Am Sonntagabend endete die 36. Ausgabe des Internationalen
Frauenfilmfestivals im domicil mit der feierlichen Preisverleihung.Es
war die erste Ausgabe unter Leitung von Maxa Zoller,
Die Jury im Internationalen Spielfilmwettbewerb war besetzt mit
Terri Ginsberg (Professorin für Film- und Medienwissenschaften der
Universität Kairo), Sheri Hagen (Regisseurin, Autorin,
Schauspielerin, Deutschland) und Edima Otuokon (LADIMA-Stiftung zur
Förderung von Frauen in Film, TV und Medien, Nigeria). Sie vergab
den mit 15.000 Euro dotierten Hauptpreis an die mazedonische
Produktion GOD EXISTS, HER NAME IS PETRUNYA von Teona Strugar
Mitevska, eine beißende und berührende Satire über eine
Gesellschaft voller patriarchaler Stereotypen und fatalem
Opportunismus. Das Preisgeld von 15.000 Euro wird zwischen der
Regisseurin (5.000 Euro) und dem deutschen Verleih (10.000 Euro)
geteilt, um den Vertrieb von Filmen von Regisseurinnen in Deutschland
zu fördern. Mitevska nahm den Preis persönlich in Dortmund
entgegen.
Eine lobende Erwähnung sprach die Jury für die
niederländisch-luxemburgische Produktion THE BEAST IN THE JUNGLE
unter der Regie von Clara van Gool aus. Darstellerin Claire Johnston
zeigte sich sichtlich gerührt über die Auszeichnung, mit der die
herausragende filmische Qualität des Films gewürdigt wurde.
Der mit 1.000 Euro dotierte und von der Sparkasse Dortmund
gestiftete Publikumspreis ging an Beryl Magokos autobiografischen
Dokumentarfilm IN SEARCH, der das Thema Genitalverstümmlung von
Frauen als authentische und emotionale Suche in das Innerste einer
jungen Frau behandelt. Beryl Magoko nahm den Preis ebenfalls
persönlich, gemeinsam mit ihrer Bildgestalterin Jule Katinka Cramer,
von Gabriele Kroll als Vertreterin der Sparkasse Dortmund entgegen.
Am Sonntag wurde in der Schauburg der letzte Beitragsfilm für den Internationalen Spielfilmwettbewerb für Regisseurinnen gezeigt: The Beast in the Jungle der niederländischen Regisseurin Clara van Gool.
The
beast in the Jungle
Basierend auf der gleichnamigen Novelle von Henry James erzählt der Film „The Beast in the Jungle“ (NL 2019) die seltsame Liebesgeschichte von John Marcher (Dane Jeremy Hurst) und May Bartram (Sarah Reynolds).
Über
die Zeitspanne eines Jahrhunderts treffen sich die Vertrauten an
immer neuen Orten zu einer Art Pas de deux. Sie umschmeicheln sich,
kommen sich näher, entfernen sich. Es gibt jedoch nie einen
wirklichen Kuss oder andere sexuelle Begegnungen. Die professionellen
Tänzer bewegen sich durch die Zeiten, tanzen zärtlich und
spielerisch miteinander. Eine Art Choreografie führt sie im Duett
durch die Geschichte. Sie erinnern sich an ihre Begegnungen, die
Geschichte dreht einige Zeitschleifen, poetische Zitate wiederholen
sich in den Gedanken der Protagonisten.
Über
allem schwebt die lähmende Angst vor dem Unbekannten, dem Etwas, das
John noch widerfahren, ihn überwältigen wird. Angst und Panik vor
diesem Biest durchzieht das Leben von John und lässt ihn in einer
Art Erstarrung oder Trance verhaftet bleiben. Das Leben zieht
unerfüllt an ihm vorbei, die Furcht bleibt. Die Beziehung zu May
gibt ihm ein Minimum an Halt, doch das auf ihre Kosten. Sie versucht
ihm behutsam ihre Liebe zu zeigen, dringt aber nicht zu ihm durch.
John bleibt in seiner Furcht verhaftet.
Ein
Zitat aus Henry James Novelle lautet: Es war die Wahrheit, glasklar
und monströs, dass in all der Zeit, die er gewartet hatte, das
Warten selbst sein Schicksal war.
Regisseurin
Clara von Gool produziert ihre Filme mit verschieden Choreografen, um
den Tanz auf die Leinwand zu bringen. Sie arbeitet experimentell und
dokumentarisch, aber auch an Videoinstallationen und für Werbung.
Das
Internationale Frauenfilmfestival präsentierte am vierten Tag das
Flüchtlingsdrama „Sempra mio figlio“, das auch über das
Schicksal der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan informiert.
Danach wurde es Zeit für den Zombiethriller „Endzeit“, der sich
im zweiten Teil als Film mit Ökobotschaft wandelte. Greta Thunberg
würde der Film und seine Botschaft sicher gefallen.
Sembra
mio figlio
Ismail
und sein Bruder Hassan sind als Kinder aus Afghanistan vor dem Krieg
und den Taliban geflohen und leben jetzt in Italien. Eine kleine
Schneiderei sichert den Lebensunterhalt, Ismail verdient mit
Übersetzungen in einem Flüchtlingsheim noch etwas dazu. Nach vielen
vergeblichen Versuchen und zwanzig Jahre später, erreicht er endlich
telefonisch seine Mutter, doch diese erkennt ihn nicht mehr. Seine
Mutter wurde wieder verheiratet und der Stiefvater will, dass die
Söhne nach Pakistan kommen. Ismail hegt große Sympathien für eine
Kollegin bei der Flüchtlingshilfe, sein Stiefvater will ihn aber in
Pakistan verheiraten, das lehnt er kategorisch ab.
Die
Brüder sind sich nicht einig, ob sie dem neuen Vater trauen können.
Tagelang schwelt der Konflikt. Eines Morgens ist Hassan abgereist.
Ismail erinnert sich an den Rat seines Vaters: Reise immer einzeln,
dann stirbt nur einer, die anderen überleben. Auch Ismail macht sich
dann allein auf den Weg. Im Film versinnbildlicht durch die
Verwandlung des Gesichts seiner Freundin Nina in das einer Hazara
Frau. Dann beginnt eine Reise auf verschlungenen Wegen nach Pakistan.
Die Zeitebenen verschwimmen, die Fahrt ist verwirrend und
konspirativ. Der Zuschauer bekommt eine Ahnung davon, welchen
Strapazen die Flüchtlinge auf ihrem Weg aus den Kriegsgebieten
ausgesetzt sind.
Auf
der Tour trifft Ismail eine Flüchtlingsgruppe seines Volkes der
Hazara, die mit Kerzen das Wort „Peace“ vor sich aufgebaut hat.
Am Morgen, als Schleuser die Flüchtlinge abtransportiert haben,
bleibt nur das in Wachs geschriebene Peace als kleine Spur der
Menschen zurück. Ihr Schicksal ist ungewiss.
Das
Volk der Hazara erlebte 1890 einen Genozid durch die paschtunische
Mehrheit im neu gegründeten Afghanistan. Ihr mongolisches Aussehen
und ihre Religion macht sie auch heute noch zu Opfern der Taliban und
dem Islamischen Staat.
Ismail
findet den am Telefon ausgemachten Treffpunkt. In einem kleinen
dunklen Raum stehen mehrerer Frauen zusammen und starren ihn an. Er
erzählt leise mit welchen Worten seine Mutter ihn und seinen Bruder
damals weggeschickt hat. Dann schauen sich Ismail und die Frauen
minutenlang intensiv in die Augen. Tränen fließen da jede von ihnen
Kinder verloren hat. Endlich gibt sich die richtige Mutter zu
erkennen. Das Ziel der Reise ist erreicht, was weiter geschieht,
bleibt am Ende ungewiss.
Regisseurin
Constanza Quatriglio berichtet, dass der Film mit zahlreichen
Laiendarstellern gedreht wurde, die alle einen Flüchtlingshintergrund
hatten. Dies ermöglichte ihnen die Rollen authentisch auszufüllen.
Unter den Frauen die das Wiedersehen spielten, war auch die Mutter
des Schauspielers Bashir Anhang (Ismail)
(Anja
Cord)
Zombie-Thriller
mit Ökobotschaft
Der
Film „Endzeit“ (D, 2018) von Carolina Hellsgård ist nur auf den
ersten Blick ein typischer Zombiefilm. Denn er trägt eine Botschaft
vor sich her, die im zweiten Teil des Films endgültig zum Tragen
kommt.
„Endzeit“
beginnt genretypisch, im Jahre 2 nach einer Zombieapokalypse, die
durch eine Seuche entstanden ist, gibt es nur noch zwei Städte:
Weimar und Jena. Während Jena nach einem Gegenmittel forscht, ist
Weimar unerbittlich und tötet jeden Infizierten. Vivi und Eva
fliehen aus unterschiedlichen Gründen von Weimar und wollen mit
einem selbstfahrenden Zug nach Jena. Wie es in solchen Filme so
kommt: Der Zug bleibt auf freier Strecke stehen und die beiden Frauen
müssen sich durch die Natur nach Jena durchschlagen.
Danach
beginnt sich der Film stärker auf die Dämonen der beiden
Hauptdarstellerinnen zu konzentrieren. Vivi trägt Schuldgefühle,
weil sie ihre kleine Schwester im Stich gelassen hat und Eva, die
taffe Frau, flieht vor den Menschen, die sie getötet hat.
Hellsgård
bringt im zweiten teil des Films noch eine weitere Komponente ein.
Nicht umsonst sind viele grandiose Naturaufnahmen zu sehen, einmal
entdecken die beiden Frauen sogar Giraffen, die aus dem Erfurter Zoo
geflohen sind. Flüsse, Wälder, Felder, all das wird in seiner
Pracht als Alternative zu den beiden Städten präsentiert. Das
geschieht mit Absicht. Denn es taucht die Figur „Die Gärtnerin“
auf, die offensichtlich eine Mischform zwischen Mensch und
Pflanzenwesen darstellt. Sie ist die Personifikation von „Mutter
Natur“ oder Gaia und enthüllt, dass die Natur den Menschen durch
die Seuche auslöschen wollte. Diese Symbiose sei nicht das Ende,
sondern der neue Anfang.
In
„Endzeit“ sind die Zombies keine Manifestation einer
unterprivilegierten Bevölkerung, die sich erhebt, sondern
letztendlich die Konsequenz des menschlichen Fehlverhaltens wider die
Natur. Durch die Zunahme von multiresistenten Keimen ist es durchaus
vorstellbar, dass sich die Menschheit in nicht allzu langer Zeit
einem Virus oder einem Bakterium gegenübersieht, das den großteils
der Bevölkerung ausrottet. Ähnlich wie es die Pest im 14.
Jahrhundert getan hat.
Wer
auf viel Blut und menschliche Innereien steht, der wird sicher
enttäuscht sein, wer intelligenten Horror mit einer eindringlichen
Botschaft mag, sollte sich diesen Film unbedingt ansehen.
Ins
Rennen um den internationalen Spielfilmwettbewerb für Regisseurinnen
ging am 3. Tag des IFFF Dortmund / Köln der brasilianische Film „Los
Silencios“ der Regisseurin Beatriz Seigner. Es ist in verschiedener
Hinsicht ein bemerkenswerter Film. Für unsere westlich geprägte
europäische Sichtweise etwas befremdlich anmutend, lotet er
unterschiedliche Grenzerfahrungen aus. Abends wurde der Film „Der
Boden unter den Füßen“ von Marie Kreutzer gezeigt. Es ist eine
Geschichte zweier unterschiedlicher Schwestern.
Magischer
Realismus aus dem Amazonasgebiet.
Es
sind zum einen die Grenzen zwischen Brasilien, Kolumbien Peru, aber
auch die Übergänge zwischen Lebenden und den Toten sowie Land und
Fluss. „Los Silencios“ bewegt sich zwischen Dokumentation und
Fiktion, Geistern und Realismus.
Den
politisch-gesellschaftlichen Hintergrund bildet der Bürgerkrieg in
Kolumbien. Konflikt zwischen Paramilitärs und Guerilla machen die
Situation für die Bevölkerung lebensgefährlich und zwingen viele
Menschen zur Flucht.
Der
erste Zufluchtsort für die Protagonistin Ampora (neben ihrem Ehemann
im Film die einzige professionelle Schauspielerin) und ihre Kinder
Nuria und Fabio vor den bewaffneten Konflikt ist die auch real
existierende Insel „Isla de la Fantasía“. Diese befindet sich
mitten im Amazonas im Grenzgebiet von Brasilien, Kolumbien und Peru.
Bis
auf die Mutter Ampora und dem Vater in der Geschichte wurden alle
anderen Personen von Menschen (Laien) dargestellt, die wirklich auf
der Insel wohnen. Sie bekamen erstmals Gelegenheit, „Ihre
Geschichte“ zu erzählen. Das sorgte neben den Naturgeräuschen des
Amazonas für eine besondere Authentizität.
Der
harte Kampf ums Überleben, gegen den Ausverkauf und für
Entschädigungen wird lebendig vor Augen geführt. So muss Ampora,
die ihren Mann und Tochter im Bürgerkrieg verloren hat, nicht nur um
eine Aufenthaltserlaubnis kämpfen, sondern auch darf hoffen, dass
die beiden Toten gefunden werden und sie Reparationszahlungen
bekommt. Die Ölgesellschaft möchte ihr mit wenig Geld die
Klagerechte abkaufen.
Das
Publikum erfährt nicht nur aus erster Hand von der Situation der
Dorfbewohner, sondern auch über ihr besonderes Verhältnis zu ihren
Toten und Geistern. Sie sind in der Gemeinschaft weiter
allgegenwärtig. Es gibt neben der wöchentlichen Dorfversammlung
auch eine „Versammlung der Geister der Toten“ statt. Hier
bekommen sie eine Stimme und ihren Platz in der Gesellschaft zurück.
Auch
Ampora geht in ihrem Alltag zunächst so um, als würden die Tochter
und ihr Mann noch unter ihnen Leben. Sie spricht zu ihnen und wäscht
sogar ihre Tochter. Erst ein Paket mit den gefundenen Überresten der
beiden Familienangehörigen bringt die erschütternde Realität ins
Haus.
Einiges
erfährt man über Riten der Bewohner. Die Totengeister werden mit
fluoreszierenden Farben gekennzeichnet, die sich zum Ende hin immer
mehr verstärken. (Lisa Lemken)
Eindringliches
Geschwisterdrama
Mit
„Der Boden unter den Füßen“ gelang der österreichischen
Regisseurin Marie Kreutzer ein starker Film. In 109 Minuten erzählt
sie die Geschichte zweier Schwestern. Lola ist Unternehmensberaterin
und steckt ihre ganze Kraft in ihre Karriere. Sie pendelt zwischen
Konferenzen, Büro und anonymen Hotelzimmern. Ihre ältere Schwester
Conny leidet an paranoider Schizophrenie, einmal im Jahr geht es ihr
besonders schlecht. Dieses Mal begeht sie einen Selbstmordversuch.
Hier nimmt die Geschichte Fahrt auf. Conny wird vorübergehend in die
Psychiatrie eingewiesen. Jetzt ist Lola mehr gefordert als sie
geplant hat. Sie versucht in ihrem streng getakteten Alltag mit den
unberechenbaren Anforderungen durch die Krankheit ihrer Schwester
klarzukommen, steht kurz vor einem Burn-out. Es zeigt sich wie dicht
Aufstieg und Chaos beieinander liegen. Nach mehreren Verwicklungen
und Schwierigkeiten nimmt Lola ihre Schwester mit nach Hause. Sie
organisiert deren Alltag, sodass sie wieder ihrer Arbeit nachgehen
kann. Doch die leichte Entspannung hält nicht lange vor, Conny
stürzt sich vom Balkon der Wohnung in den Tod. Lola erleidet einen
Nervenzusammenbruch und wird ins Krankenhaus eingeliefert. Sie erhält
Antidepressiva verschrieben und ist bei der Beisetzung ihrer
Schwester die einzige Hinterbliebene.
Im
Interview erzählt Marie Kreutzer, dass der Film autobiografische
Züge trägt. Ihre Tante litt ebenfalls an Schizophrenie und als
Jugendliche hat sie diese regelmäßig in der Psychiatrie besucht.
Sie konnte so auf einige ihr bekannte Gesprächsverläufe
zurückgreifen. Zwei extreme Rollenentwürfe stehen sich hier
gegenüber. Im Verlauf des Films verschwimmen immer wieder die
Grenzen und man fragt sich, welcher der Schwestern eher geholfen
werden müsste. Am Ende war die Ältere, Conny an vielen Stellen die
Stärkere. Sie setzte die Akzente, während Lola mit der Furcht vor
den Auswirkungen der Krankheit auf ihr eigenes Leben kämpfte.
Die Regisseurin Marie Kreutzer im Interview mit Stefanie Görtz (IFFF). (Foto: Anja Cord)
Die
schauspielerische Leistung von Pia Hierzegger, die die Conny
verkörperte, war beeindruckend. (Anja Cord)
Der erste Tag des
Internationalen Frauenfilmfestival Dortmund / Köln 2019 bot in der
Kategorie des Spielfilmwettbewerbs für Regisseurinnen am 10.04.2019
im Dortmunder Kino Schauburg um 20:00 Uhr mit „Wajib“
(Verpflichtung) einen Film der Regisseurin Annemarie Jacir ein
familiäres Kaleidoskop der palästinensisch-israelischen
Problematik. Die Regisseurin lebt wieder in Palästina, hat aber
einen US-Pass. Das erlaubt ihr, ohne Probleme nach Israel ein- und
ausreisen zu können.
Die Stadt Nazareth
ist die größte palästinensische Stadt auf dem Staatsgebiet
Israels. Die jüngere Stadt Nazrat-Illit wird hauptsächlich von
Juden, während Nazareth in erster Linie von Muslimen und Christen
bewohnt ist. In „Wajib“ geht es um die Tradition, die Einladungen
zur Hochzeit der Tochter persönlich zu überbringen. Der in Rom
lebende Architekt Shadi kommt ohne Begeisterung wegen der
Hochzeitsvorbereitungen für seine Schwester Amal für kurze Zeit in
seine Heimatstadt Nazareth zurück. Diese hatte er wegen der
Schwierigkeiten mit den Israelis und seinem Vater verlassen und lebt
zusammen mit seiner der PLO nahestehenden Freundin in Rom. Sein Vater
Abu Shadi arangiert sich dagegen mit den Israelis , da er gerne
Rektor werden möchte. Nun begleitet er ihn in einem humorvollem
urbanen Roadmovie bei der Abgabe der Einladungen.
Interessant ist,
dass die beiden von Saleh und Mohammad Bakri gespielt werden, die
auch im wahren Leben Sohn und Vater sind. Während der Fahrt brechen
zwischen ihnen Konflikt auf politischen, gesellschaftlichen aber auch
persönlichen Ebene auf.
Die Mutter, die nur
über Telefonate mit ihrem Sohn Shadi im Film vorkommt, spielt eine
wichtige Rolle. Sie hatte die Familie früh, vor allem wegen der
politischen Verhältnisse, verlassen. Das hat der Vater nicht
vergessen und nimmt es ihr immer noch sehr übel. Der Sohn wiederum
ist sauer auf seinen Vater, der sich nach seiner Meinung zu sehr
anpasst und verbiegt. Das er sehr viel Wert auf die Meinung von
Familie und Freunden in seinem Heimatort legt, zeigt sich vor allem,
als er seinen Sohn auch einmal als „Arzt“ ausgegeben hat. Aber
auch andere Figuren, die nicht im Film zu sehen sind, haben eine
wichtige Rolle. Shadis Freundin Nada wird von seinem Vater mehr oder
weniger ignoriert, vermutlich weil er Angst vor politischen
Repressalien hat. Auch der israelische Freund des Vaters ist nicht im
Bild zu sehen. Es bleibt unklar, ob er eine Einladung bekommt oder ob
sich Shadi durchgesetzt hat.
Bespitzelung, die
fehlende Müllentsorgung und oft Benachteiligung der Palästinenser
durch die Israelis wird von Shadi in Nebensätzen oder Seitenblicken
angesprochen und gestreift. Das Verhältnis von Israel und Palästina
wird mit viel Empathie beschrieben, sowie gleichzeitig das
Vater-Sohn-Verhältnis ausgelotet.
Auf der Reise werden
kleine Geschichten erzählt. Cousinen wollen den Architekten aus Rom
zur Heimkehr „verführen“. Man bekommt kleine humorvolle
Einblicke in die verschiedenen Welten der zur Hochzeit eingeladenen
Muslime, Christen und Atheisten.
Kleine Schummeleien,
doppeldeutige Bemerkungen oder Sticheleien beleben und befeuern
dieses bemerkenswerte Roadmovie. Am Ende sitzen Vater und Sohn
einträchtig zusammen auf dem Balkon.
Das
Internationale Frauenfilmfestival ist nicht nur eine
Präsentationsfläche für Filme von Frauen, sondern dient auch der
Schaffung von Netzwerken. So gehören
zur Jury des Internationalen Spielfilmwettbewerbs beispielsweise
Edima Otoukon aus Nigeria,
die sich mit ihrer „Ladima Stiftung“ für die Förderung von
Frauen in der nigerianischen Filmindustrie einsetzt. Das Jurymitglied
Sheri Hagen möchte die Sichtbarkeit von Schwarzen in der deutschen
Filmwelt vor und hinter der Kamera verbessern.
Daneben
gibt es ein Schulprogramm, das sich mit dem Thema Internet
auseinandersetzt. Passend zum Motto, denn im Internet gibt es
besonders viel Täuschung und Maskerade. Ars tremonia hat ein kurzes
Interview mit der Regisseurin Eef Hilgers geführt, die ihren Film
„Shame/Fame“ zeigt.
Ars tremonia: Können
Sie sich kurz vorstellen?
Eef Hilgers: Ich
arbeite seit sieben Jahren im Dokumentarfilmbereich. Vor allem
Dokumentationen über Jugendliche. Vor sieben Jahren habe ich mein
Studium beendet. Mit den Jugenddokumentationen beschäftige ich mich
mit dem Verhältnis von Jugendlichen und dem Internet. Darüber
hinaus mache ich Kinderfernsehen, aber alles dokumentarisch.
Ars tremonia:
Worüber handelt ihr Film Shame/Fame?
Eef Hilgers: Es geht
darum wie wir eigentlich mit dem Internet umgehen. Wie wir das
Internet nutzen, um zu lachen, weil Menschen dumme Dinge tun. Aber
auch, wo die Grenze liegt, bei der es kein Problem ist, darüber zu
lachen und wann wird es unpassend. Die Grenze ist im Internet ein
wenig verschoben. Ich will herausfinden, wo diese Grenze im Internet
liegt.
Mit dem
beeindruckenden Animationsfilm „THE MAN WOMAN CASE“ von
Anaïs
Caura wurde das Internationale Frauenfilmfestival 2019 in
Dortmund eröffnet. Das diesjährige Motto lautet „Bilderfallen:
Täuschung, Tarnung, Maskerade“. Zur
Eröffnung am Abend
im Dortmunder Cinestar sprachen
Festivalleiterin Dr. Maxa Zoller, Birgit Jörder (Bürgermeisterin
der Stadt Dortmund und Schirmherrin des Festivals), Dr. Martina
Gräfin von Bassewitz (Referatsleiterin Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend) und Klaus Kaiser
(Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Kultur und
Wissenschaft des Landes NRW) ihre Grußworte.
Doch
zurück zum Hauptfilm „THE MAN WOMAN CASE“. Es ist die wahre
Geschichte von Eugene/Eugenia Falleni.
Falleni wurde 1875 in Italien als Euginia geboren, wanderte mit ihrer
Familie mit zwei Jahren nach Australien. Als Teenager wurde die
männliche Seite immer dominanter und sie verwandelte sich in Eugene.
Falleni
arbeitete als Seemann, dabei wurde ihre Identität entdeckt, sie
wurde vergewaltigt und bekam ein Kind, das sie zur Adoption freigab.
Später heiratete sie die Witwe Annie Birkitt, die einen Sohn in die
Ehe brachte. Als Birkitt
entdeckte, dass Falleni ebenfalls eine Frau war, kam es – je nach
Lesart – zu einem tödlichen Unfall oder zu einem Mord. Jedenfalls
wurde Falleni erst zum Tode verurteilt, dann zu lebenslänglich. 1931
wurde sie freigelassen.
Der
Animationsfilm ist frei von digitalen 3-D-Bildern. Er ist
hauptsächlich in Schwarz-Weiß, mit wenigen Farbtupfern in Rot oder
Blau. Die Machart, die an alte Animationsfilme erinnert, macht vor
allem in den surrealen Zwischensequenzen die
Zerrissenheit
und das Zerfließende
im Charakter von Eugene/Euginia deutlich. Dafür
bot sich Tinte als Medium besonders gut an.
Turnusmäßig hat
das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund /Köln (09. –
14.04.2019) in diesem Jahr seinen Hauptsitz in unserer Stadt. Einiges
hat sich seit dem Herbst 2018 getan.
Die langjährige engagierte künstlerische Leiterin des IFFF Silke Räbiger, hat den Staffelstab an Dr. Maxa Zoller, die als freie Filmkuratorin, Dozentin für Experimentalfilmgeschichte und Dozentin für zeitgenössische Kunst das Filmprogramm vor allem auch dem jungen Publikum nahe bringen will. Dr. Zoller war zuletzt Lehrbeauftragte an der American University in Kairo, wo sie sechs Jahre lebte.
So wird zum Beispiel
auch Musik, tanzbarer Rap, Hiphop und Reggae der aufstrebenden
Dortmunder Musikerin TriXstar im Jazzclub domicil mit einem Konzert
zu hören sein.
Das Motto des IFFF
„Bilderfallen: Täuschung, Tarnung, Maskerade“ ist Programm.
Die Festivalleitung
und das Team wollen das Publikum anregen, genauer hinzusehen „Das
Trugbild hat eine enorme Kraft“, so Zoller. Für Momente wird das,
was wir als Wahrheit bezeichnen, aus den Angeln gehoben. Eine
Bilderfalle wird zu einer Störung der Bezüge zu den Dingen an sich.
Sie schafft so Raum und Zeit zwischen den Dingen und Körpern, die
sich auf einmal frei bewegen können. Doppelungen von Bildern sollen
irritieren und schaffen eine surreale Atmosphäre.
Neben den über 100
Filmen aus 32 Ländern, Sonderveranstaltungen wie Radtouren zu
verschieden Filmen auf den Fassaden der Stadt, einem trotz der
politischen Probleme aufbauend optimistischen Dokumentarfilm über
die sudanesische Frauennationalmannschaft (porträtiert von Marwa
Zein) im Deutschen Fußballmuseum, Konzerten und mehr auch diesmal
wieder 8 Wettbewerbsfilme von nationalen und internationalen
Regisseurinnen gezeigt in der Schauburg gezeigt. Das Publikum kann
per Stimmabgabe mit entscheiden, wer das ausgelobte Preisgeld als
bester Regisseurinnen-Film erhält.
Im Jahr 2019 sind
zur Freude der Festivalleitung gleich zwei deutschsprachige Filme im
Rennen.
Zum umfangreichen
Themenbereichen gehören bei den Filmen die Genader-Problematik,
Genitalverstümmlung bei Frauen, deutsche und internationale
Geschichte aus verschieden Blickwinkeln oder auch ein religions-
kritischer Film aus Mazedonien. Wer dem Horror-Genre zugeneigt ist,
kommt zum Beispiel bei dem Film „Endzeit“ auf seine Kosten.
Für Kinder ab 4
Jahren und ihre Familien wird auch am Wochenende ein spezielles
Programm angeboten.
Die Vernetzung
gewinnt immer mehr an Bedeutung. So ist es erfreulich, das sich neben
den zahlreichen Sponsoren und Förderern, immer mehr Spielstätten am
IFFF beteiligen. Neu sind neben dem CineStar, der Schauburg, Innogy
Forum und dem Kino im U jetzt das Fußballmuseum sowie das domicil
dabei.
Das Festival wird
programmatisch am 09.04.2019 um 19:00 Uhr im CineStar mit einem
ungewöhnlichen, eindringlichen Animationsfilm eröffnet. THE MAN
WOMAN CASE von Anaïs
Caura erzählt den Gerichtsfall von Eugene/Eugenia Falleni aus Sydney
– eine der ersten
dokumentierten Transgender-Personen aus dem Jahr 1920. Ein Film von
wegweisender künstlerischer Qualität.
Über
das umfangreiche Angebot, Termine, Orte und Preise können sie sich
schon jetzt über die Webseite: www.frauenfilmfestival.eu einen kleinen vorläufigen Überblick verschaffen.
Nach
Ostern können sie dann das aktualisierte Programm abfragen.
Übrigens:
Schon vor dem Beginn des Festivals wird man in der Dortmunder
Innenstadt auf eigenartige Körperwesen in einem gestrickten Kokon
stoßen.
Lassen
Sie sich überraschen. Das IFFF kommt so auf alle Fälle mitten in
unsere Stadtgesellschaft.
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