Ars tremonia

Opernkrimi um Liebe und Vorurteile

Osmin (Wen Wei Zhang) ist nicht ganz so gut auf Pedrillo (Fritz Steinbacher) zu sprechen. (Foto: ©Björn Hickmann / Stage Picture)
Osmin (Wen Wei Zhang) ist nicht ganz so gut auf Pedrillo (Fritz Steinbacher) zu sprechen. (Foto: ©Björn Hickmann / Stage Picture)

Bei der Auswahl des Opernrepertoires müssen sich Intendanten auch öfter die Frage stellen, was die Stücke mit der heutigen Lebensrealität zu tun haben könnten. Mit seiner Inszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts Singspiel „Die Entführung aus dem Serail“ bewies Herzog einmal mehr gutes Gespür: Er verlegte die Handlung in den Dortmunder Norden. Ars tremonia war bei der Premiere im Opernhaus am 17. Mai 2014 dabei.

Das Bühnenbild schien direkt aus der Nordstadt importiert worden zu sein. Sehr detailgenau war ein Hinterhof mit mehrgeschossigen Wohnungen mit Balkonen, Türen mit Klingelknöpfen, Sitzgelegenheiten davor und Fahrrädern an der Seite zu erkennen. Die Vorderfront bot in der ersten Etage einen Einblick in ein türkisches Firmenbüro, im Erdgeschoss befand sich eine Art Imbiss. Für einen lebendigen und authentischen Eindruck sorgten dabei Statisten aus der türkischen Community.

Die Inszenierung transformiert Mozarts „Entführung“ bewusst in unsere Gegenwart. Die Sängerinnen, Sänger und Schauspieler trugen demzufolge auch zeitgenössische Kleidung.

Bassa Selim, die einzige Sprechrolle im Singspiel, ist hier der geachtete Chef einer türkischen Firma. Konstanze arbeitet als eine Angestellte in Selims Büro. Der Türke Osmin, Westeuropäern sehr kritisch eingestellt, ist wiederum der Vorgesetzte von Pedrillo und Blonde, die beide im Imbiss arbeiten. Noch ist es relativ friedlich, bis Konstanzes Liebhaber Belmonte, der Kleidung nach einer höheren Gesellschaftsschicht zugehörig, in Selims „Revier“ nach seiner Freundin sucht.

Gleich zwei Dreiecks-Liebesgeschichten: Selim ist Konstanze verfallen, die ihrerseits aber Belmonte liebt. Osmin liebt Blonde, die aber eigentlich Pedrillo will.

Der etwas blasse und weniger selbstbewusste Belmonte ist sich den Gefühlen und der Treue von Konstanze nicht sicher und sehr eifersüchtig . Konstanz beschwört ihre Liebe zu Belmonte, zugleich ist jedoch vom Werben und den Verstand Selims angetan. Auf geistiger Ebene steht ihr Selim näher, die stärkeren Gefühle gehören Belmonte. Blonde ist von Osman nicht begeistert, es macht ihr aber Spaß, mit ihm zu spielen, denn sie will Pedrillo nicht zu sehr in Sicherheit wiegen.

In dieser für die Beteiligten unsicheren Situation brechen alte Ressentiments und Vorurteile auf. Eine geplante Entführung der beiden Frauen durch Pedrillo und Belmonte geht schief und die Situation eskaliert. Der enttäuschte Bassa Selim ringt sich zu einem Gnadenakt durch und unterdrückt die Rachelust….

Der Kabarettist, Schauspieler, Musiker und Autor Serdar Somuncu spielte den Bassa Selim in seine verschiedenen Facetten stark: Als geachteten, selbstbewusst herrschenden, geistreichen Chef einer türkischen Firma, aber auch als enttäuschten und traurigen „einsamen Wolf“, der Großmut zeigt, aber letztendlich zerbricht.

Eleonre Marguerre bewies wieder einmal ihr gesangliches Können bei Mozarts schwierigen , halsbrecherischen Koloraturen. Darüber hinaus verstand sie es wie auch ihre Kollegin Tamara Weimerich als Blonde, den vielen unterschiedlichen Emotionen Ausdruck zu verleihen.

Gut bei Stimme waren auch Fritz Steinbacher als Pedrillo, Lucian Krasznec als Belmonte und Wen Wei Zhang als Osmin. Vor allem Pedrillo und Osmin mussten vollen Körpereinsatz zeigen, hatten aber auch wie bei ihrem gemeinsamen Trinkgelage komische Momente.

Der Opernchor unter der Leitung von Granville Walker war auch diesmal mit ein wichtiger Bestandteil für die Inszenierung. Musikalisch routiniert begleitet wurde die Aufführung von der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung des „Mozart-erfahrenen“ 1. Kapellmeister Motonori Kobayashi.

Die Inszenierung um Liebe, Vorurteile und Ressentiments gegen fremde Kulturen ist in einer globalisierten, multikulturellen Gesellschaft von heute sicher von Bedeutung. Wir sind darauf angewiesen, miteinander auszukommen und verständnisvoll umzugehen.

Das Publikum zeigte seine Begeisterung für die Aufführung am Ende mit viel Beifall.

Weitere Termine: Fr, 30. Mai 2014, Sa, 07. Juni 2014, Fr, 13. Juni 2014, Fr, 20. Juni 2014, So, 22. Juni 2014 und Fr, 04. Juli 2014