Ars tremonia

Schwindel – eine rasant-queere Beziehungskomödie

image_print

Im Studio des Dortmunder Schauspielhauses feierte am 08.11.2024 die queere Beziehungskomödie „Schwindel“ nach dem neuen Roman von Hengameh Yaghoobifarah Premiere. Regisseurin Shari Asha Crosson greift in ihrer Inszenierung Strukturen und Elemente von Reality-Dating-Shows wie „Princess Charming“ auf. Diese Formate nutzen symbolisch die Treppe als hierarchischen Entscheidungsraum für die Auswahl (hopp oder flopp) aus dem Teilnehmer*innen-Pool. Dabei spielen gesellschaftlich geprägte Normen, Werte, Geschlechterbilder sowie Vermarktungsinteressen und Oberflächlichkeit eine wesentliche Rolle.

Karikatur und Dekonstruktion gesellschaftlicher Rollenbilder

Mit Karikatur und Dekonstruktion wird in „Schwindel“ auf einer eindrucksvollen Bühnenkonstruktion (eine knallpinke Treppe und ein drehbares, hellgelbes Gerüst in Herzform) humorvoll und ironisch die Thematik von Begierde, Liebe, Sehnsüchten, Körperbewusstsein, Unsicherheit, Verlust- und Bindungsängsten in all ihrer Komplexität dargestellt. Der Plot dreht sich um vier queere Personen unterschiedlichen Alters, die sich im Gefühlschaos fragen, was wirklich zählt.

Ava (Akasha Daley) hat im 15. Stockwerk ihrer Wohnung ein heißes Date mit Robin (Fabienne-Deniz Hammer). Plötzlich stören zwei ihrer ehemaligen Liebhaber*innen, Delia (Rabea Lüthi, Gast) und Silvia (Antje Prust), die Szene: Delia möchte nur ihr vergessenes Handy abholen, während Silvia verärgert ist, weil Ava seit Wochen nicht auf ihre Nachrichten reagiert hat. Die überforderte Ava flieht ohne Schlüssel und Smartphone, verfolgt von den drei anderen, aufs Dach. In schwindelerregender Höhe und nahe am Abgrund sitzen die Vier schließlich fest – mit all ihren emotionalen Konflikten.

Akasha Daley, Antje Prust, Fabienne-Deniz Hammer, Rabea Lüthi(Foto: c) Birgit Hupfeld
Akasha Daley, Antje Prust, Fabienne-Deniz Hammer, Rabea Lüthi
(Foto: c) Birgit Hupfeld

Die Schauspieler*innen versetzten sich eindrucksvoll und mit großer Spielfreude in die unterschiedlichen Charaktere. Die scheinbar beziehungsunkomplizierte Ava leidet in Wahrheit unter Verlustängsten, Robin tut cool und selbstsicher, während die jüngste, Delia, noch etwas unsicher ist, aber klare Ansagen macht. Die älteste, Silvia, fürchtet besonders, von der jüngeren Partnerin verlassen zu werden.

Auch körperlich forderte die Inszenierung den Darsteller*innen einiges ab. Die Erzählerin (die Regisseurin selbst) kommentierte das Geschehen humorvoll und ironisch. Die Herzkonstruktion diente zudem als sinnliche Projektionsfläche, und Musik spielte eine tragende Rolle, indem sie die emotionale Ebene der Szenen unterstützte.

Ein erfrischender, oft derber und direkter Beitrag der jungen Theatergeneration, der einen differenzierten Diskurs um Queerness, den politischen Körper und menschliche Beziehungen anstößt. Weitere Aufführungstermine finden Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder telefonisch unter 0231/50 27 222.