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Abtauchen in einen Sommernachtstraum

Das erste Konzert „Wiener Klassik“ am 29.September im Konzerthaus brachte mehrere Sparten zusammen: Schauspiel, Oper und natürlich die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz. Darüber hinaus war das Konzerthaus mit dem Sinfonischen Frauenchor der Chorakademie vertreten.

Doch zuvor stand Schuberts dritte Sinfonie in D-Dur auf dem Programm. Geschrieben 1815, ist sie in ihrer Gesamtheit erst 1881 uraufgeführt worden. Das relativ kurze (25 Minuten) Stück versprüht eine fröhliche Stimmung und wurde von Feltz und seinen Musikern entsprechend dynamisch aufgeführt. Das wurde vor allem im vierten Satz deutlich, als Feltz und die Musiker die Zuhörer zur schwungvollen Tarantella bat.

Nach der Pause wurde es voll auf der Bühne. Chor, zwei Solisten, zwei Erzähler und die Dortmunder Philharmoniker präsentierten „Ein Sommernachtstraum“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Die Geschichte um Puck, Oberon, Titiana, Zettel und weiteren Akteuren aus dem Elfen- und Menschenreich von William Shakespeare ist ein Klassiker. Die Musik von Mendelssohn-Bartholdy ebenfalls, wer kennt den berühmten Hochzeitsmarsch nicht.

Friederike Tiefenbacher und Frank Genser vom Dortmunder Schauspielensemble übernahmen die Sprechrollen, während Ileana Mateescu (Mezzosporan) und Talia Or (Sopran) die Solostimmen sangen, unterstützt vom Sinfonischen Frauenchor. Gabriel Feltz ließ es sich nicht nehmen, die Rolle des Erzählers zu übernehmen. Dennoch hätte dem Stück vielleicht ein weiterer Schauspieler gut getan, so wechselte die Rolle von Puck zwischen Genser und Teifenbacher. Gut, letztendlich sind wir nicht beim Schauspiel. Der Chor und die Solistinnen fügten sich dem musikalischen Rahmen wunderbar ein.

Das 1. Wiener Klassik Konzert hat schon ein deutliches positives Signal gesetzt, aber auch schon die Messlatte recht hoch gelegt. Auf die weiteren Konzerte der Wiener Klassik freue ich mich schon.

Hamlet-Konzentrat mit Überwachungskameras

Gertrud, die Königin, Hamlets Mutter, nun Frau des Claudius: Friederike Tiefenbacher Claudius, König von Dänemark: Carlos Lobo Laertes, Polonius' Sohn: Christoph Jöde. (Foto: © Edi Szekely)
Gertrud, die Königin, Hamlets Mutter, nun Frau des Claudius: Friederike Tiefenbacher
Claudius, König von Dänemark: Carlos Lobo
Laertes, Polonius‘ Sohn: Christoph Jöde. (Foto: © Edi Szekely)

Am Ende von „Hamlet“ stand ein typischer Voges-Gag. Frank Genser und Uwe Schmieder, seit Beckets Lum und Purl ein kongeniales Duo, standen als Wum und Wendelin auf der Bühne und riefen ständig „Wir machen jetzt politisches Theater“, während die Zuschauer ermuntert wurden Tweets zu senden, bis sich der Saal leerte. Wie heißt es so schön, wenn sie nicht gestorben sind, dann rufen sie noch heute. Nur Schade für die Schauspieler, sie erhielten nicht ihren verdienten Applaus und Regisseur Kay Voges nicht die Reaktion der Zuschauer auf seine Inszenierung.

Hamlet. Ein Klassiker. Nicht totzukriegen. Kay Voges sah in dem Stoff von Shakespeare Hamlet nicht als Zauderer, sondern als Überwachten. Diese Interpretation gibt es Stoff mühelos her. Polonius lauscht ständig hinter irgendwelchen Vorhängen und Rosencrantz und Guildenstern werden als Spione auf Hamlet angesetzt.

Voges modernisiert das Stück und bringt es in die Gegenwart. Gleich zu beginn wird das Grundgesetz (repräsentiert vom alten König Hamlet) mit der Begründung „Kampf dem Terror“ quasi ermordet. Danach entwickelt sich eine Tragödie mit Überwachung, Schaffung eines Übermenschen und vielen Toten. Nichts für Freunde von werkgetreuen Inszenierungen, denn neben Shakespeares Text gibt es zeitgenössisches Material zum Thema Überwachung und Leben in der Moderne.

Fünf Video-Kameras und eine Kinect-Kamera sorgen für ein riesiges Überwachungsbild. Mittels Videobearbeitung können wir Bilder aus jedem Raum des Königsschlosses sehen. Voges schafft aus dem Stoff „Hamlet“ eine Überwachungs-Exegese, die mit Elementen aus populären Fernsehsendungen wie etwa „Big Brother“ spielt. War bei „Das Fest“ noch für den Zuschauer deutlicher zu sehen, wie der Film im Hintergrund live entstand, ist bei „Hamlet“ diese Transparenz verloren gegangen. Der „Container“, indem die eigentliche Handlung stattfindet, ist für den Theaterzuschauer nicht einsehbar. Intransparenz in einer Geschichte über die allgegenwärtige Transparenz von Daten und Vorgängen. Wir agieren wie jemand, der diverse Monitore in einer U-Bahn-Station oder in einem Kaufhaus überwacht. Überall scheint etwas zu passieren.

„Hamlet“ als Überwachungsdrama zu inszenieren ist so verkehrt nicht, das Konzept ist schlüssig. Doch Berater Polonius als eine Art Dr. Frankenstein in Szene zu setzen, der an einer perfekten Symbiose von Mensch und Maschine bastelt (der alte König Lear wird in den transhumanen Fortinbras verwandelt), ist meiner Meinung nach ein wenig überdreht.

Technisch ist der „Hamlet“ auf einer hohen Stufe angelangt. Video, Sound und Musik verschmelzen zu einer Symbiose und zusammen mit den Schauspielern entwickelt sich eine Form von Zwitter zwischen Film und Schauspiel. Doch man kann auch bemängeln, dass die Schauspieler von der Technik in den Hintergrund gespielt werden. Schön zu sehen, wenn Hamlet (Eva Verena Müller) oder Laertes (Christoph Jöde) nach vorne auf die Bühne kommen. Sie wirken unter der Riesenleinwand ein wenig klein und unbedeutend.

Die Hauptrolle hatte Eva Verena Müller inne. Im Batman-Kostüm, mit blonder Perücke und Nerdbrille spielte sie einen „Hamlet“, der vielleicht gerne ein Superheld sein möchte, aber viel zu zögerlich ist und letztendlich an seiner Aufgabe – der Rache an seinen Vater – scheitert. Bettina Lieder spielte eine zarte zerbrechliche Ophelia, im Ballettkleid, die ein wenig hilflos durch die Handlung irrt. Publikumsliebling Christoph Jöde spielte den Laertes in Uniform. Bestimmt entschlossen. Zu tun, was zu tun ist. Letztendlich als Gegenteil von Hamlet. Beide gehen in einem Showdown oder besser „Shootdown“ unter. Carlos Lobo als König Claudius hatte ein wenig Ähnlichkeit mit Graf Orloc aus „Nosferatu. Er spielte ihn als reinen Machtmenschen. Frederike Tiefenbacher spielte die Mutter Hamlets ebenfalls nur eine Nebenrolle. Michael Witte gab einen Polonius in der Variante „verrückter Wissenschaftler“, während Sebastian Kuschmann die merkwürdigste Rolle hatte: Er spielte nicht nur den alten König, sondern auch den als künftigen Übermenschen angelegten Fortinbras.

Für Shakespeare-Puristen ist dieser Hamlet mit Sicherheit nicht gedacht. Die Bücher können also getrost zu Hause gelassen werden. Wer sich auf ein Konzentrat einlässt, in der die Technik eine wesentliche Rolle spielt, sollte den Versuch wagen und sich Voges‘ Inszenierung anschauen. Nicht zögern wie Hamlet, es braucht schon etwas Mut.

 weitere Termine sind: SO, 21. SEPTEMBER 2014, MI, 01. OKTOBER 2014. FR, 14. NOVEMBER 2014, FR, 12. DEZEMBER 2014, SA, 27. DEZEMBER 2014, DO, 08. JANUAR 2015, SA, 14. FEBRUAR 2015, MI, 04. MÄRZ 2015, SO, 12. APRIL 2015 und DO, 21. MAI 2015

Karten und Infos unter 0231 50 27 222 oder www.theaterdo.de

Turbulenter Wahnsinn im Schauspielhaus

Im Laufe der Tournee liegen bei den Beteiligten doch die Nerven blank: (v..l.n.r.) Merle Wasmuth, Frank Genser, Andreas Beck und Sebastian Graf. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Im Laufe der Tournee liegen bei den Beteiligten doch die Nerven blank: (v..l.n.r.) Merle Wasmuth, Frank Genser, Andreas Beck und Sebastian Graf. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Nach „Arsen und Spitzenhäubchen“ hatte am Samstag, den 5. April 2014 der „Der nackte Wahnsinn“ von Michael Frayn als zweiter Komödien-Spaß unter der Regie des Duos Peter Jordan und Leonhard Koppelmann seine Premiere auf die Bühne des Dortmunder Schauspielhauses.

Diese absurd-turbulente britische Komödie hat es wirklich in sich.

 

In dieser abgefahrenen Geschichte rund um das Theater versucht der verzweifelte Regisseur Lloyd Dallas mit seinem Assistenten Poppy Norton-Taylor und dem Inspizienten Tim Allgood kurz vor Mitternacht die am nächsten Tag anstehende Premiere des Stückes „Nackte Tatsachen“ zu retten.

Doch das Chaos hinter der Bühne groß, sondern auch Backstage wüten Eifersucht, Neid und Geltungsdrang. Das Problem ist, alle müssen irgendwie zusammenhalten, denn es steht, wie in England üblich, eine zehnwöchige Tournee an…

 

Ein Stück über Schauspieler, die ein Stück proben, klingt eigentlich mehr nach Insider-Gags. Doch „Der nackte Wahnsinn“ bot als Komödie alle Zutaten, was der Zuschauer an einer Komödie schätzt: Wenn irgendwo eine Tür zugeht, geht woanders eine Tür auf. Belanglose Requisiten wie beispielsweise Sardinen spielen plötzlich eine große Rolle und Schauspieler wechseln urplötzlich ihre Rollen. Schließlich durfte auch eine gewisse Portion Slapstick nicht fehlen.

Dabei zeigte das Dortmunder Ensemble erneut, welch gute Chemie zwischen den Schauspielern herrscht. Denn eine solche Komödie braucht Esprit, sonst funktioniert sie nicht und verkommt zur Nummernrevue.

 

Andreas Beck spielte mit sichtlichem Vergnügen den Regisseur mit langem Pferdeschwanz, mal väterlich mild verständnisvoll, dann wieder bestimmend („wenn Gottvater spricht“ ) und aufbrausend und laut, wenn die Jungschauspielerin Brooke Ashton mal wieder nichts versteht. Peer Oscar Musinowski als Regieassistent Poppy Norton-Taylor steht ihm als etwas „tuntig“ mit blonder Popper-Haarperücke treu zur Seite. Musinowski konnte hier, wie zum Beispiel schon in „Drama Queens“ bewiesen, sein komisches Talent wieder voll ausleben. Sebastian Graf spielt den Inspizienten und Bühnenmeister Tim Allgood, der als „Mädchen für alles“ fungiert. Klemmen Türen muss Tim ran, braucht das Ensemble noch Einbrecherkostüme, muss er sich trotz Schlafdefizit („Tim war 48 Stunden auf den Beinen“) ebenfalls drum kümmern.

 

Regisseur Peter Jordan hatte die Schauspielriege sehr gut besetzt. Fast möchte man niemanden herausheben, doch sehr gut war Friederike Tiefenbacher, die die leicht schusselige „Dotty Otley“ spielte. Dotty hatte darüber hinaus Geld in die Produktion gesteckt und sah im Laufe des Stückes ihre Altersvorsorge davonschwimmen. Auch Merle Wasmuth brillierte mit ihrer Darstellung der äußerst naiven Jung-Schauspielerin „Brooke Ashton“, die leider öfters ihre Kontaktlinsen verlor. Doch auch Frank Genser, Ekkehard Freye, Eva Verena Müller und Uwe Schmieder waren bei der Premiere gut aufgelegt.

 

Die beiden Regisseure Jordan und Koppelmann haben sich beim Bühnenbild nicht lumpen lassen und nutzten den Vorteil, den eine Drehbühne sich bietet. Im ersten Teil sah das Publikum ein ganz normales Bühnenbild, den Eingangsbereich eines typischen englischen Herrenhauses. Denn es war Generalprobe.Im zweiten Teil wechselt die Perspektive. Dann sehen wir das Bühnenbild von hinten. Und es wird deutlich: Aus dem Zusammenhalt am Anfang ist Neid, Missgunst und Eifersucht geworden. Im dritten Teil ist das Chaos dann perfekt. Zu sehen ist wieder das Bühnenbild vom Beginn, nur hat es durch die lange Reise und die vielen Aufführungen ordentlich was abbekommen. Die Treppe zum ersten Stock besteht nur noch zur Hälfte aus dem Original, manche Türen sind verschwunden. Der pompöse Elchkopf verliert auch noch sein Geweih.

 

Die Aufführung war ein augenzwinkernder Blick hinter die Kulissen des Theaters mit viel Spaß und Selbstironie der beteiligten Schauspieler/innen am Spiel.Sie verlangte den beteiligten Schauspieler/innen in den drei Stunden sowohl physisch als auch vom genauen Timing alles ab.

 

Kurz gesagt: Bei „Der nackte Wahnsinn“ ist der Titel Programm. Und ehrlich gesagt: Das ist auch gut so!

 

Weitere Vorstellungen: 9., 19., 25., 27. April und 8. Mai. Infos und Karten gibt es unter www.theaterdo.de oder 0231 5027222.

Dunkle Seiten im Märchen

Die Gebrüder Grimm (Ekkehard Freye und Sebastian Kuschmann) legen Hand bzw. die Schere an das Märchen von "Rotkäppchen und dem bösen Wolf". Der Wolf wird von Uwe Schmieder gespielt.
Die Gebrüder Grimm (Ekkehard Freye und Sebastian Kuschmann) legen Hand bzw. die Schere an das Märchen von „Rotkäppchen und dem bösen Wolf“. Der Wolf wird von Uwe Schmieder gespielt. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Drehbühne, Live-Musik und Video: Die drei Erfolgszutaten von „Meister und Margarita“ spielten auch beim Stück „Republik der Wölfe“, das am 15. Februar 2014 Premiere feierte, eine zentrale Rolle. Claudia Bauer interpretierte die bekanntesten Märchen der Gebrüder Grimm in ihrer eigentlich rohen und sexualisierten Art und kombinierte sie mit Texten von Anne Sexton. Absolut nichts für Kinder. Ein Premierenbericht.

 

In dieser Spielzeit sind die Gebrüder Grimm und ihre Märchen im Theater Dortmund ja hoch im Kurs. Das Kinder- und Jugendtheater zeigte am 16. Februar zum letzten Mal „Grimm spielen“, die Oper präsentiert ab dem 22. März „Aschenputtel“ von Rossini und das Schauspiel eben „Die Republik der Wölfe“.

 

Acht Märchen von „Schneewittchen“ bis „Dornröschen“ werden nicht durch den Kakao gezogen, sondern in die heutige Zeit transportiert. Sie sind zu „urban legends“ geworden, denn der wahren Schrecken findet heute nicht mehr im finsteren Wald statt, sondern in der Stadt, im Großstadtdschungel.

 

Den Beginn machte „Schneewittchen“. Friederike Tiefenbacher spielte die „böse Königin“, die vom Hofstaat umschwärmt wird. Sie ahnt aber, dass es mit ihrer Schönheit bald vorbei sein wird, und das 13-jährige Schneewittchen (Eva Verena Müller) an ihre Stelle tritt. Schneewittchen flieht zu den sieben Zwergen (Mitglieder des Dortmunder Sprechchors), nimmt aber auch den vergifteten Apfel der Königin an und fällt in einen Tiefschlaf. Am Ende der „Republik der Wölfe“ vermischt sich „Schneewittchen“ mit „Dornröschen“.

 

Nach einer kleinen Drehung ging es weiter mit dem Märchen. „Hänsel und Gretel“ wurde vermischt mit dem Märchen „Der süsse Brei“. Frank Genser rezitierte nach einem Schaumkuss-Massaker einige Zeilen aus dem Märchen. Claudia Bauer stellte in ihrer Sichtweise von „Hänsel und Gretel“ den Aspekt der „zu stopfenden Münder“ in den Vordergrund. Die Mutter (Julia Schubert) schickt zwei ihrer Kinder weg, weil sie „total unproduktiv sind und nichts zur Gesellschaft beitragen“. Daher müssen die beiden (Peer Oscar Musinowski und Carloline Hanke) in den Wald.

 

Sehr beeindruckend war auch die Interpretation von „Rumpelstilzchen“. Ekkehard Freyer spielte einen Müller, der eine Aufstiegsmöglichkeit sucht und seine Tochter (Bettina Lieder) als das „Nonplusultra“ anpreist. Wie es heutzutage Eltern gerne tun, die ihre Kinder als „Wunderkinder“ anpreisen. Das Stroh zu Gold spinnen kann sie natürlich nur mit Hilfe von Rumpelstilzchen (Uwe Schmieder). Erst nachdem sie seinen Namen sagt, wird sie ihn los. Hier brilliert Uwe Genser als König, der nur an dem Gold interessiert ist.

 

Einen sehr stark sexualisierten Aspekt hatte der „Froschkönig“. Hier wird er nicht an die Wand geworfen und mutiert auch nicht zum Prinzen, sondern wird nach der Vergewaltigung der Königstochter (Friederike Tiefenbacher) von ihr ermordet.

 

Den aktuellen „Supermodel“-Hype nahm Bauer beim „Aschenputtel“ auf das Korn. Die Stiefschwestern (Bettina Lieder und Julia Schubert) nahmen sogar Verstümmelungen in Kauf, um dem blasierten reichen König (Oscar Musinowski) zu gefallen. Letztendlich entscheidet er sich doch für Aschenputtel (Caroline Hanke).

 

Rotkäppchen ist in „Republik der Wölfe“ sehr nahe an der ursprünglichen Fassung des Märchens. Denn Charles Perraults Fassung sollte jungen Mädchen vor Sittenstrolchen warnen. In seiner Fassung wird auch das Rotkäppchen nicht befreit. Die Brüder Grimm (Sebastian Kuschmann und Ekkehard Freye) kämpfen um das „Märchen-Ende“. Letztendlich wird Rotkäppchen mit der Schere aus dem Bauch des Wolfes geschnitten. Der Wolf (Uwe Schmieder) ist hier kein Tier, sondern ein skrupelloser (Serien-)Mörder.

 

Beeindruckend war an diesem Abend die Bühne. Doppelstöckig drehte sie sich und bot die Möglichkeit, die Märchen ohne Unterbrechung hintereinander weg zu spielen. Sie gingen quasi ineinander über. Neben der Aktion auf der Bühne gab es Live-Videos, die vom Sohn des Schauspieldirektor Jan Voges aufgenommen wurden. Zu sehen waren sie auf der linken Seite der Bühne.

 

Neben den Schauspielern, die eine engagierte Leistung boten, war auch der Dortmunder Sprechchor zu sehen: Bei „Schneewittchen“ spielten sie die sieben Zwerge und bei „Die 12 tanzenden Prinzessinnen“ durften die Damen passenderweise im Prinzessinnen-Kostüm auf die Drehbühne.

 

Eine wichtige Rolle spielte die Musik. Paul Wallfisch, Alexander Hacke, Mick Harvey und Danielle de Picciotto standen auf der rechten Seite als „Ministry of Wolves“ auf der Mühne. Verkleidet waren sie als Art Geistliche mit Beffchen dazu eine Wolfsmaske. Eine kleine Doppeldeutigkeit, denn ministry kann „Ministerium“ oder aber „geistliches Amt“ bedeuten.

 

Ihre Musik war nicht nur Soundtrack, sondern mehr mit den Märchen verwoben. Musikalisch eine Mischung zwischen „Botanica“ (Wallfisch) und Einstürzende Neubauten (Hacke). Bei der Premiere gab es noch einige Abstimmungsprobleme mit dem Ton, so dass sich manchmal Schauspieler gegen die Musik nicht durchsetzen konnte (beispielsweise die Mutter von „Hänsel und Gretel“).

 

Ein gelungener Abend, an dem alles passte: Schauspieler, Dortmunder Sprechchor, Musik, Bühne, Regie. Wer seine Kindheitsmärchen gerne mal sehen möchte, wie sie „gegen den Strich“ gebürstet und in die heutige Zeit transponiert werden, sollte sich unbedingt eine Karte für die kommenden Aufführungen besorgen.

 

Für die weiteren Termine gibt es noch Karten: 05., 06., 07., 08.,09. März sowie 11., 12., 13. April und 09., 10. und 11. Mai 2014. Weitere Infos: www.theaterdo.de

Das Spiel mit den Grenzwerten

Uwe Schmieder im "Pornofinger".
Uwe Schmieder im „Pornofinger“.

In der Grosteke „Pornofinger“ von Paul M Waschkau konfrontierten Teile des Schauspielensembles unterstützt von zwei Gästen am 07. Februar in der Reihe „SpielBar“ die Besucher mit der Frage: Wie weit darf Theater gehen?

 

„Pornofinger“ behandelt auf groteske Weise den wahren Fall des Stückes „Nacktes Leben“, ebenfalls von Waschkau. „Nacktes Leben“ bekam einen Preis und sollte in Würzburg aufgeführt werden. Doch zwei Tage vorher setzte der Intendant das Stück mit der Begründung ab, es sei den Würzburgern nicht zuzumuten. Es bleibt die Frage: Was darf Theater den Zuschauer zumuten?

 

Jetzt könnte man die Frage ähnlich wie Tucholsky über die Satire mit „Theater darf alles“ beantworten. Doch schnell kommt die Schere im Kopf ins Spiel. Der Begriff „Zensur“ fällt natürlich nicht, doch der Intendant (Frank Genser) will den „Pornofinger“ auf keinen Fall aufführen, auch wenn er einen Preis bekommen hat. „Wir wollen doch nicht vor leeren Rängen spielen“, erklärt er ironisch dem Dramaturgen (Oscar Musinowski). So krittelt und mäkelt er ständig an dem Stück herum. Zunächst bekommt er Unterstützung vom Regisseur. Der, herrlich gespielt von Ekkehard Freye, kommt von außerhalb und ist außer sich: „Wo sind die Dialoge?“ Erst als er erfährt, dass es sich um ein preisgekröntes Stück handelt, ändert sich seine Meinung um 180° und er wird zum glühenden Verfechter.

 

„Pornofinger“ persifliert die typischen Theaterstrukturen. Der Dramaturg als ärmste Sau sitzt zwischen allen Stühlen, der Regisseur ist von sich überzeugt, aber dennoch immer wankelmütig und dem Intendant geht es weniger um das Stück, sondern mehr um seine „Verkaufbarkeit“.

 

Dabei waren die Schauspieler nicht nur live zu sehen, sondern auch für alle gut sichtbar auf der Leinwand im Institut. Kontrastierend dazu lief auf einem Fernseher, der auf einer schwarz-rot-goldenen Decke stand, der Film „Die 120 Tage von Sodom“ von Pier Paolo Pasolini. Dieser Film ist Pasolinis Abrechnung mit dem System des Faschismus, aber wegen seiner drastischen Bilder von Mord und Folter in vielen Ländern verboten. Auch hier stellt sich die Frage: Wer bestimmt dies und nach welchen Kriterien läuft das ganze ab?

 

Auf der Leinwand wurden auch Einspieler gezeigt, die Teile des Stückes „Nacktes Leben“ rezitierten, der Autor Paul M. Waschkaue war gegen Ende des Stückes ebenfalls zu sehen. Thorsten Bihegue als männlicher Feme im Häschenkostüm lockerte die Szenerie auf.

 

Und wo war der „Pornofinger“? Den symbolisierten zwei „Franziskas“ (Nicole Janz sowie Carolin Wirth) und ihr männlicher Kompagnon (gespielt von Uwe Schmieder).

 

Am Ende steht der Satz von Waschkau, der sinngemäß sagte: Das Theater soll nicht schauen, wo die Grenzen sind, sondern nach Möglichkeiten suchen, diese Grenzen zu überwinden.

Zum Objekt degradiert

Uwe Rohbeck als John Merrick. (Foto: © Edi Szekely)
Uwe Rohbeck als John Merrick. (Foto: © Edi Szekely)

Am 29. November hatte im Studio des Schauspielhauses das Stück „Der Elefantenmensch“ von Bernard Pomerance in der Inszenierung von Jörg Buttgereit Premiere. Ähnlich wie bei „Kannibale und Liebe“ basiert das Stück auf eine wahre Geschichte. Zum Objekt degradiert weiterlesen

Von Klischees und Lebenslügen

Der Plan für die Wette wird ausgearbeitet: (v.l.n.r.) Sebastian Kuschmann, Frank Genser, Andreas Beck und Ekkehard Freye. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Der Plan für die Wette wird ausgearbeitet: (v.l.n.r.) Sebastian Kuschmann, Frank Genser, Andreas Beck und Ekkehard Freye. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Die Komödie „Männerhort“ von Kristof Magnusson ist sicherlich nicht die feinfühligste zum Thema Geschlechterklischees. Gerade zu Beginn, als die vier Männer ihre einkaufenden Frauen beschrieben, hat man das Gefühl, Mario Barth zuzuhören.
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