Onkel Wanja – Zerstörte Ideale, Sehnsüchte und Sinnfragen des Lebens

Im Dortmunder Schauspielhaus hatte am 01.04.2023 die Neuinszenierung von Anton Tschechows (1860 1904) Drama „Onkel Wanja“ unter der Regie des britischen Regisseurs Rikki Henry seine Premiere.

Diese Inszenierung verlegt das Geschehen in unsere hektische Zeit in einen nüchternen Büroraum mit Computer, Papierwust und Fitnessgerät.

In diesem Drama verwaltet Iwán Petrówitsch Wojnizkij, genannt Onkel Wanja, leidenschaftlich gespielt von Ekkehard Freye, aufopferungsvoll über viele Jahre das Gut seiner verstorbenen Schwester und finanziert damit das Stadtleben seines Schwagers, dem Kunstprofessor Serebrjaków. Er trauert seinen verpassten Chancen hinterher. Was hätte aus ihm werden können, wenn er nicht diese Verantwortung und Schuldenlast übernehmen würde? Selbstmitleid ist in diesem Stück dauerhaft präsent.

Er wird tatkräftig von seiner Nichte Sonja unterstützt, die unglücklich verliebt ist in den zynischen Arzt und Umweltschützer Astrow.

Adi Hrustemović, Lola Fuchs, Antje Prust, Alexander Darkow und Ekkehard Freye. (Foto: (c) Birgit Hupfeld)
Adi Hrustemović, Lola Fuchs, Antje Prust, Alexander Darkow und Ekkehard Freye. (Foto: (c) Birgit Hupfeld)

Wir lernen die Schauspielerin Nika Mišković von einer neuen Seite kennen.

Den von der „Dummheit der Menschen enttäuschten“ und vom Landleben angeödeten Arzt und Freund von Wanja Astrow spielt eindrucksvoll Alexander Darkow. Er kann sich das Leben nur mit viel Wodka schön trinken.

Bodenständig und pragmatisch veranlagt sind die Schwiegermutter Maria Wassiljewna (Antje Prust), Marina (Lola Fuchs) – im Original die ehemalige Amme von Sonja – sowie der komisch-humorvolle, ein wenig an einen Harlekin erinnernde verarmte Gutsbesitzer Telégin (Adi Hrustemović).

Bewegung in das eintönige Landleben kommt, als der Professor mit seiner zweiten Frau Elena (Sarah Quarshie) eintrifft. Das Stadtleben ist teuer, und Serebrjaków hat die Idee, das Gut zu verkaufen. Bedrohlicher Sturm kommt auf.

Linus Ebner spielt den egoistischen Hypochonder voll Selbstmitleid mit viel Humor und Ironie.

Die schöne Elena verdreht sowohl Wanja als auch Astrow den Kopf.

Nicht nur Wanja steht vor den Scherben seines Lebensentwurfes – alle Beteiligten müssen sich ihren unerfüllten Sehnsüchten stellen.

Am Ende bleibt alles beim Alten. Die ganz normalen Antihelden schaffen es nicht, ihre Wut und Sehnsucht in konstruktive Aktivität für ein besseres Leben zu transformieren.

Das Stück hat eine aktuelle Brisanz. Wie verhalten wir uns heute in Umbruchzeiten mit diversen Krisen (Klimaveränderung, Kriege, Inflation, zunehmende Entfremdung u. a.)?

Das gilt vor allem auch für Kulturschaffende, Intellektuelle, die Privilegierten in der Gesellschaft.

Die Frage bleibt: „Wie soll man leben?“.

Diese Premiere, mit viel Herzblut und Engagement der Schauspielenden mit Leben gefüllt, wurde zu Recht mit viel Applaus vom Publikum belohnt.

Informationen zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter

www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/ 50 27 222

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