Alle Beiträge von Gerd Wüsthoff

Lisa Simone – Die Stimme als Tragfläche

Simone, Simone? Da war doch was?
Ja, Lisa Simone ist die Tochter der begnadeten Nina Simone. „My Baby cares for Me“, der Song ging damals und geht heute noch unter die Haut. Neben Gloria Gaynors „I Will Survive“ und „It´s Raining Men“ von den Weather Girls eine Hymne für Gays.

Lisa Simone verzückte mit Jazz und Soul das domicil. (foto: ©Bidzina Gogiberidza)
Lisa Simone verzückte mit Jazz und Soul das domicil. (foto: ©Bidzina Gogiberidza)



Längst ist Lisa Simone aus den Fußstapfen ihrer kongenialen Mutter Nina herausgetreten und selbst zu einem international gefeierten Jazz-Star geworden. Die Tochter der amerikanischen Soul-Legende und Bürgerrechtlerin Nina Simone, gilt als eine der spannendsten Jazz-Sängerinnen unserer Tage und triumphiert bei so erlesenen Jazz-Festivals wie dem Montreux Jazz. Ihre dritte, im Herbst 2019 veröffentlichte CD „In Need of Love“ ist ein sehr persönliches Album der Vollblutkünstlerin und Powerfrau, die mit tiefgründigen Texten, eindringlichen Bildern und dem reichen Farbspektrum ihrer tiefen wandelbaren Stimme die Reiseführerin in eine Jazz- und Soul-Welt ist.

Lisa Simone bot im domicil in Dortmund eine reife und fantastische Mischung aus Soul, Karibik-Sound und Jazz. Vor allem aber, ihre fantastische Stimme, die einfing, trug und auf eine musikalische Reise mitnahm. Das Publikum schwang mal mehr, mal weniger, aber alle in jazziger Bewegung im Rhythmus der Songs mit.

Zwischen den Songs gab Simone ein wenig aus ihrem Leben preis, den nächsten Song einführend. So erfuhr das Publikum ein wenig über ihre Mutter, das Verhältnis zu ihr und ihre Zeit in der US Air Force in Frankfurt.
Sie musste sich damals in Hessen wohlgefühlt haben, so wie ihre Stimme dabei klang. Sie erinnerte sich an eine Frage, die sie berührte, bis heute: „Wie geht´s?“ Sie fragte auch uns. Ende September berechtigt, wäre aber auch jetzt bei den wieder steigenden Inzidenzen. Bis zu der Frage hatte Simon ihr Publikum in einen Wohlfühlrhythmus versetzt. In Deutschland begann sie eine musikalische Karriere als Sängerin. Unter der Woche war sie Soldatin, am Wochenende trat sie in Clubs auf.  Dabei wurde sie von Joan Faulkner als Sängerin entdeckt.

Über den Broadway nahm sie ihren Weg in die Solokarriere. Nicht leicht, weil man anderes erwartete und sie in ein Schema pressen wollte. Ihre Stimme ist aber nicht in ein Schema zu pressen oder gleichförmig. So wandelbar wie ihre Songs ist auch ihre Stimme und sie gibt damit jedem Stück ein eigenes Leben. Perfekt für eine musikalische Reise, deren Antrieb Jazz und Soul sind. Die Stimme als Tragfläche. Die Songs als Kabine. Simone als unsere perfekte Gastgeberin über den Wolken.

•    2014: All Is Well (Laborie Jazz)
•    2016: My World (Sound Surveyor Music)
•    2019: In Need of Love (Elektra Records)

Judas tritt ins Rampenlicht

Judas, der Name, der zum Synonym des Verrats schlechthin geworden ist … Du Judas Du … wie oft mögen wir das schon gehört haben, wie es jemandem in Verachtung entgegengeschleudert wurde, wir es vielleicht sogar waren, die es herausspuckten.

JUDAS (Amelle Schwerk) erzählt uns seine Version der Geschichte. (Foto: © Schauspielhaus Dortmund)


Dieses Synonym für Verrat hat sich längst aus dem religiösen Kontext gelöst und ist zu etwas eigenem geworden. Wirklich? Steckt nicht doch sehr viel mehr Religion und auch noch das andere, diese widerwärtige Haltung darin oder dahinter?

Lot Vekemans, die niederländische Autorin des Bühnenstückes, lässt Judas in ihrem Monolog zum ersten Mal durch Amelle Schwerk selbst sprechen. Vekemans lässt uns in dem Monolog teilhaben an den Gedanken des Apostels, der Jesus auslieferte, damit der die Prophezeiung erfüllt und die Schuld der Menschen auf sich nimmt. Judas provoziert mit seinem Statement, das ja eigentlich er und nicht Jesus die Schuld der Menschen, mit seinem Handeln auf sich, seine Schultern, die Schultern des Judas Iskariot, genommen habe. Starker Tobak.

Judas tritt damit endgültig aus dem Schatten der jahrhundertelangen Verachtung ins Rampenlicht einer erstaunten Öffentlichkeit und lässt uns teilhaben an seiner Geschichte. Eine Geschichte die wir alle glauben zu kennen, weil sie uns hinlänglich erzählt, gepredigt wurde, und nachzulesen war im Buch der Bücher …  Eine Geschichte, die vor mehr als 2000 Jahren begann.

Judas liefert uns keine Rechtfertigung, lamentiert nicht, keine Entschuldigung, sondern er nimmt uns mit auf seine Seite der Geschichte. Die Geschichte von Judas und Jesus, in der die Tat des Verrats neu beleuchtet wird. Die Seite der Geschichte, die die Evangelisten nicht niedergeschrieben haben.

Einige Zuschauer schienen irritiert worden zu sein. Zu Recht, denn es besteht keine allgemeine, alleinige Wahrheitsgültigkeit der Evangelien. Es sind Geschichten, die Jahrzehnte nach den Ereignissen in Judäa niedergeschrieben wurden von Menschen … und Erinnerungen sind flexibel, ändern sich mit der Zeit, der Distanz zum Ereignis. Auch dem nicht religiösen, kritischen Zeitgenossen gehen zu Judas doch weitere, andere Gedanken durch den Kopf.

Unser Judas ist Amelle Schwerk die mit uns zu flirten scheint, damit ihre Sicht der Dinge einfacher zu verdauen ist. Sie kungelt geradezu mit uns dem Publikum. Sie wird laut, schreit und fleht gar. Warum? Bringt uns mit ihrem kraftvollen Gesang ihr Anliegen nahe. Dieser Monolog in der Inszenierung von Oliver Meyer ist mehr als nur ein Rahmen, in dem eine Schauspielerin ihre künstlerischen Fertigkeiten demonstriert. Amelle Schwerk ist energiegeladen, nicht aufgedreht oder geltungssüchtig, sondern immer ganz bei sich. Mit dieser Innerlichkeit füllt Schwerk die Bühne aus und greift über in den Raum des Publikums, nicht nur mit der Frage nach der nicht bezahlten Eintrittskarte. Es ist eine Show, eine ruhige Show. Nachdenklich und Nachdenklichkeit erzeugend.

Judas, ist nicht mehr der Name, der zum Synonym des Verrats schlechthin geworden ist.

Judas – Amelle Schwerk
REGIE – Oliver Meyer
BÜHNE – Vanessa Maria Sgarra
KOSTÜM – Annabelle Gotha
MUSIK – Christian Decker
DRAMATURGIE – Melanie Hirner
Credits – Staatstheater Hannover

Eine Reise durch die Nacht mit Lucia Lacarra und Mathew Golding

Liebe, viel ist darüber geschrieben worden, die fantastischsten Dramen, die wunderbarsten Romanzen und natürlich getanzt … auch über die unmöglichen, verbotenen Lieben, wie im Schwanensee. Für mich ist der Schwan ein Synonym für eine andere geliebte Person, als die weibliche, die nicht gesellschaftlich tolerierte.

Aber zu unserer Premiere zurück.
„In the Still of the Night“ ist die neueste Arbeit von Lucia Lacarra und Mathew Golding. Sie hatten sich schon mit Fortlandia als neues Kreativpaar der internationalen Tanzwelt in Dortmund vorgestellt, und mit der Eigenproduktion einen Zustandsbericht zum globalen Stillstand abgegeben.

Liebe, in ihrem Beginn wohnt das Ende. Sie ist aufregend, blendend, erfüllend, verstörend durch Ängste von Verlust und wieder Einsamkeit, beides setzen Lacarra und Golding fantastisch in ihren Pas de Deux im Film und auf der Bühne um. Morgen ist jetzt! Die Momente und Augenblicke reihen sich. Man spürt regelrecht den Herzschlag der Liebenden. Man ahnt aber auch das Drama, das jeden Moment zuschlagen könnte.

Bis … bis, dass das Schicksal zuschlägt. Ist es wirklich der Unfall? Oder ist er nur ein Synonym für das Scheitern der Liebe?
Der Schmerz, der danach kommt, ist der Gleiche in beiden Fällen. Er ist tötend. Er ist wie Lehm, der sich über einen legt und förmlich erstickt. Die Einsamkeit, die folgt, ist erschlagend und laut, unerträglich und man spürt den Menschen, den man sich herbeisehnt, ersehnt, erfühlt wie eine Realität.

Die letzte Szene gibt etwas zum Nachdenken zur getanzten Beziehung … aber auch für Zuschauer. Vor allem diejenigen unter uns, die eine schmerzhafte Trennung durchlebt haben.

Das Tanztheater von Lacarra und Golding lässt uns eine intensive Liebe erleben, nicht unsere, aber eine schöne, eine schreckliche, eine brutale Liebe.
Das Stück ist eine kreative Union zwischen Film und Bühne, die unterschiedliche Musikstile verbindet und dabei etwas Neues, sehr kraftvolles auf die Bühne zaubert und fesselt.

Musik von Five Satins, Philip Glass, Ben E. King & The Drifters, Edith Piaf, Max Richter, Righteous Brothers, The Ronettes,
Tänzer – Lucia Lacarra, Mathew Golding
Konzept und Inszenierung, Choreographie, Filmregie – Mathew Golding
Video – Valeria Rebeck, Craneo Media

Lucia Lacarra und Mathew Golding zelebrieren die Zustände der Liebe. (Foto: © Leszek Januszewski)
Lucia Lacarra und Mathew Golding zelebrieren die Zustände der Liebe. (Foto: © Leszek Januszewski)

Mädchenschule – eine subtile Gratwanderung

Ein Schauspiel von Nona Fernandéz in der deutschsprachigen Erstaufführung übersetzt von Friederike von Criegern.

Der erste Akt wirft den Zuschauer direkt hinein in ein Problem, das er sich allerdings selbst erarbeiten muss, was es ist und wo. Aus dem Off sind spanische Worte zu hören, der Raum ist also die spanische Welt, nur die ist sehr groß … die vier Personen, als Film präsentiert, sind offensichtlich zu Hause, gegen Abend, zwei „Mädels“ und zwei Männer … eine gleichgeschlechtliche Ehe? Spanien? Nach Franco? Dazu passen aber die zu verstehenden Wortfetzen nicht, hier sind ehemalige Lateinschüler oder regelmäßige Spanienurlauber etwas im Vorteil. Die Reaktion der Erwachsenen zeigt urplötzlich doch einen Hinweis auf die Zeit, 1980er Jahre und den Ort … der Ort des Geisterhauses, Allende, Chile … die Stimme aus dem Off, es muss zur Zeit von Pinochet sein.

Es kann nicht Spanien sein, weil auch das Stück nicht europäisch auf einen einstürmt.

Die Familie ist eine klassische, mit Mann, Mutter und zwei Töchtern, die einen Geflüchteten bei sich aufgenommen haben. Nur der Geheimdienst meldet sich und droht. Also schützt man die Familie, denn die Töchter werden zuerst in ihr Zimmer geschickt, wo sie sich verstecken sollen.

Es fällt ein Schuss und die Kamera nimmt die Position der Seele ein und entflieht der Erde.

Die Szene wechselt brutal, während man noch den ersten Akt verarbeitet. Aber man ist derart gefangen, dass man umschaltet, man will wissen, was passiert … und vielleicht kommt die Auflösung ja gleich …

Chile, 9/11 1973 putschte das Militär gegen den demokratisch gewählten Salvador Allende, der das Land aus dem kolonialen Griff der USA und Europas herausführen wollte. Die USA boykottierten Chile, ein zweites Kuba befürchtend und destabilisierten das Land, nachdem Allende Schlüsselindustrien, Bergbau, Banken, Versicherungen und die Kupferminen verstaatlichte … es ging wie immer um US-Investitionen, wie damals in Kuba. Aus Chile wurde ein neoliberales Musterland gemacht, mit anderen Worten, die US pervertierte Bronzezeitwirtschaft radikal durchgesetzt, alles, inklusive der Grundversorgung, z.B. mit Wasser, ist privatisiert.

Der Lehrer telefoniert, sein Mobil benutzend, wirkt zum Bersten gestresst und geht hektisch, immer wieder betonend, dass er sich im Griff habe, hin und her. Er hatte seine Psychopharmaka selbst abgesetzt, um wieder normal leben zu können.
Er hört eine Stimme aus der Wand und kurz darauf steht Maldonado vor ihm. Sie taxieren sich Gegenseitig mit größtem Misstrauen aus unterschiedlichen Gründen. Es braucht einige Zeit, bis dass sie einen Nenner erreichen. Der wieder unausbalanciert wird, als zwei weitere Personen aus dem Loch in Wand hervorkriechen … Riquelme und die stumme Fuenzalida, die alles, was sie zu fragen oder zu sagen hat, aufschreibt und dabei zusehends rasender schreibt … es kulminiert in einem ersten Wort, das sie wieder spricht.

Die drei und weitere Companieras befinden sich seit Oktober in ihrem Versteck und realisieren, dass sie ihre Abschlussprüfungen verpasst haben …
Dem Zuschauer schwant, dass die drei nicht im Oktober des gleichen, aktuellen, Jahres im Versteck verschwanden. Oder ob der Lehrer ohne seine Medikamente gerade eine Psychose erlebt … so reagieren aber auch die drei SchülerInnenprotestler. Sie haben zudem aufgrund des Erlebten eine Paranoia entwickelt, die sich in gelegentlich komischen, Lacher erzeugenden, Situationen zeigt … wie auf das Mobil des Lehrers, das für eine Bombe gehalten wird …
Das die geflüchteten Schülerinnen 1985 in dem Versteck verschwanden, wird nach Fuenzalida erstem Wort und der folgenden Beichte ihres Lebens nach den Ereignissen, die zur Flucht zwangen, berichtet.

Im Zuschauer, der gebannt ist, in die Geschichte tief hineingezogen wurde, entsteht ein Konflikt … hat der Lehrer halluziniert, weil er seine Medikamente abgesetzt hat, oder wie haben die Companieras in ihrem Versteck über 30 Jahre überleben können?

Das Stück bezieht sich auf die 1985 verstärkten Schülerproteste gegen General Pinochet im Jahre 1985 und die Folterungen des Regimes, die auch in der von dem Deutschen Evangelikalen, Paul Schäfer, in Chile 1961 gegründeten Sektengemeinschaft, der Colonia Dignidad, durchgeführt wurden … Neben diesen Menschenrechtsverletzungen und Beteiligungen an Staatsmorden, beging Schäfer auch massiv Kindesmissbrauch.

Nona Fernandéz gelingt mit dem Stück eine subtile Gratwanderung zwischen Wahnsinn, Psychosen, möglicher Realität und fantasievoller Sciencefiction. Es spiegelt die Situation derjenigen ansatzweise wider, die in die Mühlen eines terroristischen, diktatorischen Regimes geraten sind, Folter und Brutalität erleben müssen oder mussten.

Ein Stück, das uns vor Augen führt, wie privilegiert wir hier in Deutschland leben und doch bedroht sind durch eine populistische Sekte und querschlagende Sozialverweigerer, besonders weil auch wir in Deutschland immer mehr die Destabilisierung des Systems durch die Brutalität des US-Kapitalismus, besonders seit 2007/08, jedes Jahr ein Stück mehr erleben.

Mädchenschule ist eine faszinierende und fesselnde Inszenierung, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Denn nicht nur die Geschichte zieht einen in das Stück, sondern auch das Ensemble spielt fantastisch fesselnd … inklusive Situationskomik, die gelegentlich im Halse stecken bleibt.

Der Lehrer – Alexander Darkow, Maldonado – Nika Miskovic, Riquelme – Valentina Schüler, Fuenzalida – Linus Ebner, der gealterte Junge – das Ensemble
Regie – Anna Tenti, Bühne – Nane Thomas, Kostü, + Videokonzept – Lena Kremer, Musik – Tobias Hoeft, Dramaturgie – Sabine Reich, Regieassistenz – Christian Feras Kaddoura, Souflage – Violetta Ziegler

Nika Mišković, Valentina Schüler, Linus Ebner, Alexander Darkow (Foto: © Florian Dürkopp)
Nika Mišković, Valentina Schüler, Linus Ebner, Alexander Darkow (Foto: © Florian Dürkopp)

Studio 54 – Night Magic

Selbst 40 Jahre nach der Schließung des legendären und verruchten Nightclubs Studio 54 redet man immer noch über diese Discothek die so viel mehr als simpler Ort zum „abhotten“.

Mit der Eröffnung war das Studio 54 augenblicklich mehr. Diese Disco wurde eine gelebte Utopie einer egalitären Gesellschaft, eines Safe Haven für Gays, LGBTQI, sexuell„abhotten“z und Diversität, sie wurde zum Inbegriff von Style und Glamour … nicht nur in New York, sondern weltweit. Viele Clubs in der Welt eiferten dem Studio 54 in irgendeiner Art und Weise nach. So u. a. das Munich in München, und als Rolemodel war das Studio 54 allemal gut.

Im Dortmunder U ließ sich die Ausstellung zur Audienz als einziger Station in Europa nieder. Sie beleuchtet den Anfang und das jähe dramatische Ende des Studio 54.

Vor allen Dingen Mode der weiblichen Besucher sieht man in der Ausstellung zum „Studio 54“. (Foto: © Roland Baege)
Vor allen Dingen Mode der weiblichen Besucher sieht man in der Ausstellung zum „Studio 54“. (Foto: © Roland Baege)

Knapp 500 Objekte, bislang unveröffentlichte Fotos, Zeichnungen, Filme, Bühnenbilder und Kleidungsstücke und natürlich die Musik des Tempels der Hedonisten – Discomusik. Ihre Exaltiertheit Studio 54 gewährt Audienz in der 6. Ebene des Dortmunder U.

Als jemand der die Disco Musik live erlebt und gelebt hat, ein MUSS! Und es kann passieren, dass Besucher im Rhythmus mitgehen oder sie sich im Rhythmus unwillkürlich bewegen … und vielleicht in die Zeit zurückbeamen.

Das Studio 54 war auch eine gesellschaftliche Utopie, offen für JEDEN! Egal ob Arbeiter aus dem Hafen oder Meatdistrikt, aus der Upper East Side, der Provinz, Gay/LGBTQI, Hetero, Star, Starletts, oder Nobody … das einzige Kriterium zum Einlass war ein fantasievolles Kostüm, Persönlichkeit, Kreativität, ein gewisser Hang zur Selbstdarstellung oder auch Exhibitionismus.

Das Studio 54 von Steve Rubell und Ian Schrager gegründet schlug augenblicklich im sterbenden New York der 1970er Jahre ein. Vielleicht entsteht solch eine Kreativität am besten in solchen kaputten Zeiten, wie damals in Weimarer Republik in den ersten Jahren des totalen Chaos nach dem Ersten Weltkrieg.

Die Gegenwelt zur harten Realität hatte aber von Beginn an ihre Feinde. Die Backward, Smalltown USA, die auch heute noch, immer noch, gegen den Teufel anwettern … denn die Discomusik entstand in den Discotheken der Gays, Latinos und Afro-Amerikaner, die dort ihre Subkultur lebten, feierten als Gegenentwurf zum rassistischen, weißen US Amerika.

Wider Erwarten polierte ausgerechnet das bei den prüden, viktorianischen Smalltowners verhasste Studio 54 das Image von New York wieder mit auf, bevor die „I Love NY“ Kampagne startete. Es genügte den Hassern jeweils einer der drei Ursprungsorte der Musik alleine, um es zu verabscheuen, dann der offen gezeigte, gelebte Hedonismus, das sich jeder mit jedem im Untergeschoss oder auf der Tribüne nach Herzenslust vergnügen konnte. So zuwider wie ihnen die Freizügigkeit als Gegenmodel zu ihrem Puritanismus war, so sehr hassten sie auch den in die Beine gehenden Rhythmus der Discobeats. Vor dem tatsächlichen Ende der Discomusik veranstalteten sie eine Plattensprengaktion in einem Football Stadium …

Die Ausstellung, vom Brooklyn Museum kuratiert, ist sehr US Amerikanisch und prüde … Zudem lässt sie die LGBTQI Gäste im Studio 54 völlig unter den Tisch fallen, wie auch die Mode sich fast ausschließlich um die der Damen dreht … die Kostüme und Mode der Männer sieht man in Schnipseln in den Filmen. Und dann waren da noch die Drogen, die man im Studio 54 zu sich nahm … Nix, nullkommanix … In der Ausstellung findet es nicht statt. Angel Sachsen und ihre zurechtgezimmerte Realität … Post Faktum Zeiten. Historisch versagt die Ausstellung grandios. Der Glamour des Studio 54 kommt rüber, gefiltert, bereinigt wie der Hayes Code in Hollywood. Während besonders der Safe Haven für die LGBTQI Szene in der Ausstellung gar nicht stattfindet, wie die Drogen oder Sex … Nach den Worten meines Onkels, der häufiger damals in New York und im Studio 54 war … wer nicht bei 3 auf einem Baum war, hatte Sex. Und wer ins Studio 54 wollte, wollte seinen Anteil an intensiv zwischenmenschlichem Austausch.

Geschaffen. Geschwitzt. Gehofft.

Ausstellung im Hoesch-Museum zu 150 Jahren Arbeit auf der Westfalenhütte

Am Sonntag, dem 10. Oktober 2021 eröffnet die Sonderschau „Geschaffen. Geschwitzt. Gehofft.“ im HOESCH MUSEUM in der Eberhardtstraße (Endstelle U44 in der Nordstadt) Westfalenhütte.

Am 1. September 1871 wurde die Westfalenhütte als Eisen- und Stahlwerk der Familie Hoesch in Dortmund gegründet und prägte über 100 Jahre lang den Stadtteil rund um den Borsigplatz. Jetzt zum 150. Jahrestag zeigt das Hoesch-Museum nun die Ausstellung die Menschen, die bei HOESCH „Geschaffen. Geschwitzt. Gehofft“. haben in den 150 Jahre Arbeit auf der Westfalenhütte.

Vom 10. Oktober 2021 bis 23. Januar 2022 geht es um Menschen, Arbeitsplätze und Geschichten des einstmals größten Arbeitgebers der Stadt. Das HOESCH MUSEUM möchte sie einladen diese Ausstellung zu besuchen, um ihnen die Schaffenden vorzustellen, ohne die HOESCH nicht geworden wäre, was es wurde.

Der Lageplan der Westfalenhütte zeigt die großen Dimensionen des Werkes.
Der Lageplan der Westfalenhütte zeigt die großen Dimensionen des Werkes.

Dabei werden Ihnen Aspekte gezeigt, die Ihnen beim ersten Augenblick nicht einfallen würden. Oder wie sich, die durch HOESCH geförderte Bildung und Aus- und Weiterbildung auf die Belegschaft ausgewirkt hatte. Wie sehr auch das soziale Engagement einfloss in die Sozialgesetzgebung des Kaiserreiches, der Weimarer Republik und der Bundesrepublik.

1991 wurde die gerade erst zukunftsfähig gemachte HOESCH AG im Zuge der ersten fremdfinanzierten feindlichen Übernahme vom damals hoch verschuldeten KRUPP-Konzern aufgekauft. Diese Übernahme, wie auch die Art der Übernahme, eines deutschen Aktienunternehmens ging in die bundesdeutsche Wirtschaftsgeschichte ein.

Die Westfalenhütte im Dortmunder Nordosten hat eine sehr lange Tradition als Standort der Schwerindustrie im Ruhrgebiet und gilt als die Wiege der früheren Hoesch AG. Sie wurde von dem Dürener Eisenfabrikanten Leopold Hoesch, seinen Söhnen Wilhelm und Albert Hoesch sowie seinen Vettern Viktor und Eberhard Hoesch im Jahre 1871 errichtet. Im Zenit des deutschen Wirtschaftswunders waren auf ihr 25.000 Mitarbeiter beschäftigt. Unter den sogenannten Hoeschianern entstand im Laufe der Zeit der Begriff Karl Hoesch, eine liebevoll gemeinte Respekterklärung, die als pars pro toto besonders für alles steht, was mit dem Stahlunternehmen Hoesch AG zu tun hat.

Die Westfalenhütte besaß mit dem Bahnhof Dortmund-Hoesch einen eigenen Haltepunkt.

Am 15. Juni 1989 besuchte der damalige Präsident der UdSSR Michail Gorbatschow die Westfalenhütte und hielt vor 8500 Stahlarbeitern in der Conti-Glühe eine Rede.

In jedem Ende liegt hoffentlich immer auch neuer Anfang … Anders als im gelobten Land, kennt Deutschland so wie keine Rustbelts, in der vergessene Menschen von einer brutalisierten Wirtschaft ausgespuckt und liegen gelassen werden …

2001 an Jiangsu Shagang verkauft. Die Anlagen wurden zerlegt, nach China transportiert und dort wiederaufgebaut.

Ein reduzierter, industrieller Kernbereich sollte beibehalten und das Gelände der ehemaligen Sinteranlage als Logistikfläche vermarktet werden.

Für Dortmund ergab sich die Chance zur raschen und relativ unproblematischen Entwicklung einer neuen, die nördliche Innenstadt entlastenden Straßenverbindung in Ost-West-Richtung, wie neues Baugelände zur Stadterweiterung, um die explodierenden Mieten durch neuen Wohnraum abzufedern.

Mach mit, wir pflanzen am Hafen einen Schmetterlingsgarten für ALLE!

Das Künstlerhaus Dortmund, sonst sich der Kunst und Kultur in Dortmund widmend, patroniert einen Schmetterlingsgarten in der Dortmunder Nordstadt – an der Landwehrstraße/Ecke Kesselstraße, rückwärtig zur Schule am Hafen. 650n² ehemals brachliegender, vermüllter und verwahrloster Fläche wird zu einem Paradies für Mensch und Fauna.

Am Samstag, dem 2. Oktober ab 17:00 laden das Künstlerhaus und die Initiatoren des 7000 Schmetterlinge Gartens, Barbara Koch und Susanne Lilienfeldt in den Graten an der Landwehrstraße ein. Die Mountain Swing Band sorgt am Samstag für die swingende Beschallung.

Das Gartenprojekt richtet sich an alle die daran Interesse haben einen naturnahen Lebensraum für sich und die Schmetterlinge und andere Insekten haben … denn unsere Früchte aus unseren Gärten und Feldern der Bauern brauchen die Insekten zur Bestäubung. Leider grassiert gerade unter den Insekten das Artsterben, nicht nur durch Bayer/Monsantos Round Up, Glyphosat, sondern auch durch die Umweltzerstörung durch uns Menschen. Wir versiegeln zusehends Flächen, schaffen schicke Steingärten ohne Blumen, englische Rasenödländer und andere für Insekten lebensfeindliche Umweltbedingungen.

Susanne Lilienfeldt vor dem geplanten Schmetterlingsgarte
Susanne Lilienfeldt vor dem geplanten Schmetterlingsgarten.

Wer hört denn noch Morgens Vögel im Baum vor dem Haus zwitschern?

Und wer will wie in einigen Gegenden Chinas schon üblich im Akkord Blüten bestäuben … eine Biene alleine bestäubt 20x so viel wie besten Bestäuber in China mit 12.000 Blüten …

Wir brauchen die Umwelt, die Natur um zu leben, zu atmen und zu essen … aber die Natur braucht nicht uns den Homo Sapiens.

In der Landwehrstraße in der Nordstadt, dem Stadtteil mit der größten Kulturvielfalt in Dortmund ist also diese für alle Bürger/Bewohner*innen, Schüler*innen, der Nachbarschaft und Stadt offene Projekt, das seit Oktober 2020 immer mehr Gestalt und Form annimmt. Denn gemeinsam mit allen Teilnehmer*innen, unterstützt von Hauseigentümer*innen, schaffen die Künstlerinnen Koch und Lilienfeldt, und das Künstlerhaus, einen Ort der Vielfalt für Menschen und Natur, eine neue Kulturenvielfalt, und Begegnung.

Der Name des Projektes ist angelehnt an das 7000 Eichen Projekt von Josef Beuys, der einst 7000 Eichen pflanzte, lange vor der nun dringenden Notwenigkeit von mehr Bäumen zur Bekämpfung des CO₂ Ausstoßes und Temperatursenkung : 7000 Schmetterlinge. Beuys setzte damals auf die gesellschaftsverändernde Kraft, wie heute die Künstlerinnen Koch und Lilienfeldt, und das Künstlerhaus.

Der Schmetterlingsgarten, bewusst nicht ziseliert oder artifiziell angelegt, sondern rustikal und naturnah, soll eine soziale Plastik werden, in der sich alle wiederfinden können. Ein Bildungs- und Begegnungsort. Der, man kann sagen Waldgarten, wegen des alten Baumbestandes, ist nach den Prinzipien der Permakultur angelegt und benötigt daher wenig Wasser – auch ein Problem, welches wir in Zukunft häufiger erleben. Denn die Trockenheit der letzten drei Sommer ist dem Klimawandel geschuldet, auch wenn wir immer wieder auch Starkregenereignisse mit Hochwässern, wie im Ahrtal oder bei Erkelenz erleben und in unseren Nachbarländern erleben müssen.

Am Samstag ab 17:00 kann man sich persönlich mit dem Projekt 7000 Schmetterlinge in der Nordstadt in der Landwehrstraße/Ecke Kesselstraße vertraut machen.

Eine coronakonforme Umarmung: Das ist das »World Press Photo« 2021

In einem Pflegeheim in São Paulo hat der dänische Fotograf Mads Nissen eine Szene aufgenommen, die eine internationale Jury zum Pressefoto des Jahres kürte. Ausgestellt werden die Werke von 45 Fotografen aus 28 Nationen.

Zum ersten Mal seit fünf Monaten wird die 85-jährige Bewohnerin eines Pflegeheims in São Paulo wieder umarmt. Nachdem wegen der Coronapandemie keine Besuche erlaubt waren, wurde ein »Umarmungsvorhang« installiert. Den Moment in Brasilien hielt der dänische Fotograf Mads Nissen fest, seine Aufnahme brachte ihm den Hauptpreis für das »World Press Photo« des Jahres ein. Darüber hinaus gewann das Bild auch in der Kategorie »General News«. Das Foto ist symptomatisch für die Coronapandemie, bei der zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte bewusst das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben weitestgehend zurückgefahren wurde, um Menschenleben zu retten, vor allem nach den ersten dramatischen Bildern von Sterbenden.

Die erste Umarmung © Mads Nissen, Denmark, Politiken/Panos Pictures
Die erste Umarmung © Mads Nissen, Denmark, Politiken/Panos Pictures

In diesem Jahr wurden insgesamt 74.470 Bilder von mehr als 4300 Fotografinnen und Fotografen aus 130 Ländern eingereicht. Eine unabhängige 28-köpfige Jury wählte die besten Fotos und Foto-Reportagen in acht Kategorien aus: Contemporary Issues, General News, Environment, Long-Term Projects, Nature, Spot News, Sports und Portraits.

Der jährliche „World Press Photo Award“ ist der weltweit größte Wettbewerb für Pressefotografie. Die wichtigsten Informationen im Überblick.

Manche Bilder machen uns fassungslos. Sie berühren uns und gehen unter die Haut. Das Bild „The First Embrace“ („Die erste Umarmung“) des dänischen Fotografen Mads Nissen ist so eines. Das Weltpressefoto des Jahres 2021 zeigt die 85-jährige Rosa Luzia Lunardi, wie sie in der Coronakrise von der Krankenschwester Adriana Silva da Costa Souza in einem Pflegeheim in São Paulo umarmt wird. So wurde neben dem Dänen Mads Nissen auch der Italiener Antonio Faccilongo ausgezeichnet. Er gewann in der Kategorie Photo Story den ersten Preis für seine „Habibi“-Serie über die Folgen des Israelkonflikts für palästinensische Paare.

Der seit 1955 jährlich stattfindende „World Press Photo Award“ ist der weltweit größte und international anerkannteste Wettbewerb für Pressefotografie. Seit 27 Jahren wird er u. a. vom STERN unterstützt. Wie seit Jahren werden die Werke der am „World Press Photo Award“ teilnehmenden Fotografen auch in Dortmund im DEPOT in der Nordstadt in der Immermannstraße ausgestellt. 2020 musste die Ausstellung jedoch leider coronabedingt ausfallen.

In einem beispiellosen Jahr, das von der Coronapandemie und Protesten für soziale Gerechtigkeit und gesellschaftliche Anerkennung und Gleichberechtigung auf der ganzen Welt geprägt war, zeigen die Gewinner eine Vielfalt von Perspektiven zu diesen und anderen dringenden Fragen, wie der Klimakrise, den Rechten von Transgender-Menschen und Territorialkonflikten.

Die Ausstellung ist noch bis zum 17.10.2021 zu sehen.

Öffnungszeiten:
Sonntag – Donnerstag 11 – 20 Uhr
Freitag und Samstag 11 – 22 Uhr

Die World Press Photo Foundation empfiehlt den Besuch der Ausstellung ab 14 Jahren.

Eintritt:
Normal 8,00 €

Ermäßigt 6,00 €

Tickets sind an der Tageskasse erhältlich, es gibt keine Online-Tickets. Die Reservierung eines Zeitfensters für den Ausstellungsbesuch ist nicht notwendig. Bitte beachten: im Depot ist aktuell nur Barzahlung möglich!

Die Mitnahme von Hunden/Haustieren ist in der Ausstellung nicht erlaubt.

Bitte informieren Sie sich vor Ihrem Besuch noch einmal auf www.depotdortmund.de zur aktuellen Corona-Lage und den möglichen Änderungen!

Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit

Happy, we lived on a planet – Die erste Premiere der Saison

Ausgangspunkt des neu entwickelten Stücks ist Tag X: Vor ca. 65 Millionen Jahren sind die Dinosaurier, die fast 200 Millionen Jahre die dominierende Spezies auf dem Planeten waren, in kürzester Zeit ausgestorben.

Das eigene Ableben wird gerne verdrängt. Zu sehr stört das Denken daran unser Streben nach Gesundheit und Lebensfreude. Wir wissen zwar, dass wir sterben. Aber das passiert irgendwann in der Zukunft, sind wir uns voll im prallen Leben Stehenden sicher. In früheren Zeiten ohne unsere medizinischen Fortschritte war der Tod, das Sterben ein bewusster Teil unseres Lebens und Denken.

Das Ensemble von "Happy, we lived on a planet" Foto: © Hans Jürgen Landes
Das Ensemble von „Happy, we lived on a planet“ Foto: © Hans Jürgen Landes

Egal, ob das Dahinscheiden heute noch kommt oder erst im hohen Alter, mit seiner ersten Regiearbeit möchte Mervan Ürkmez uns vorbereiten auf das Unausweichliche. Sinnlich-poetisch sucht das junge Mitglied des Dortmunder Schauspielensembles in seinem Stück, einem dramatischen Requiem, nach der Kraft, die uns die Begegnung mit dem Exitus, unserem, geben kann.

„Ich stelle mir vor, ich bin ein Dinosaurier“, beginnt Oskar Westermeier. „Ich und alle meine Artgenossen sind, nachdem wir 200 Millionen Jahre lang die dominierende Spezies auf dem Planeten waren, innerhalb eines Nachmittags ausgestorben. Einfach so. Zufällig steuert ein Komet auf die Erde zu und zufällig schlägt er ein. Zufällig passiert das im heutigen Yucatán, Mexiko, zufällig ist es zwölf Uhr mittags und ich, viele tausende Kilometer entfernt, sagen wir hier, in Dortmund, bekomme nichts davon mit. Eigentlich hat es nichts mit mir zu tun. Kurz darauf bebt die Erde, der Himmel verdunkelt sich, Glaskugeln fallen herab und eine riesige Flutwelle reißt mich weg. Einfach so. Wir können nicht wissen, ob es wirklich genau so passiert ist.“

Von jetzt an könnte richtig dystopisch werden … zumindest suggeriert uns dies der Monolog von Westermeier auf der schwarzen Bühne.

Fünf Menschen unterschiedlichen Alters, personifiziert durch Ekkehard Freye, Nika Mišković, Raphael Westermeier, Renate Henze und im Wechsel Anton oder Oskar Westermeier, setzen sich mit der Vergänglichkeit auseinander.

Ein Komet ist eingeschlagen und hat eine Reihe von Ereignissen ausgelöst, die zum Ende der Dinosaurier, ihrer Auslöschung geführt haben. Und doch sind sie allgegenwärtig: Hier sind ihre Fußspuren im Boden, ihre versteinerten Überreste, Knochen, Nester, Eier, dort ihre Abbilder auf Schultüten von Kindern.

Wir finden die Dinosaurier wieder in den Vögeln, die über uns fliegen und den Schildkröten, die zu unseren Füßen krabbeln. Wir finden sie in uns. Denn Dinos und Säugetiere haben einen gemeinsamen Vorfahren.

In „Happy, we lived on a Planet“ beobachten wir fünf Menschen bei der Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit. Als Metapher schwebt der Komet über ihnen, das Ende immer projizierend. Doch muss das nichts Trauriges sein. Die befürchtete Dystopie bleibt aus. Im Gegenteil. In den alltäglichen Situationen, Gesprächen, Briefen, Telefonaten ist das Leben. Ein Spiegel unseres alltäglichen Lebens. Otto Normalverbraucher, nicht der Held aus griechischen Dramen oder nordischen oder anderen Heldendramen.

Was bleibt also, wenn etwas oder jemand geht? Ist ein Mensch, der nicht mehr Teil unseres Lebens ist, wirklich weg, wie in aus den Augen aus dem Sinn? Sind die Momente, die verblassen, wirklich aus der Welt? Endet etwas oder transformiert es sich in etwas anderes?

Über Endlichkeit zu sprechen, über die Endlichkeit von Beziehungen, die Endlichkeit des eigenen Lebens, die Endlichkeit des Lebens geliebter Menschen, die Endlichkeit von Tieren oder Pflanzen und die Endlichkeit der Menschheit, löst in der modernen westlichen kommerzorientierten Welt meist Unwohlsein aus.

Die zu Beginn befürchtete Dystopie bleibt aus, weil das Stück versöhnlicher mit der Frage nach dem Ende umgeht und sich mehr auf das Leben als solches konzentriert.

Woher kommt aber die Angst vor dem Ende? Ensemblemitglied und Regisseur Mervan Ürkmez schafft mit dem künstlerischen Team von „Happy, we lived on a Planet“ einen Erfahrungsraum für eine sinnliche und vielschichtige Auseinandersetzung mit der Endlichkeit.

Für die Ausstattung ist Elizaweta Veprinskaja verantwortlich, für den Sound Andreas Niegl, Hannah Saar ist Dramaturgin der Produktion.

www.theaterdo.de und 0231/50-27222.

Die nächsten Termine sind: 7. Oktober (18 Uhr).

Piratenmolly Ahoi! Vom Mädchen, das auszog Seemann zu werden

Ein Theaterstück von Eva-Maria Stüting für Erwachsene ab 6 Jahren

Das Publikum noch im #corona modus … der 3G-Standard. Aber endlich wieder Theater, auch für die Kinder! Die Kulturbrigaden bieten im Fletch Bizzel ein turbulentes und buntes Stück mit viel Sprachwitz, Männer – Männ*innen, Musik und ein bisschen Lebensphilosophie für Erwachsene ab 6 Jahren. Das Stück räumt auf mit klassischer Rollenverteilung und entführt das Publikum auf eine abenteuerliche und bunte Seereise.

„Träume sind dazu da in Erfüllung zu gehen“, meint Molly Kelly und beschließt ihren Traum wahrzumachen. Sie möchte Seemann werden. Aber die Seefahrt ist ein hartes Geschäft, und harte Geschäfte, die werden meist von „harten“ Männern erledigt. Wie Captain Sparrow in „Pirates of the Caribbean“ … oder nicht?

Olly/Molly (Christiane Wilke) hat es schwer an Bord und versucht es dem Kapitän (Bettina Stöbe) recht zu machen. (Foto: © Kulturbrigaden)
Olly/Molly (Christiane Wilke) hat es schwer an Bord und versucht es dem Kapitän (Bettina Stöbe) recht zu machen. (Foto: © Kulturbrigaden)

Rada Radojčić inszenierte dieses Stück für Kinder von Eva-Maria Stüting, das am 24. September Premiere hatte. Die Theatertruppe Kulturbrigaden lieferte eine mitreißende und professionelle Vorstellung.

Molly Kelly wird von ihrer Mutter mehr oder weniger vor die Tür gesetzt. In einer Gesellschaft ohne soziale Sicherheiten, brutalisiert, wie vor dem 20. Jahrhundert bei Armen häufig üblich. Jedoch Molly gelingt es, ihren Traum zu realisieren und kann, sich als Junge ausgebend, als Schiffsjunge Olly anheuern. An Bord meistert sie die ihr gestellten Aufgaben und Dienste, bis es in einem Sturm, den sie vorhersieht, ihr Kapitän aber arrogant ignoriert, zu einem Unglück kommt.

Molly geht über Bord.

Molly wird alleine auf dem Meer treibend wach. Sie ist verzweifelt. Doch Rettung naht … nur die Rettung besteht aus einem Piratenschiff.

Mit List und Mut wird sie schließlich sogar zur gefürchteten Piratenkapitänin!

Das Stück gab einen guten subtilen Hinweis auf die Gleichberechtigung zwischen Jungen/Männern und Mädchen/Frauen. Denn jeder kann jeder werden. Weil es KEINE Beschränkung von Tätigkeiten, Berufen und Aufgaben auf ein Geschlecht gibt. In dem Stück wurde auch die Sprache Gleichheit verwendet. Mann/Mann und Männ*Innen, was für große Lacher sorgte. Da vor allem unsere Konservativen auf diesem Thema herumreiten und es als Sprachschikane deklarieren, als hinge ihr Leben davon ab.

Es spielen Vassily Kazakos, Bettina Stöbe und Christiane Wilke.

Regie: Rada Radojčić
Musikalische Leitung: Dixon Ra
Kostüm & Bühne: Anna Hörling
Licht: Marco Scholz

So. 28.11             11.00 Uhr            8,— €

Mi. 01.12             10.00 Uhr            8,— €    ermäßigt 6,— €

So. 10.10             15.00 Uhr            8,— €