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Stummfilmkonzert voll revolutionärer Dramatik

Die Dortmunder Philharmoniker unter der engagierten Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz hatte sich mit „Panzerkreuzer Potemkin“ von Sergej Eisenstein (1898 – 1948) am 26.03.2019 einen besonderen Film in aufregender revolutionärer Zeit Russlands ausgewählt.

Eine dazu passende Musik stammte von Dimitri Schostakowitsch (1906 – 1975) und entstand als Auftragsarbeit des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei für eine Jubiläumsfeier 1925 aus Anlass des Aufstands auf dem Panzerkreuzer. Gezielt ausgewählte Abschnitte aus seinen Vierten, Fünften, Achten, Zehnten und Elften Sinfonien unterstreichen die dramatischen Bilder der „Meuterei“ russischer Matrosen auf dem Panzerkreuzer Potemkin im Jahr 1905.

Zum Hintergrund:

Die verheerende Niederlage im Russische-japanischen Krieg 1905 mit den sozialen Folgen brachte den wachsenden Unmut der betroffenen Menschen gegen das repressive Zarenreich zum Kochen.

Bei den Matrosen auf dem Panzerkreuzer Potemkin entlädt sich die Unzufriedenheit anlässlich der katastrophalen Versorgung mit Nahrung in einer Meuterei gegenüber der Admiralitäten.

Unter der Führung von Wakulintschuk und mit Unterstützung der Wachen zum gelungenen Widerstand. Unter den Opfern der Aktionen ist auch der revolutionäre Anführer Wakulintschuk.

Szene aus dem Fim "Panzerkreuzer Petemkin". (Foto: © Deutsche Kinemathek)
Szene aus dem Fim „Panzerkreuzer Petemkin“. (Foto: © Deutsche Kinemathek)

Seine Leiche wird in Odessa, wo man auch Lebensmittel erhalten will, unter reger Anteilnahme der solidarischen Bevölkerung in einem Zelt aufgebahrt. Auf der langen imposanten Treppe der Hafenstadt schießen die zaristische Armee samt Kosaken-Einheiten auf die verzweifelt fliehende Bevölkerung. Es gibt viele Tote und Verletzte. Um die Menschen zu unterstützen, beschießen die Matrosen das Theater von Odessa. Noch während überlegt wird, zwecks weiterer Hilfsaktionen zu laden, kommt es zur Konfrontation mit dem Admiralsgeschwader, dass in einer Verbrüderung endet.

Der Film ist aber nicht nur einfach nur ein geschickter Propagandafilm, der die Zuschauer gezielt emotional berühren und vor Augen führen will, mit welchen Handlungsträgern er sympathisieren sollte. Eisenstein setzte mit dem Mittel der Montage, Schnitten und eindrucksvollen Nahaufnahmen zugleich eine filmisch-ästhetische Revolution durch.

Die Dortmunder Philharmoniker mit ihrem Dirigenten gelang es punktgenau, die jeweiligen Stimmungen musikalisch zu untermalen. Erstaunlich, wie sie es schafften, mit nicht für möglich gehaltenen Steigerungen die Dramatik der Ereignisse und Bilder für das Publikum fühlbar zu machen. Die traurigen Momente, wenn zum Beispiel ein kleines Kind auf der Treppe stürzt und von den Fliehenden praktisch zertrampelt wird, wurde entsprechend sensibel musikalisch untermalt.

Es war wieder einmal ein wunderbares Zusammenspiel von Filmbildern und Live-Musik, dass den Beteiligten auf der Bühne alles abverlangte.

Stummfilm um Menschenwürde mit Live-Orchestermusik

Nach „City Lights“ (Lichter der Großstadt) stand am 09.04.2018 im Rahmen der Reihe Stummfilmkonzerte mit „Modern Times“ (Moderne Zeiten) aus dem Jahr 1936 ein weiterer Film von Charlie Chaplin auf dem Programm. Dieser satirisch-entlarvend gesellschaftskritische Film gehört wohl zu den Besten von Chaplin. Abgesehen von einigen wenigen Toneffekten funktioniert dieser wie ein traditioneller Stummfilm. Den gab es schon seit zehn Jahren (1926).

Die Figur des Tramp (Charlie Chaplin) tritt hier zum letzten Mal auf. Er ist ein Einzelner in einer großen Masse um ihren Arbeitsplatz und Leben in einer modernen kapitalistischen Gesellschaft der 1930-iger Jahre. Der Tramp gerät in eine gnadenlose Welt von Profit-sucht, Optimierungswahn und dem Kreislauf von Arbeitslosigkeit. Manchmal eher zufällig und unabsichtlich manövriert er sich in schwierige Situationen. Mit genialen Ideen zwischen Tragik und Komik führt der Regisseur und Schauspieler „seinen Tramp“ bildhaft deutlich durch den Dschungel und das Räderwerk des Kapitalismus. Dem gegenüber wird Prinzip der Mitmenschlichkeit, Liebe und Hoffnung gestellt. Der Tramp verliebt sich in ein junges Mädchen (seine spätere Frau Pauline Goddard). Beide versuchen, sich gegen alle Widerstände eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Sie sind wie „Stehaufmännchen“, für die zusammen halten und nicht aufgeben wollen.

Der Film ist voll skurriler Einfälle, bewusst platzierter „Zufälligkeiten“, mal temperamentvoll, dann wieder melancholisch-traurig oder liebevoll-tröstend.

Mit "Modern Times" präsentierten die Dortmudner Philharmoniker schon den zweiten Film mit Charlie Chaplin.
Mit „Modern Times“ präsentierten die Dortmunder Philharmoniker schon den zweiten Film mit Charlie Chaplin. (GrafiK. José Augusto Camargo)

Als der Tramp gegen Ende als Kellner in einem Restaurant arbeitet und spontan als Tenor einspringt, ist Chaplins Stimme erstmals in einem seiner Filme zu hören.. Der aus der Not geborene unsinnige Text kommt dabei unerwartet gut an. Chaplin ist ein Meister bewusst eingesetzter starken Gesten und Mimik und des wunderbaren Spiel. Alles ist kalkuliert eingesetzt und wirkt wie zufällig.

Auch zu „Modern Times“ hatte der „kleine“ geniale Regisseur und Schauspieler die Musik geschrieben. Die wurde in den 50ger Jahren von Nat King Cole unter dem Titel „Smile“ ein großer Hit.

Als Dirigent konnte der Chaplin-Kenner Stefanos Tsialis, Chefdirigent und künstlerische Leiter des Athener Staatsorchester, für das Konzert gewonnen werden. Für die einfühlsame musikalischen Umsetzung der visuellen Bilder war das von großem Vorteil.

Die Dortmunder Philharmoniker setzte das Geschehen auf der Leinwand mit der von Chaplin geschriebenen Musik mit viel Feingefühl je nach Situation und Gebärdenspiel um. Jede Stimmungslage wurde so um eine eigene Ebene bereichert und das Konzert zu einem ganz besonderen Erlebnis.

Stummfilmkonzert voll Dramatik

Der schwarz-weiß Stummfilm „Faust“ (1926), nach einer deutsche Volkssage wurde in diesem Jahr für das beliebte Format Stummfilmkonzert ausgewählt. Der Film wurde live orchestriert durch die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung des GMD Gabriel Feltz. Die musikalische Untermalung stammte von Bernd Schultheis.

Die Geschichte handelt vom Pakt des Wissenschaftlers Faust mit dem Teufel Mephisto. In Verzweiflung überschreibt er seine Seele in dem Teufel, um die Menschen in seiner Stadt von der zu dieser Zeit grassierenden Pest zu befreien. Zunächst nur für einen Tag, dann für immer, lässt er sich auf diesen teuflischen Pakt ein. Faust werden rauschhafte Genüsse geboten und auch seine Jugend wieder gegeben. Trotzdem ist er unzufrieden und verliebt sich in das unschuldige und schöne Gretchen. Nur sie will er haben, mit den bekannten schrecklichen Folgen für die junge Frau. In diesem Film siegt aber am Ende die Liebe der beiden Menschen über den Teufel.
Genug Dramatik steckt also in diesem Stoff. Murnau arbeitet mit Gegensätzen und einer ausdrucksstarken Ästhetik. Diese wechselt zwischen romantischen Landschaftsaufnahmen, dem grell leuchtenden Guten und als Kontrast dazu steht das Düstere, Apokalyptische und Dunkle. Dazu die wunderbaren Schauspieler wie Emil Jannings (Mephisto), Camila Horn (Gretchen) und andere, die mit jeder Geste und jedem Blick ihre Gefühle offen legen.
Es ist eine große Herausforderung und Anstrengung für das Orchester und seinem Dirigenten, die Musik auf den Punkt genau der Handlung mit seinen unterschiedlichen Stimmungen anzupassen und musikalisch Ausdruck zu verleihen. Das gelang auch dieses mal wieder ausgezeichnet. Alle wurden bis an ihre Grenzen gefordert und Gabriel Feltz war beim Schlussapplaus eine gewisse Erschöpfung ansehen.
Ein besonderes Format, dass hoffentlich auch weiterhin viele Anhänger finden wird.