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Humorvolle Parabel um Streit und Verständigung

Im Rahmen des Kindertheaters im Fletch Bizzel (Dortmund) war Ars tremonia bei der zweiten Aufführung von „Zwei Monster“ der Kulturbrigaden (nach dem Kinderbuch von DavidMcKee in der deutschen Bühnenfassung von Gertrud Pigor) dabei.

Mika Kuruc als „rotes Monster“ trifft auf das blaue Monster (Christiane Wilke). (Foto: © Kulturbrigaden)
Mika Kuruc als „rotes Monster“ trifft auf das blaue Monster (Christiane Wilke). (Foto: © Kulturbrigaden)

Rada Radojcic führte nicht nur Regie, sondern präsentierte sich auch als Erzählerin samt Gesangeinlage in der Geschichte um Streit und Verständigung (ab 4 Jahre). Musikalisch begleitet wurde die Handlung atmosphärisch passgenau von Dixon Ra.

Für die wie immer bei den Kulturbrigaden fantasievollen Kostüme und das Bühnenbild war Anna Hörling verantwortlich.

Im Mittelpunkt der Bühne steht ein „Monsterberg“ aus verschieden großen und geformten blauen Stoff-Felsbrocken samt künstlicher Blumenverzierung.

Auf der einen Seite, wo die Sonne morgens aufgeht, wohnt das rote Monster (Mika Kuruc). Auf der anderen Seite, wo die Sonne untergeht, lebt das blaue Monster (Christiane Wilke). Gesehen haben sich die beiden noch nie, aber sie kommunizieren durch ein Loch im Berg miteinander. Jeder will als besonders stark und sportlich dastehen.

Aufgrund ihrer unterschiedlichen Standorte kommt es zu unterschiedlichen Sichtweisen und Streit. Natürlich möchte jeder der beiden rechthaberischen Monster nicht nachgeben und so schaukelt sich der Streit, bis die Felsbrocken hochfliegen …

Man merkt den beiden Schauspieler*innen dabei den Spaß am Spielen, Streiten, später Versöhnen und Verständigen an. Eigentlich wissen beiden Monster um die Schönheit von „ihrem Berg“ und halten zusammen, als ein „Bergsteiger-Wicht“ diesen besteigen will.

Eine Parabel, die neben all dem Spaß zeigt, wie wichtig allerdings möglichst konstruktives Streiten, aber vor allem auch Verständigung zwischen verschiedenen Sichtweisen ist. Früh übt sich, um seinen Standpunkt zu kämpfen.

Die Stühle von Eugène Ionesco im Fletch Bizzel

Zwei Schauspieler, eine Bühne, ein Saal mit leeren Stühlen, Abstand und ein ganz großes Maß an Absurdität … Das Fletch Bizzel und der französische Dramatiker Eugène Ionesco. Dessen bedeutendstes Stück passt eigentlich gut zu Corona wie der Deckel aufs Marmeladenglas, zumindest was die Bühne anbelangt … so wie wir in den Zeiten der Pandemie mit Shutdown und Social Distancing leben mussten. Zwei Menschen und jede Menge leerer Stühle.

Probenfoto: Christiane Wilke als Semiramis, Guido Fischer als Poppet. (Foto :© Kulturbrigaden)
Probenfoto: Christiane Wilke als Semiramis, Guido Fischer als Poppet. (Foto :© Kulturbrigaden)

Poppet schaut aus dem offenen Fenster auf das Meer vor ihrer Insel. Semiramis fordert ihn auf es zu schließen, da es kalt und dunkel sei und er nichts sehen könnte. Exemplarisch für die Inszenierung des absurden Stückes von Ionesco. Eine Wahrheit oder Aussage wird im nächsten Moment zerpflückt und ins Gegenteil verkehrt.

Ein älteres Ehepaar, Semiramis und Poppet, das nicht so alt, aber sehr vertraut und verspielt zugleich wirkt, erwartet die Ankunft einer Vielzahl bedeutender Persönlichkeiten, die zu dem Ehepaar auf die Insel kommen wollen oder sollen. In seiner eigenen Welt treibend, beschließt der alte Mann, der sich als Hausmarschall definiert, dass er am Ende seines Lebens der Nachwelt eine wichtige Botschaft hinterlassen möchte, nein muss. Der Mann, ein kleiner Pförtner, hat angeblich als Summe seines Lebens, der ganzen Menschheit etwas höchst Bedeutungsvolles mitzuteilen. Da er von sich glaubt, kein guter Redner zu sein, hat er einen Berufsredner bestellt, der seine Botschaft verkünden soll. Zusammen mit Semiramis, seiner Frau, die Poppet in allem eifrig unterstützt, bereitet er die Ankunft einer illustren Schar von Gästen vor, die Zeuge dieses Ereignisses sein werden.

Die Gäste treffen nach und nach durch Schiffsirenen und Türklingeln ein. Man hört und sieht sie nicht, aber die beiden Alten, pantomimenhaft, begrüßen sie und halten Smalltalk mit ihnen und schleppen dabei immer mehr Stühle heran. Die Unterhaltungen sind angeregt, besonders die von Poppet und der Schönheit. Während Semiramis leicht irritiert sich von Begleiter der Schönheit offen umgarnen lässt … Immer mehr Gäste kommen, bis die Bühne mit sichtbaren Stühlen, Stühle und immer mehr Stühle, und unsichtbaren Gästen vollgestopft ist. Alles ist bereit, inklusive der Presse, selbst der Kaiser ist eingetroffen und alle erwartet die Botschaft. Auf humorvoller Weise verwischt die Grenze zwischen Fantasie und Halluzination und Farce, während das Spiel des Paares zu Ihrer Realität wird. Es ist eine Quelle abgetrennter menschlicher Emotionen, Sentimentalitäten, Illusionen, Trauer, Liebe, Herrschsucht, Wut, Verzweiflung, stets in wundervoll farcenhafter Überzeichnung. Es könnte traurig sein und ist es auch.

Christiane Wilke als Semiramis, Guido Fischer als Poppet spielen, nein: tänzeln in der Regie von Thomas Hollaender das alte Paar, das seine Gäste empfängt in einer Welt, in der Paris nur noch eine ferne Erinnerung ist und die Pyrenäen untergegangen sind. Anna Hörling hat ihnen ein spartanisches Bühnenbild gebaut, das an Theaterinszenierungen aus den 60er Jahren erinnert, wie Gründgens Sturm im Wasserglas, bei dem der Farce entsprechend Türen Fenster und Fenster Türen.
In dieser Inszenierung treffen Marcel Marceau und Tanz auf Ionesco. Sie arbeitet mit pantomimischen Techniken und mit dem spezifischen Reiz des.

Sehenswert!


Es spielen: Christiane Wilke als Semiramis, Guido Fischer als Poppet, Mike Kuruc als der Redner
Regie: Thomas Hollaender
Musikalische Leitung: Dixon Ra
Kostüm und Bühne: Anna Hörling

Fr. 01.04 20.00 Uhr
Sa. 02.04 20.00 Uhr
Fr. 13.05 20.00 Uhr
Sa. 14.05 20.00 Uhr

Karte, pro Person 17,— €, ermäßigt 8,— €

Der Chor kriegt die Krise

Seit 2.500 Jahren ist er fester Bestandteil des Theaters: der Sprechchor. Die alten Griechen benutzten ihn als „Stimme des Volkes“, als „moralische Instanz“ oder als „Kommentator“. Mittlerweile gehört er wieder öfter zu Inszenierungen dazu, im Schauspiel Dortmund ist der Sprechchor sogar ein festes Ensemblemitglied. Nach „anfassen“ ging der Sprechchor wieder „fremd“ für die neue Produktion „schwierig“ von vier.D. Sie stellt in der großen Mittelhalle des Kulturorts Depot den Sprechchor in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Premiere war am 22. Oktober 2021.

Auf weißen Papphockern sitzend erlebt das Publikum mitten in der Halle ein Chor, der irgendwie in eine Krise gekommen ist. Sind es die Anforderungen? „Viel zu viel“ und „viel zu hoch“ klingt wie eine Kritik an zu absurden Texten oder an zu merkwürdigen Regieanweisungen von Regisseuren, die beispielsweise einen Sprechchor aus Hartz-IV-Empfängern fordert.

Verdienter Schlussapplaus für die beiden Protagonisten und den Sprechchor. (Foto: © Lukas Staab)
Verdienter Schlussapplaus für die beiden Protagonisten und den Sprechchor. (Foto: © Lukas Staab)

Schnell kommt auch etwas wie Neid gegenüber der Protagonistin (Christiane Wilke) auf, die im Laufe des Stückes eine Entwicklung durchlaufen kann, was dem Chor als Einheit, als Masse verwehrt bleibt. Dieser Konflikt zwischen Individualität und dem „Wir“ durchzieht das gesamte Stück. Der Versuch eines zweiten Protagonisten (Thomas Kemper) aus dem Chor heraus eine Individualität zu erreichen, scheitert letztendlich.

Aber hat der Chor nicht recht mit seiner Bemerkung, dass es das „Volk“ oder eine „moralische Instanz“ gar nicht mehr gebe? Sind wir nicht alle mittlerweile zu Individuen geworden, die ein „gesundes Volksempfinden“ wie es perfide unter den Nazis hieß, nicht mehr nötig haben? Oder haben wir den Chor als moralischen Rückhalt weiter nötig. Eine Antwort darauf gibt es nicht, auch dem Chor fällt keine andere Antwort ein und sagt deshalb fast resignierend: „Ich möchte gern ein anderer sein, mir fällt aber keiner ein.“

„Schwierig“ ist nicht nur ein Stück über dem Chor, sondern auch mit dem Chor und die Mittelhalle des Depots ist ein sehr guter Ort, um die mehr als 20 Chormitglieder in Szene zu setzen. Da das Publikum in der Mitte saß, mussten sie die Perspektive mal ändern. Trotz des Halls in dem großen Raum konnte ich alles gut verstehen. Eine weitere Arbeit von Thorsten Bihegue, der wie bei „Anfassen“ den Text schrieb und die Regie führte. Birgit Götz war für zwei wunderschöne Choreografien zuständig und Manuel Loos für die Musik. Es war ein sehr gelungenes Stück über das Seelenleben eines Sprechchors.

Das Stück wird noch am 26. und 27. Oktober 2021 im Depot gespielt. Kartenreservierungen sind über die Homepage möglich: www.depotdortmund.de. Weitere Informationen zum Stück sind auf der Homepage www.vier-d.info/projekte/schwierig oder den Social Media Kanälen von vier.D und dem Dortmunder Sprechchor erhältlich.

The Silly Siblings werfen die Zeitmaschine an

Die Theaterband „The Silly Siblings“ entführte das Publikum im Fletch Bizzel in die 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts. Unter dem Titel “Wermut, Schwermut und Chansons“ warfen die Mitglieder der Kulturbrigaden einen liebevollen, aber auch sehr kritischen Blick auf die ereignisreiche und politisch brisante Zeit zwischen zwei Weltkriegen.

Die zeitliche Einordnung der Revue lieferte zu Beginn ein Journalist. An seiner Schreibmaschine sitzend hämmerte er eine Reportage über die letzten Tage des ersten Weltkrieges in die Tasten. Eine Stimme aus dem OFF lässt das Publikum an dem zu schreibenden Text teilhaben. Der Kaiser dankt ab und geht ins Exil, der Krieg endet am 9. November 1918. Dies ist der Ausgangspunkt für die Erzählung des Abends, die am Ende den nächsten Krieg am Horizont aufflackern sieht.

Kraftvoll und kämpferisch gesungen das Arbeiterlied „Brüder zur Sonne zur Freiheit“, frivol „die fesche Lola“ von Marlene Dietrich, verbittert ein Lied der Mütter, die ihre Söhne nicht im Krieg verheizen lassen wollten. Wunderbar zart und sehnsuchtsvoll rezitierte Anna Marienfeld Kurt Schwitters Gedicht „An Anna Blume“. Einzelne Gassenhauer wie „Mutter, der Mann mit dem Koks ist da“, fehlten nicht. In der dazugehörigen Szene wurde neben der schwarzen Kohle zugleich auch weißes Pulver mitgeliefert. Große Lacher erzeugte eine Schwarzmarktszene in der der Händler sich nach Art des Schlemils aus der Sesamstraße an potenzielle Käufer heranmachte.

Entführten die Zuschauer in die wilden Zwanziger und Dreißiger: The Silly Siblings (v.l.n.r.) Christiane Wilke, Anna Marienfeld, Rada Radojcic, Dixon Ra und Lennart Rybica. (Foto: © Anja Cord)
Entführten die Zuschauer in die wilden Zwanziger und Dreißiger: The Silly Siblings (v.l.n.r.) Christiane Wilke, Anna Marienfeld, Rada Radojcic, Dixon Ra und Lennart Rybica. (Foto: © Anja Cord)

Überzeugend schlüpften Regisseurin Rada Radojcic, Anna Marienfeld und Christiane Wilke in die Rollen der unterschiedlichsten Protagonisten. Schriftsteller, Arbeiter, Unternehmer, Hure, Tänzerin, Mutter oder Schwarzhändler. Stimmlich sehr überzeugend interpretierten sie die unterschiedlichsten Musikstücke mal ironisch, witzig oder auch mit großer Verve. Perfekt unterstützt durch die Musiker Dixon Ra & Lennart Rybica an Schlagzeug und Keyboard entrollten die Schauspielerinnen ein rauschhaftes Bild von Schmerz, Trauer, Lebensfreude, Liebe und Absinth- und Drogenexzessen. Geschickt sind die Übergänge und Kostümwechsel der einzelnen Szenen miteinander verwoben.

Die Zuschauer honorierten die Darsteller immer wieder mit Szenenapplaus und nach der Vorführung mit Standing Ovations.

Wer sich auch in diese faszinierende Zeit entführen lassen möchte, kann dies das nächste Mal am 31. Dezember um 21 Uhr zur Silvester-Sondervorstellung im Theater im Depot machen. Weitere Termine sind am 31.01.2020 um 20 Uhr und am 22.02.2020 um 20 Uhr (im Fletch Bizzel).