Glaubt man der Wissenschaft, dann ja. Schon Babys schauen hübsche Gesichter länger an als hässliche. Zum anderen schließen Menschen von den äußeren Attributen auf die inneren Merkmale. Das heißt schöne Menschen gelten als erfolgreicher, kompetenter, selbstsicherer und so weiter. So kommt es in der Oper „Der Häßliche“ von Thierry Tidrow, dass der gute Herr Lette (Marcelo de Souza Felix) sein eigenes Projekt nicht auf dem Kongress vorstellen darf, sondern sein Assistent Karlmann (Daegyun Jeong). Die Begründung vom Chef (Ruth Katharina Peeck) lautet: Er sei zu hässlich. „Ihr Gesicht geht nicht“, wird Lette gesagt. Auch seine Frau (Anna Lucia Struck) findet ihn hässlich, sagt aber zur Entschuldigung „Als Mensch bist du sehr schön“.
Lette geht zum Schönheitschirurgen und lässt sich ein neues Gesicht verpassen und siehe da, alle lieben ihn. Sie lieben ihn so sehr, dass er sich vor weiblichen Avancen kaum retten kann und er mit dem Doktor als Anschauungsmaterial durch die Lande zieht. Lettes Erfolg bringt Neider auf den Plan, sein Kollege Karlmann lässt sich ebenfalls das Gesicht verschönern.
Und hier wird die Geschichte der Oper etwas abstrus, denn der Doktor hat anscheinend in der „VEB Schönheitschirurgie“ gelernt und kann nur ein Gesicht modellieren. So bekommen mehr und mehr Menschen Lettes Gesicht und sind nicht mehr zu unterscheiden, außer durch die Stimme. Klingt ein wenig wie „Angriff der Klonkrieger“. Nachdem sich viele Menschen Lettes neues Gesicht tragen, wie beispielsweise Karlmann, ist die Besonderheit nicht mehr da. Lette wird gefeuert, verliert auch seine Frau und findet erst in der Beziehung zum Sohn einer Unternehmerin, der auch „sein“ Gesicht trägt, anscheinend eine gewisse Erfüllung. Obwohl beide wie verliebte Narzissten wirken.
Die Premiere vom 20. Februar im Operntreff zeigte vier gut aufgelegte Sängerinnen und Sänger. Das Bühnenbild von Emine Güner konnte gefallen, denn aus den wenigen Elementen wurde viel gemacht. So verwandelte sich der Arbeitsplatz in einen Küchentisch oder eine OP-Liege. Die Musik von Tidrow ist abwechslungsreich, mal erklingt ein Walzer, mal scheint man barocke Elemente herauszuhören.
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