Ars tremonia

Die Rückkehr von Kara Ben Nemsi

Winnetou, Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi, die Figuren von Karl May sind auch heute noch sehr bekannt. Während Old Shatterhand den Wilden Westen unsicher gemacht hat, kümmerte sich Kara Ben Nemsi um die Schurken im Orient. Wobei es die Theorie gibt, dass Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi ein und dieselbe Figur seien, quasi die Personifizierung von Karl May, aber das würde zu weit führen. Es geht also um Kara Ben Nemsi und seine Abenteuer auf dem Balkan aus dem Buch „Durch das Land der Skipetaren“, also Albanien und dem Kosovo.

Am 09. Mai zeigte das Theaterensemble „Qendra Multimedia“ aus dem Kosovo im Schauspielhaus das Stück „The return of Karl May“ von Jeton Neziraj in albanischer Sprache. Der Untertitel „Ein Lustspiel für das deutsche Volk“ machte klar, dass es nicht ganz bierernst wurde.

Die Gruppe Qendra Multimedia in Aktion. (Foto: © Qendra Multimedia)
Die Gruppe Qendra Multimedia in Aktion. (Foto: © Qendra Multimedia)

„The return of Karl May“ ist ein Stück im Stück. Wir sehen Schauspieler proben und den Regisseur Dinge tun, die ein Regisseur eben tut. Einsätze vorgeben beispielsweise. Die Grundidee dahinter ist, dass die Theatergruppe zu einem europäischen Theaterfestival nach Berlin zur Volksbühne eingeladen wurde. Das Stück dreht sich um die Wiederkehr von Kara Ben Nemsi und seinem Pferd Rih (der im Stück ein Frosch ist), der diesmal vom Kosovo nach Deutschland gelangen möchte. Nachdem Karl May in „Durch das Land der Skipetaren“ die Albaner doch sehr stereotypisch skizziert hat „Für die Deutschen sind wir Banditen, eiskalte Mörder, Rächer, Räuber, wild, brutal, ungebildet, fanatische Muslime, Betrüger, heißblütig und hinterhältig“ so der Regisseur im Stück.

Auf der „Rückreise“ vom Kosovo nach Deutschland wird ebenfalls mit den Stereotypen gespielt. Diesmal halt umgekehrt und es bekommen Kroaten, Slowenen oder Österreicher ab. Ein besonderes Hühnchen haben das Stück mit Peter Handke zu rupfen. Dessen Parteinahme für die Serben und für Slobodan Milošević kommt natürlich bei den Albanern nicht gut an. Kaum in Deutschland, treffen sie auf eine Gruppe von Neonazis in Hanau. Eine Anspielung auf den Anschlag am 19. Februar 2020, bei dem neun Menschen von einem Rechtsextremen getötet wurden.

Es war erfrischend, mal ein Stück aus einer nicht-deutschzentrierten Perspektive zu sehen. Auch wenn Flüchtlinge seit 2015 im Theater thematisiert wurden, der kleine Seitenhieb passte: „In den europäischen Theatern beschäftigt sich jedes zweite Stück mit den Geflüchteten. Die Europäer mögen die Geflüchteten nur auf der Bühne, als Fiktion, aber nicht in der Wirklichkeit.“

Schön auch die Spitze an den modernen Theaterbetrieb, der Schubladen mit diffusen Begrifflichkeiten liebt. „Kollegen, unsere Aufführung wird etwas zwischen dem ‚postmigrant theatre‘ und dem ‚capitalist realism‘ sein, aber sie kann aber auch als ‚post-truth theatre‘ definiert werden.“

Auch wenn das Lesen von Untertitel manchmal nicht einfach ist – schaut man auf die Bühne oder liest man den Untertitel – es ist immer wieder bereichernd, andere Theaterkulturen und -traditionen kennenzulernen. So etwas sollte es öfter geben.