Ars tremonia

Unheimlich schön

Eine Retrospektive zu Sascha Schneider im MKK

Vom 8. September 2023 bis 7. Januar 2024 können sich Besucher*innen diese Werke anschauen. Der Eintritt ist frei.

Woher kommen unsere geschlechterstereotypen Zuordnungen? Weiblich? Männlich? Was uns der AltRight Komplex wieder einhämmern möchte. Eine neue Ausstellung im MKK beleuchtet Geschlechterstereotype um 1900 und zeitgenössische künstlerische Ansätze.

Unser heute immer noch zu toxisches Männer- und Männlichkeitsbild, wurde im 19. Jahrhundert durch die dominierende englische, protestantische, prüde, anglikanische Kultur festgezurrt und wirkt bis heute verheerend und behindernd auf uns ein. Dort im frühen 19. Jhdt. liegen die Ursprünge heutiger Geschlechterstereotype, die auf weit ältere Geschlechterrollen zurückgreifen, das antike griechische und römische Geschlechterbild. Der Mann stark und wichtig, die Frau als Besitz des Mannes (Vater, Bruder, Gatte, Schwäger), weit mehr im Griechischen als im Römischen. Bei den Römern konnte Frau sich wenigstens scheiden lassen, wobei die antiken Griechen die Frau strikt als Besitz betrachteten. Einzig Sparta bildete eine egalitäre Ausnahme.

Nackte Körper von Frauen, Jungen, Männern und Androgynen präsentiert uns die MKK Ausstellung. Der Fokus dieser Ausstellung sind die Werke des Dresdner Künstlers Rudolph Karl Alexander, genannt Sascha Schneider. Sascha Schneider ist uns durch die Darstellung des idealisierten menschlichen, insbesondere des männlichen Körpers bekannt. Frauen, Jungen, Männer und Androgyne in seinen Werken (Zeichnungen, Gemälden, Plastiken, Fresken, etc.) spiegeln die gängigen Geschlechterstereotype des frühen 20. Jahrhunderts wider, darunter das Bild der verführerischen, gefährlichen, Frau, einem Objekt der Begierde und des muskulösen, willensstarken, überlegenen Mannes.

Das Team hinter der neuen Sonderschau zeigt (v.l.n.r): Dr. Christian Walda, Kunsthistoriker und stellvertretender Museumsdirektor, Svenja Lehnhardt, wissenschaftliche Volontärin und Projektleitung der Ausstellung und Ann-Kathrin Mäker, Kunst- und Kulturvermittlerin. (Fotos: Tanita Groß)
Das Team hinter der neuen Sonderschau zeigt (v.l.n.r): Dr. Christian Walda, Kunsthistoriker und stellvertretender Museumsdirektor, Svenja Lehnhardt, wissenschaftliche Volontärin und Projektleitung der Ausstellung und Ann-Kathrin Mäker, Kunst- und Kulturvermittlerin. (Fotos: Tanita Groß)

Sascha, als Vorname ist nebenbei androgyn, da er sowohl als weiblicher, wie auch als männlicher Vorname gebräuchlich ist. Er ist zudem die Kosename Variante von Alexander/Alexandra im Slawischen. Sascha Schneider war schwul … einem LGBTQIA+ Mitglied fällt es sofort auf, wenn er es nicht schon zuvor wußte.

Zu dieser besonderen Ausstellung kam es, weil die Projektleitung (Kuratorin) der Ausstellung Svenja Lehnhardt, an der Frage, der Geschlechterbilder um 1900 hängengeblieben ist. „Es ist ein Thema was mich besonders interessiert hat. Außerdem ist das Thema Geschlechterstereotype aktuell“, sagt Lehnhardt. Der AltRight Komplex hängt sich in seiner generellen Misogynie gerade besonders daran auf. Die Bemühungen die Abtreibung wieder zu kriminalisieren, Dragqueen Lesungen für Kinder und Jugendliche zu verbieten und Transrechte zu beschneiden spiegeln den Kampf von CDU/CSU, den Braunaue*rinnen und anderen so genannten “Konservativen” wieder, um das höchst fragile, toxische Männerbild (Männekens) aufrecht zu erhalten und mit jedem Mittel, auch unter der Verletzung der Menschenrechte, aufrecht zu erhalten. Ein Männerbild im 19. Jhdt. im damals weltbeherrschenden, die Natur verneinenden, militaristischen, überprüdeten, anglikanischen England entwickelt und mit tödlichen Folgen in die Welt hinausgetragen, nicht nur in den ehemaligen Kolonien wie Uganda oder in Arabien (Todesstrafen).

Das Œuvre von Sascha Schneider zeigt aber nicht nur den “vitalen”, “virilen” Mann, sondern auch seine anderen realen Erscheinungsformen … was Lehnhardt am Ende überzeugte sich auf die “Männerbilder” von Schneider zu fokussieren.

Nonchalant beleuchtet die Ausstellung die stereotypen Darstellungen der gefährlichen Frau, der “Femme Fatale”, die als Reaktion auf die Emanzipationsbewegung des 19. Jhdts. populär wurde, und sich besonders in den Frauenfiguren die u.a. von Marlene Dietrich oder Heddy Lamarr (Hedwig Maria Kiessler) dargestellt wiederfinden. Diese Darstellungen stellen Frauen als Objekte der Begierde, aber auch als bedrohliche, gar hinterhältige, Männer verschlingende. gefährliche Figuren dar.

Dieses Frauenbild, das in den 30er Jahren sowohl in Europa als auch in den USA entstand, ist eine Reaktion auf das Frauenwahlrecht, 1919 in Deutschland eingeführt, wie auch Gleichberechtigungsgesetze, und die erzkonservative Kehrtwende nach dem Börsenkrach von 1929. Schon während des Ersten Weltkrieges wurden die Frauen emanzipierter, weil sie in Männerberufen an den Heimatfronten eingesetzt werden mussten.

Die Ausstellung präsentiert darüber hinaus zeitgenössische Kunstwerke, die die Geschlechterbilder von Sascha Schneider in einen neuen Kontext setzen, mit Fotografien von Milena Schilling und Fiona Mentzel aus der Serie „Men are made to reproduce“ … und ihr Anspruch auf Herrschaft über den Uterus?

„Vor allem junge Menschen befassen sich im Schulalltag mit diesem Thema“, sagt MKK Kunst- und Kulturvermittlerin Ann-Kathrin Mäker. Sie bestätigt, dass die ersten Anfragen von Sekundarschulen schon hereingekommen sind.

Das MKK hat an einer Triggerwarnung gearbeitet, weil Nacktheit, genderspezifische Stereotype, rassistische Darstellungen sowie körperliche Gewalt gezeigt werden … Die Verprüdung des natürlichen.

Wenn auch der Künstler Schneider schwul war, so reflektiert sein Œuvre den Zeitgeist, die Idealbilder des antiken, männlichen Schönheitsbildes des 19. Jhdts., andauernd im 20. Jhdt., überhöht in der Faschistischen / NAZI Kunst (Arno Bräker, den Schneider stilbildend vorwegnimmt) und heute im Fitnesskörperkult des 21. Jhdts. immer noch gegenwärtig. Schneider, geboren 1870 in Russland, war ein “Produkt” seiner Zeit. Wobei das männliche Schönheitsideal im antiken Griechenland basiert ist.

Wie weit wir Männer uns auf Abziehbildchen einer faschistischen, toxischen Vision reduzieren lassen, liegt an uns und wie weit wir gewillt sind unseren uns innewohnenden Konservatismus zu überwinden bereit sind. Menschenrechte sind kein Kuchen, sie sind universell, unteilbar und unveräußerlich … FÜR ALLE … Wenn Frauen, LGBTQIA+ und People of Color gleiche Rechte haben, hat das Männ(chen) nicht weniger! Hat der AltRight Komplex nicht verstanden.