Ars tremonia

Ein Mops kommt in die Oper

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Loriot bricht eine Lanze für Richard Wagner im Dortmunder Opernhaus

Im nächsten Jahr wird in Dortmund „Der Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner wiederaufgenommen. „Der Ring“, wie das Mammutwerk unter Eingeweihten kurz heißt, umfasst einen Zyklus von vier Opern, die sich allesamt an der berühmtesten deutschen Heldensage abarbeiten. „Der Ring an einem Abend“ in Loriots Fassung ist da schon mal so etwas wie ein Vorgeschmack, der Trailer sozusagen zum kommenden Wagner-Marathon: ein unterhaltsamer Kurztrip in die blutig-bunte Nibelungenwelt, leidenschaftlich präsentiert vom Gesangspersonal des Opernhauses, von den präzise abgestimmten Dortmunder Philharmonikern und einem gut aufgelegten Götz Alsmann als Erzähler.

Ein Vorgeschmack auf Wagners Mammutwerk

Das Orchester wird an diesem Abend nicht in den Graben verbannt – die ganze Bühne füllt es aus, flankiert auf der rechten Seite von vier ansehnlichen Harfen, auf der linken Seite von dem berühmten Sofa, mit dem Loriot in seinen öffentlichen Auftritten sozusagen zu einer symbiotischen Einheit verschmolzen war. „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos“, behauptete der Altmeister der Komik stets, und dementsprechend ist auch das besagte Tier an diesem Abend präsent, wenn schon nicht leibhaftig, so doch als Aufdruck auf dem Sofakissen. Eine Stehlampe vervollständigt das kleinbürgerliche Ambiente am Rande der großen Opernwelt. Die Instrumentalisten sind fein frackiert in festlichem Schwarz; Siegfried und die Heldenschar tragen keine Rüstung, sondern Abendanzug, die Walküren lange Kleider, Brünnhilde statt Kettenhemd ein Glitzerkleid – Wotan immerhin eine Augenklappe. Und der Blick? Notwendigerweise geradeaus, mit großen Augen und ausdrucksstarker Mimik, in der wir vielleicht die Wagnersche Bedeutungstiefe erahnen sollen. Ein wenig steif wirkt das schon. Sei’s drum – es wird ja keine Oper gegeben, wir nehmen teil an einer konzertanten Variante der Wagnerschen Fantasien. Und mit dieser Vereinbarung lässt sich der Abend durchaus genießen: Bühnenfestspiel meets Wohnzimmerecke!

Loriots Humor trifft auf die Welt der Oper

Nun ist das mit Wagner ja immer so eine Sache: Die einen vergöttern ihn, die anderen verdammen ihn. Da scheint es keine Zwischentöne zu geben – Wagner polarisiert wie wohl kein anderer Komponist des 19. Jahrhunderts. Darüber hinaus gibt es aber auch Zeitgenossen, die den Erfinder des Gesamtkunstwerks gar nicht kennen, die nie etwas gehört haben von Leitmotiven oder dem berühmten Tristanakkord. Insbesondere für diese Unbeleckten hat Loriot seinen Text geschrieben, für all jene, die möglicherweise von der Wucht und der Humorlosigkeit einer kompletten „Ring“-Inszenierung völlig erschlagen wären. In verständlicher und humorvoller Sprache, die in krassem Gegensatz zu den von Wagner selbst verfassten archaisierenden Arien-Versen steht, erzählt Loriot auf seine unnachahmlich klar-komische Art die Geschichte der Nibelungen, entwirrt kurzweilig und verständlich die komplizierten Familienstränge und spart auch nicht mit kleinen witzigen Seitenhieben auf den Opernbetrieb. Wobei sich der bekennende Opernliebhaber Loriot nie despektierlich lustig macht – vielmehr versucht er, auf vergnügliche Weise den Unentschlossenen, den Zweifelnden, vielleicht sogar den Wagnermuffeln das Werk des Komponisten näherzubringen.

Götz Alsmann in Erzähllaune bei Loriots "Ring an einem Abend" (Foto: (c) Anke Sundermeier)
Götz Alsmann in Erzähllaune bei Loriots „Ring an einem Abend“ (Foto: (c) Anke Sundermeier)

Götz Alsmann seinerseits setzt diesen Text kongenial im Sinne Loriots um. Lässig betritt er die Bühne, wirft eine Kusshand ins Publikum und eine ins Orchester, tritt lässig hinters Rednerpult und inszeniert schon den ersten Satz in perfektem Timing: „Die Täter im gewaltigsten Drama der Musikgeschichte sind eigentlich ganz nette Leute.“ Vereinzelte Lacher, aber der Ton ist gesetzt. Das vollbesetzte Opernhaus lauscht fortan gespannt und amüsiert. Götz Alsmann ist ein charmanter Erzähler, streut gelegentlich kleine Extemporés ein und spielt gekonnt auf der Klaviatur seiner Entertainerqualitäten.

Ein Abend zwischen Unterhaltung und Wagner-Erlebnis

Zwischen den Leseeinheiten gibt es immer wieder Wagner – komprimiert, der „Ring“ in Ausschnitten. Dabei ist es großartig zu hören und zu sehen, wie die Solist:innen sich ins Zeug legen, wie sie, an die Rampe gebannt, die fehlende Bewegungsfreiheit wettmachen durch wirklich tollen Gesang. Insbesondere Mandla Mndebele als Wotan und Artyom Wasnetsov als Hagen liefern eine großartige Performance. Begleitet werden sie dabei von den wunderbar aufspielenden Dortmunder Philharmonikern unter der Leitung von Gabriel Feltz.

Alles in allem ein gelungener Abend, der nach immerhin drei Stunden dennoch manche, die mit Wagners Kunst weniger anfangen können, etwas enttäuscht zurückließ: „Zu viel Wagner, zu wenig Loriot“, hört man von einigen. Insofern ist ein Leben ohne Wagner sicherlich möglich – ob es sinnlos wäre, mag ein jeder nach dem Besuch dieses konzertanten „Ring“-Konzentrats selbst entscheiden.

Hans-Peter Krüger