. Erst nach und nach wird ersichtlich, dass dieser Torso ein Mann ist: Rohan Amiri Far. Far lebt in einem Dorf, in einem Holzhaus, viele tausende Kilometer entfernt, und durch die Kamera sieht man in seinen Raum.
Jetzt erst können sich beide Tänzer*innen mit ihren Bewegungen aufeinander abstimmen und eine Choreografie beginnen. So entsteht aus den zwei unterschiedlichen Räumen ein dritter, gemeinsamer Raum.
Eine zusätzliche Ebene in diesem Stück ist das Thema Überwachung. Kurze Nachrichten werden auf einer entfernten Leinwand eingeblendet, die warnen, vorsichtig zu sein und keine Spuren zu hinterlassen. So müssen die beiden Akteur*innen zu Geistern werden – nicht greifbar, quasi unsichtbar, aber dennoch präsent.