Klangkörper St. Reinoldi

Il Divino! Leonardo García Alarcón und die CAPELLA MEDITERRANEA eröffneten mit Claudio Monteverdis „Marienvesper“ das Klangvokal Musikfestival 2023 Dortmund. „Eine vielstimmige Messe für Kirchenchöre und mehrstimmige Vesper mit einigen geistlichen Gesängen für Kapellen oder fürstliche Privatgemächer“, so der endlose Untertitel des Werkes.

Monteverdi komponierte vor mehr als 400 Jahren die „Marienvesper“ in Mantua. Er pilgerte mit dem Werk, das er Papst Paul V. widmete, als Bewerbung nach Rom. Dieses Opus Magnum, die „Vespero delle Beata Vergine“, sollte „Il Divino“, wie Zeitgenossen Monteverdi schon nannten, eine neue, beruflich bessere Alternative in Rom ermöglichen. Monteverdi wollte unter allen Umständen Mantua, nicht nur des Klimas wegen, verlassen. Die Gonzagas, Fürsten von Mantua, waren nicht nur knauserige Arbeitgeber, sondern auch sehr unzuverlässige Lohnzahler. Zudem fehlte Monteverdi die Wertschätzung seines Dienstherren. 1613 erst sollte Monteverdi dann eine neue Stelle in Venedig antreten, als Maestro della Capella die San Marco.

Das Werk zeigt eine stilistische, verwundernde Vielfalt auf. Was Leonardo García Alarcón mit seinem Ensemble und Orchester bewundernswert herausstrich. Dabei nutzte er die Reinoldi Kirche geschickt als einen eigenen Klangkörper, den er in das Orchester mit Leichtigkeit integrierte. Gerade gotische Kirchen bieten sich wegen ihrer speziellen Akustik an.

Alarcón setzte geschickt die Klangraummöglichkeiten der gotischen Reinoldi Kirche wie ein zusätzliches Instrument des CŒUER DE CHAMBRE NAMUR ein. Klangmöglichkeiten, die nur einer gotischen Kirche eigen sind. Auch ohne Rechenschieber oder gar Computer wussten die Baumeister genau, was sie machten und zu tun hatten, damit der Priester auch ganz hinten zu verstehen war. So drehten sich die Musiker z. B. in den Chor, mit dem Rücken zum Publikum, wie auch die Sänger. Dadurch wurde eine Klangfülle erreicht, die man so „frontal beschallt“ nicht kennt. Alarcón variierte dabei noch zusätzlich die Positionierung des Chorensembles, indem er den Chor sich an verschiedenen Stellen im Kirchenschiff zwischen dem Publikum oder auf der Empore im Turm platzierte und singen ließ.

Paul V. konnte irgendwie nichts mit dem genialen Werk von Monteverdi anfangen, denn zu sehr brach er mit der Tradition der Vokalpolyfonie, mit neuen konzertierenden und opernhaften Ideen. Es überforderte offensichtlich Paul V. wie den VI. die Pille.

Dafür konnte Alarcón mit seiner CAPELLA MEDITERRANEA und CŒUER DE CHAMBRE NAMUR das Dortmunder Publikum überraschen, mitreißen und begeistern.

Egal, ob das Werk so jemals zu „Il Divinos“ Lebzeiten so aufgeführt wurde, oder es sich tatsächlich „nur“ um eine Zusammenstellung der Musikstücke durch seinen Verleger ist … und welche Rolle dabei Paul V. wirklich hatte … 1612 jedenfalls entließen die Gonzagas Monteverdi in Mantua und der zunächst Mittellose brauchte einen neuen Dienstherren.

Tatsache ist aber, dass Monteverdi nicht ein Erneuerer der geistlichen Musik ist, sondern auch der Vater der modernen Oper, wie wir sie heute kennen. Denn sein „L´Orpheo“ ist DIE Oper schlechthin. Auch die Erste! Ist die „Marienvesper“ bahnbrechend? Nein! Aber sie ist fantastisch, egal welche Geschichte hinter ihr steckt.

Der Dirigat Alarcón, die CAPELLA MEDITERRANEA und das CŒUER DE CHAMBRE NAMUR zauberten einen Klang kräftigen Hörgenuss. Und dass es sowohl Alarcón, als auch den beiden Ensembles Spaß machte, konnte man nicht nur hören, sondern auch sehen.

Wir werden hoffentlich noch öfter Alarcón und seine Ensembles in Dortmund, vielleicht nicht nur bei Klangvokal erleben und hören dürfen. Denn nicht nur Monteverdi ist „Il Divino“.

Print Friendly, PDF & Email