Die Welt der klassischen Musik wurde über Jahrhunderte hinweg nahezu ausschließlich von weißen männlichen Komponisten geprägt – von Bach über Mozart bis hin zu Mahler. In den vergangenen Jahren hat sich das Bewusstsein für Geschlechtergerechtigkeit zwar spürbar entwickelt: Werke von Komponistinnen wie Clara Schumann, Louise Farrenc oder Florence Price finden zunehmend Eingang in die Konzertprogramme. Doch schwarze Komponist:innen bleiben nach wie vor weitgehend im Hintergrund. Ihre Beiträge zur Musikgeschichte – etwa von Joseph Bologne, Samuel Coleridge-Taylor oder William Grant Still – werden noch immer selten aufgeführt und oft kaum wahrgenommen. Die Repertoirelandschaft vieler Konzertsäle bildet somit die tatsächliche Vielfalt der Musikgeschichte nur unzureichend ab.
Der Violinist Randall Goosby hat mit seinem Konzertprogramm am 13.05.25 unter der Rubrik „Junge Wilde“ im Konzerthaus ein bemerkenswert vielfältiges Repertoire zusammengestellt, das nicht nur musikalisch überzeugt, sondern zugleich eine klare kulturhistorische Aussage trifft.
Ein Programm mit Haltung
Er eröffnet den Abend mit einer Sonate des afrofranzösischen Komponisten Joseph Bologne (1745–1799), einem Zeitgenossen Mozarts. Dass Goosby das Konzert mit Bologne beginnt, ist ein starkes Zeichen: Bologne war nicht nur ein gefeierter Virtuose und Komponist, sondern auch eine Ausnahmeerscheinung – ein Schwarzer in der höfischen Musikwelt des Ancien Régime.

Mozarts e-Moll-Sonate, die einzige seiner Violinsonaten in Moll, verleiht der Violine große Ausdruckstiefe. Goosby nutzt diesen Raum für eine fein nuancierte Interpretation.
Franz Schuberts Rondo D 895, ein spätes Werk voller technischer Raffinesse, beschließt den ersten Programmteil mit einem kraftvollen Ausbruch romantischer Virtuosität.
Unsichtbares hörbar machen
Im zweiten Teil des Konzerts stellt Goosby dann sein zentrales künstlerisches Anliegen in den Vordergrund: die Sichtbarmachung schwarzer Stimmen innerhalb der klassischen Musik. Jeder der drei präsentierten Komponisten entwickelt dabei eine ganz eigene musikalische Sprache, die das klassische Idiom auf besondere Weise bereichert.
Samuel Coleridge-Taylor, ein britischer Komponist mit afrokaribischen Wurzeln, zeigt in seiner Suite de pièces op. 3 spätromantische Eleganz und lyrische Finesse – geschrieben zu Beginn seiner Karriere.
Florence Price, eine der bedeutendsten afroamerikanischen Komponistinnen des 20. Jahrhunderts, verbindet in ihrer Fantasie Nr. 2 in fis-Moll romantische Klangwelten mit Elementen aus Spirituals und afroamerikanischer Volksmusik. Ihre Tonsprache ist emotional unmittelbar und gleichzeitig tief verwurzelt in afroamerikanischen Traditionen.
William Grant Still schließlich gilt als „Dean“ afroamerikanischer Komponisten. Seine Suite für Violine und Klavier kombiniert klassische Formen mit jazzigen Rhythmen, bluesartigen Linien und volkstümlichen Motiven – ein ausdrucksstarkes Finale.
Randall Goosby ist jedoch nicht nur ein engagierter Botschafter für schwarze Komponist:innen – er ist auch ein Musiker von außergewöhnlichem Format. Seine technische Präzision, gepaart mit großer interpretatorischer Tiefe, prägten diesen Abend entscheidend. Gemeinsam mit dem Pianisten Zhu Wang bildete er ein harmonisches Duo, das musikalisch wie emotional überzeugte – und vom Publikum zu Recht begeistert gefeiert wurde. Kein Wunder, dass Goosby sich mit zwei Zugaben verabschieden musste.