Ars tremonia

Wenn der Essensmann zwei Mal klingelt

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Harald Wontorraczewski (Thomas Kemper) beim Vorstellungsgespräch. Probenfoto! (Foto: © Olaf Reitz)
Harald Wontorraczewski (Thomas Kemper) beim Vorstellungsgespräch. Probenfoto! (Foto: © Olaf Reitz)

Ok, die Begeisterung wie bei einem bekannten Schuhlieferanten wird der Essensauslieferer Holger Wontorraczewski (HaWe) von „Culinaritas“ wohl nicht bekommen. Doch der Umgang mit den Kunden des „Essens auf Rädern“-Dienstes sorgt für skurrile Situationen. Aber in den lustigsten Situationen steckt oft ein trauriger Kern. Das Stück zeigte Thomas Kemper als Ex-Koch Holger in absoluter Hochform. Ein Premierenbericht vom 18. September 2015.

Eine Besonderheit hatte das Stück „Culinaritas – Essen auf Rädern“ schon von der Konzeption her: Es war wie eine Serie angelegt. So gab es eine Pilotfolge, danach folgten drei Folgen der ersten Staffel, den Schlusspunkt machte das Finale mit entsprechendem Cliffhanger.

Trotz vieler lustiger Elemente ist „Culinaritas“ kein reines Schenkelklopfer-Theater. Molly Müller (alias Jule Vollmer) packte in das Stück einige aktuelle Bezüge. So thematisierte das Stück schon zu Beginn die Frage um „ältere Arbeitslose“, denn der ehemalige Koch und Restaurantbesitzer HaWe ist weit über 50 Jahre alt. Schon das Bewerbungsgespräch zeigt die gängigen Klischees, die jeder Bewerber schon einmal kennengelernt hat. Die Chefin ist uninformiert („erzählen Sie mal von sich, bis ich ihre Unterlagen durchgesehen habe“), gibt sich keine Mühe, seinen Namen richtig auszusprechen und will den Bewerber schnell loswerden. Seine Chefin Hedwig Liebermann (Jule Vollmer) ist da zunächst keine Ausnahme. Erst in einem Test mit dem menschenscheuen Herrn Stöhr (Jörg Hentschel) rettet sich HaWe in die Probezeit. Eine Besonderheit hat „Culinaritas“ noch zu bieten: Hier kann der Kunde nämlich zu seinem Essen auch Gesprächszeit dazubuchen.

Der erste Tag konfrontiert ihn mit besonders skurrilen, aber auch traurigen Schicksalen seiner Kunden. Der erste Kunde versucht seine Trauer um seine Frau mit angeblichen Gebrechen (u.a. Blindheit) zu überspielen, seine zweite Kundin, Frau Lumière, zerfließt in ihrem Selbstmitleid, weil sie findet, dass ihre Schönheit verwelkt ist. Beim dritten Kunden trifft HaWe auf ein frisch verheiratetes Paar, dass sich vor kurzem erst beim AWO-Tanzabend kennengelernt hatte.

Einsamkeit, Melancholie und Liebe im Alter werden in diesem Stück angesprochen und von HaWe mit seiner Menschenkenntnis und Lebensweisheit kommentiert. Wunderbar, Jule Vollmer und Jörg Hentschel beim „erotischen“ Tango-Tanz zuzuschauen.

Auch wenn Jule Vollmer und Jörg Hentschel mehrere Rollen übernehmen, ist das Stück Thomas Kemper auf den Leib geschrieben. Von seiner Verzweiflung als Bewerber, bis hin zu den Begegnungen mit den Kunden, es war ein großer Spaß, seiner Figur dabei zuzusehen, am ersten Tag im Job ja nichts falsch zu machen.

Ein großer Spaß mit ernsten Hintergrund. Es wäre schön, wenn es irgendwann einmal auch eine zweite Staffel gibt. Wer noch die erste Staffel erleben möchte, der muss am 04. Oktober (18 Uhr), am 08. November (18 Uhr) oder am 19. November (20 Uhr) ins Depot Dortmund.