„Dantons Tod und Kants Beitrag“ inszeniert von Kieran Joel am Theater Dortmund
Die Französische Revolution begann vor 225 Jahren spektakulär mit dem Sturm auf die Bastille. Sie veränderte Europa und die Welt. Kieran Joel geht im Kant-Jahr 2024 der Frage nach, ob die Revolution nachhaltig war und die Menschen wirklich besser gemacht hat. Mit einem spielfreudigen Dortmunder Ensemble inszeniert er eine „revolutionäre Theatersatire“. Nach „Das Kapital. Das Musical“ bearbeitet er diesmal Georg Büchners Drama. Die zentrale Frage lautet: Können Theater und Kunst die Welt verbessern?
Die Inszenierung bietet eine zähe, oft holzschnittartige und laute Performance. Sie bringt wenig neue Erkenntnisse. Doch immer dann, wenn sie Büchners Originaltexte einsetzt, zeigt sie starke schauspielerische Momente.
Herausgekommen ist dabei eine etwas zähe, bisweilen holzschnittartige, oft zu laute Performance mit wenig Erkenntnisgewinn, ein Theaterabend, der jedoch immer dann, wenn er auf Büchners Originaltexte vertraut, auch starke schauspielerische Momente bereit hält.
Zwischen Utopie und Realität: Eine Theatertruppe auf der Suche nach der Revolution
Der Abend beginnt idyllisch. Morgennebel liegt über einer Waldlandschaft, entworfen wie von Caspar David Friedrich. Diese Romantik wird jedoch durch einen Bühnenarbeiter in schwarzem Outfit gebrochen, der am Rand den eisernen Vorhang bedient. Dieses absurde Bild deutet den Spagat zwischen Schein und Realität an, den Joel an diesem Abend wagt. Die Theatertruppe von Intendantin Bettina Kunstmann (Antje Prust) besinnt sich auf den alten Traum der Künstler
. Sie wollen die Welt nicht nur interpretieren, sondern wirklich verändern. Eine nie dagewesene Inszenierung von „Dantons Tod“ soll der Auftakt für eine Theaterrevolution sein.
Vor der Waldkulisse versammelt sich eine Schar Weltverbesserer. Sie wirken in ihren Kostümen (Tanja Maderner) wie Studenten der 68er-Generation. Begeistert entdecken sie das Agitprop-Theater für sich. Die Euphorie ist groß, die Rollen werden verteilt (ausschließlich Männerrollen aus Büchners Drama). Die Rollenverteilung spiegelt die Hierarchie im Theater wider. Es gibt die Radikalen und die Gemäßigten. Einige wollen nur spielen, andere möchten das Spiel zerstören. Diese unterschiedlichen Ansprüche führen zu Konflikten. Theater und Realität vermischen sich auf bedrohliche Weise. Das Ensemble scheitert an seinen Widersprüchen. Es scheint, als würden am Ende echte Köpfe rollen statt Theaterblut fließen.
Das Haupt des Philosophen Kant wurde vorsorglich als übergroßer Puppenkopf entsorgt. Damit steht der gewaltbereiten Zügellosigkeit nichts mehr im Weg.
Starke Monologe als Glanzpunkte der Inszenierung
Das Finale der Satire endet in einer Prügelei. Doch bevor es Tote gibt, verkündet die Darstellerin des Volks (Sarah Quarshie) eine Überraschung. „Die Menschen reflektieren ihre Verhältnisse“, erklärt sie den verblüfften Streithähnen. Alle gehen hinaus und kommen zurück. Sie bezeugen nichts weniger als ein Wunder. Ein Happy End? Hat das Theater sein Ziel erreicht? Wohl kaum. Der Kreis schließt sich zum idyllischen Anfang. Dieser satirisch gemeinte Schluss unterstreicht das Anliegen des Regisseurs. Er möchte ein „hoffnungsvolles“ Theater inszenieren. Doch der Abschluss wirkt ein wenig zu euphemistisch.
Die Dialoge verknüpfen geschickt Büchners Text mit neuen, gemeinsam entwickelten Passagen. Anfangs verfolgt man das Geschehen interessiert. Doch nach und nach wiederholen sich die Wortbeiträge, Fragen und Antworten. Die Widersprüche sind bereits bekannt, und neue Erkenntnisse bleiben aus. Die Auseinandersetzung bleibt im Allgemeinen stecken. Das Interesse verblasst, wie das (Theater-)Blut auf den Kostümen. Die Inszenierung ist oft zu laut und wenig nuanciert.
Wohltuend anders sind die Monologe, die Joel nah an Büchners Original hält. Wenn Alexander Darkow als Danton über den Fatalismus der Geschichte reflektiert, wird es leise. Fabienne Deniz-Hammer als Saint-Just erklärt mit kaltem Lächeln, dass die „Revolution die Menschheit zerstückt, um sie zu verjüngen“. Antje Prust als Robespierre zweifelt an seiner eigenen Gefühlskälte. Diese Momente sind leise und gefährlich. Sie gewinnen an Tiefe und Gedankenschärfe. Für diese starken Augenblicke lohnt sich der Besuch der Inszenierung.