Ars tremonia

Opulente, bildgewaltige Oper – Nixon in China

Eine Oper über einen Staatsbesuch in den 70er Jahren? Nicht nur ein Staatsbesuch, eines der wichtigsten Treffen zweier Staatsmänner nach dem Zweiten Weltkrieg. Nixons Staatsbesuch in China im Jahr 1972 war ein historisches Ereignis, das zu einer wichtigen Wende in den Beziehungen zwischen China und den USA führte. Vor diesem Besuch hatten China und die USA seit fast 25 Jahren keine diplomatischen Beziehungen mehr, und beide Länder betrachteten sich gegenseitig als Feinde. Der Besuch führte zu einer deutlichen Entspannung in einer Zeit des kalten Krieges.

Daraus machte John Adams nach einem Libretto von Alice Goodman eine Oper, die 1987 aufgeführt wurde. Martin C. Berger verwandelte mit seinem Team die Opernbühne in ein visuelles Kunstwerk. Musikalisch begleitet von den Dortmunder Philharmonikern unter der Leitung von Olivia Lee-Gundermann und einer starken Solistencrew stand einem gelungenen Opernabend zur Premiere am 26. Februar 2023 nichts im Weg.

Morgan Moody (Henry Kissinger), Daegyun Jeong (Chou En-lai), Petr Sokolov (Richard Nixon), Irina Simmes (Pat Nixon), Opernchor Theater Dortmund, Foto: (c) Thomas M. Jauk
Morgan Moody (Henry Kissinger), Daegyun Jeong (Chou En-lai), Petr Sokolov (Richard Nixon), Irina Simmes (Pat Nixon), Opernchor Theater Dortmund, Foto: (c) Thomas M. Jauk

Die Bilder, die Berger vor allem im ersten Akt auf die Bühne zauberte waren umwerfend. So lächelte uns ein riesiger Mao an, das bekannte Bild des Mondes mit einer Rakete im Auge aus „Frau Luna“ tauchte auch auf. Auf der Bühne hatte Kostümbildner Alexander Djurkov Hotter Nixon und Kissinger im ersten Akt in College-Uniformen gesteckt, während Mao und seine Sekretärinnen in einer Hippiekommune zu leben schienen.

Musikalisch betonte Komponist John Adams die kulturellen Unterschiede. Während bei den Amerikanern Jazz-Rhythmen eingewoben wurden, erklang bei den Chinesen eher traditionelle Klänge. Doch insgesamt ist die Musik von “Nixon in China” typisch für den minimalistischen Stil von John Adams, der sich durch repetitive Rhythmen, klare melodische Linien und eine ständige Entwicklung und Transformation musikalischer Motive auszeichnet.

Während der erste Akt dem Besuch von Nixon gewidmet ist und allgemeine Freude darüber herrscht, wird es im zweiten Akt etwas ruhiger. Er zeigt im Dialog zwischen Nixon und Mao die politischen und ideologischen Unterschiede zwischen den USA und China auf. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Ballett, aus der Feder von Maos Frau Chiang Chìng stammt. Dort kämpfen Frauen gegen den Missbrauch durch Männer. Es ist ein wichtiges politisches Statement, das die Ideologie der chinesischen Führung unterstreicht und die Rolle der Frauen im revolutionären Kampf betont. Nixons Ehefrau Pat nimmt das Ballett so mit, dass sie anscheinend Teil davon wird. Auch ein Seitenhieb an die Rolle der Frau im Westen.

Der dritte Akt ist geprägt von introspektiven und emotionalen Momenten und zeigt die persönlichen Auswirkungen der Reise auf die Protagonisten. Hier erinnern sich Nixon und seine Frau an Ereignisse aus dem Zweiten Weltkrieg und Mao und seine Frau an das erste Kennenlernen.

Ein paar besondere Einfälle hatte das Regieteam beim wechseln zwischen den Akten. Im ersten Akt gab es gegen Ende eine Sammlung von „ungleichen Paaren“, die sich in Zeitlupe küssten. Von Hitler und Stalin bis BVB-Fan und Schalke-Fan war einiges ungewöhnliches dabei.

Zwischen dem zweiten und dritten Akt hatte das SeniorInnentanztheater einen großen Auftritt, denn sie verkleideten sich als mehr und minder berühmte und beliebte Prominente. Das Ehepaar Honecker war vertreten, Karl Marx kam in Begleitung eines Queen Elizabeth war da, Saddam Hussein und viele mehr. Martin C. Berger hatte die Idee, den dritten Teil in einem Seniorenheim spielen zu lassen, passend zum ruhigen und zurückblickenden Charakter des Aktes.  

Bleiben die Stimmen: Hier jemanden herauszuheben ist schwer. Vielleicht noch Daegyun Jeong, der als Premier Chou En-lai brillierte. Aber auch Petr Sokolov (Richard Nixon), Irina Simmes (Pat Nixon), Alfred Kim (Mao), Hye Jung Lee (Chiang Ch’in) und Morgan Moody (Henry Kissinger) hatten ihre Szenen. Wichtig ist aber in der Oper der Chor, schließlich spielt das Stück ja in China. Hier konnte sich der Opernchor Dortmund und das Projekt Extrachor verdientermaßen auszeichnen. Mit dabei war auch das NRW Juniorballett.

Ein Opernabend der besonderen Art. Es lohnt sich.