Theater als Versuchslabor

Merle Wasmuth als "Proband 1". (Foto: ©Edi Szekely)
Merle Wasmuth als „Proband 1“. (Foto: ©Edi Szekely)

Im Rahmen der Reihe „Stadt der Angst“ geht es im dritten Teil um 22.30 Uhr im Studio des Dortmunder Schauspiels mit „4.48 Psychose“ von Sarah Kane um die Ängste in uns und der Suche nach dem Kern des Menschen und seiner Seele.

Was ist die Seele? Wie finden wir es heraus? In einem theatralen Laborversuch gehen Regisseur Kay Voges, die beide Software-Ingenieure Stefan Kögl und Lucas Pieß vom Dortmunder Hackerspace chaostreff dortmund e.V., dem Musiker Tommy Finke, Videokünstler Mario Simon und drei Schauspielern des Theaters auf die Spur zu kommen.

„So ein Experiment gab es bisher noch nicht. Es ist ein Dilemma. Die Seele können wir nicht sehen. Wo steckt die Seele , wenn sie krank ist? Bei der Behandlung von „seelischen Erkrankungen“ kommt die Schulmedizin schnell an ihre Grenzen. Sie stochern im Dunklen und wissen nicht, welches Medikament wirklich wirkt. Diese haben zudem unerwünschte Nebenwirkung auf die Persönlichkeit. Wir versuchen gemeinsam, dem Unbegreiflichen durch ein Zusammenwirken von Bildern (Video), Musik (Tommy Finke) und Schauspiel eine Form zu geben. Wir wollen den Text von Kane nicht interpretieren, sondern als Grundlage für eine Untersuchung benutzen“, erklärte Voges.

Als textliche Grundlage dient den Schauspielern das letzte Gedicht „4.48 Psychose“ von der in den 90iger Jahren des letzten Jahrhundert bekannte britische Dramatikerin Sarah Kane. Die von Depressionen geplagte Sarah Kane war eine genaue und kritische Beobachterin der Welt und seziert mit gnadenloser Offenheit das Leiden an ihr und der psychischen Erkrankung. Das Ganze mit einer poetischen Sprachkraft. Mehrfach denkt sie daran, sich das Leben zu nehmen. Kurz vor ihrem 28 Geburtstag, nach Abgabe dieses letzten Textes, geschrieben zwischen zwei Medikamentendosen, in einem Moment der Klarheit, erhängt sie sich 1999.

Die drei Schauspieler befinden sich in einem Kubus mit einer halb durchsichtigen Gaze davor, der sich in der Mitte des Studios platziert ist. Um körperliche Reaktionen wie etwa Herzfrequenz, Muskelkontraktionen, Körpertemperatur oder die Atemfrequenz bei den Schauspieler während ihrer Spiels messen zu können, sind in ihren Kostümen eingebettet, kleine bunte Systeme (Computer-Chips) angebracht. Mit Hilfe von Sensoren werden die Körperdaten auf die Leinwand projiziert. Diese verändern sich je nach den unterschiedlichen Emotionen der Schauspieler.

Die Software für das „4.48 Psychose“-Experiment haben die beiden Software-Ingenieure vom chaostreff entwickelt.

Die Daten werden in abgespeckter Form (es wären zu viele Daten) von dem Bochumer Musiker und Singer-Songwriter Tommy Finke aufgenommen und in musikalische Impulse umgewandelt. So entsteht ein wechselseitiges Zusammenspiel mit interessanten und überraschenden visueller Darstellungen „innerer körperlicher Zustände“. Fünf Kameras senden die Bilder aus dem Kubus an vier Beamer. „Zwischendurch wird es aber auch Momente geben, wo die Schauspieler und der Musiker frei agieren,“ verriet Voges.

Dieses avantgardistische Experiment wird ein beeindruckendes und eventuell auch verstörendes Erlebnis für das Publikum werden. Die Frage nach unserem Menschenbild, was uns ausmacht, ist von existenzieller Bedeutung für eine humane Gesellschaft,“so der Regisseur am Ende der Pressekonferenz.

Weitere Termine: 22., 29. Mai, 28. Juni 2014

Weitere Informationen unter 0231/ 50 27 222 oder www.theaterdo.de

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