Ars tremonia

The Silly Siblings werfen die Zeitmaschine an

Die Theaterband „The Silly Siblings“ entführte das Publikum im Fletch Bizzel in die 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts. Unter dem Titel “Wermut, Schwermut und Chansons“ warfen die Mitglieder der Kulturbrigaden einen liebevollen, aber auch sehr kritischen Blick auf die ereignisreiche und politisch brisante Zeit zwischen zwei Weltkriegen.

Die zeitliche Einordnung der Revue lieferte zu Beginn ein Journalist. An seiner Schreibmaschine sitzend hämmerte er eine Reportage über die letzten Tage des ersten Weltkrieges in die Tasten. Eine Stimme aus dem OFF lässt das Publikum an dem zu schreibenden Text teilhaben. Der Kaiser dankt ab und geht ins Exil, der Krieg endet am 9. November 1918. Dies ist der Ausgangspunkt für die Erzählung des Abends, die am Ende den nächsten Krieg am Horizont aufflackern sieht.

Kraftvoll und kämpferisch gesungen das Arbeiterlied „Brüder zur Sonne zur Freiheit“, frivol „die fesche Lola“ von Marlene Dietrich, verbittert ein Lied der Mütter, die ihre Söhne nicht im Krieg verheizen lassen wollten. Wunderbar zart und sehnsuchtsvoll rezitierte Anna Marienfeld Kurt Schwitters Gedicht „An Anna Blume“. Einzelne Gassenhauer wie „Mutter, der Mann mit dem Koks ist da“, fehlten nicht. In der dazugehörigen Szene wurde neben der schwarzen Kohle zugleich auch weißes Pulver mitgeliefert. Große Lacher erzeugte eine Schwarzmarktszene in der der Händler sich nach Art des Schlemils aus der Sesamstraße an potenzielle Käufer heranmachte.

Entführten die Zuschauer in die wilden Zwanziger und Dreißiger: The Silly Siblings (v.l.n.r.) Christiane Wilke, Anna Marienfeld, Rada Radojcic, Dixon Ra und Lennart Rybica. (Foto: © Anja Cord)
Entführten die Zuschauer in die wilden Zwanziger und Dreißiger: The Silly Siblings (v.l.n.r.) Christiane Wilke, Anna Marienfeld, Rada Radojcic, Dixon Ra und Lennart Rybica. (Foto: © Anja Cord)

Überzeugend schlüpften Regisseurin Rada Radojcic, Anna Marienfeld und Christiane Wilke in die Rollen der unterschiedlichsten Protagonisten. Schriftsteller, Arbeiter, Unternehmer, Hure, Tänzerin, Mutter oder Schwarzhändler. Stimmlich sehr überzeugend interpretierten sie die unterschiedlichsten Musikstücke mal ironisch, witzig oder auch mit großer Verve. Perfekt unterstützt durch die Musiker Dixon Ra & Lennart Rybica an Schlagzeug und Keyboard entrollten die Schauspielerinnen ein rauschhaftes Bild von Schmerz, Trauer, Lebensfreude, Liebe und Absinth- und Drogenexzessen. Geschickt sind die Übergänge und Kostümwechsel der einzelnen Szenen miteinander verwoben.

Die Zuschauer honorierten die Darsteller immer wieder mit Szenenapplaus und nach der Vorführung mit Standing Ovations.

Wer sich auch in diese faszinierende Zeit entführen lassen möchte, kann dies das nächste Mal am 31. Dezember um 21 Uhr zur Silvester-Sondervorstellung im Theater im Depot machen. Weitere Termine sind am 31.01.2020 um 20 Uhr und am 22.02.2020 um 20 Uhr (im Fletch Bizzel).