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Eine Sommernacht – Veränderung möglich

Viele Menschen stellen sich im Alter um die 40 Jahre die Frage, was wurde verpasst? Welche Träume hat man noch? Ist das schon alles gewesen? Dieser Thematik widmete sich die freie Theaterformation DispoDispo! unter der Regie von Eva Zitta mit den beiden Schauspielern Tanja Brügger und Dominik Hertrich. Ihr Stück „Eine Sommernacht“ (von David Greig und Gordon McIntyre) hatte am 06.04.2019 im Dortmunder Theater im Depot seine Premiere. Ars tremonia war bei der Vorstellung am 07.04.2019 dabei.

Auf der Bühne boten einige weiße multifunktional verwendbare (offene) kleine Regale und Sitzgelegenheiten mit abnehmbarem Deckel den Protagonisten Helena (Tanja Brügger ) und Bob (Dominik Hertrich) viel Möglichkeiten für Spiel, Bewegung und die verschiedenen Requisiten. So wandelte sich die Bühne ohne große Umbauten in eine Bar, in die Wohnung von Helena oder den Club mit japanischer Bondagetechnik.

Für den stimmungsvollen Klanghintergrund und Musik war Marcus Krieger verantwortlich.

Das Stück spielt in Edinburgh und so bleibt auch in einer Sommernacht zunächst schlechtes Wetter mit viel Regen nicht aus. Die Scheidungsanwältin Helena und der Kleinganove Bob, beide 39 Jahre alt, treffen in einer Bar aufeinander. Nach einem eher enttäuschend verlaufende One-Night-Stand scheint für die beiden Protagonisten erst einmal alles vorbei zu sein. Doch dann gibt es ein Wiedersehen: Bob mit 15.000 Pfund und Helena im vollgekotzten Hochzeitskleid.

Atemlos durch die Sommernacht. helena (Tanja Brügger) und Bob (Dominik Hertrich) erleben eine unvergessliche Nacht. (Foto: © Uwe Faltermeier)
Atemlos durch die Sommernacht. helena (Tanja Brügger) und Bob (Dominik Hertrich) erleben eine unvergessliche Nacht. (Foto: © Uwe Faltermeier)

Das Stück spielt mit Rückblicken und den Versionen der beiden Hauptfiguren über die sagenhafte Mittsommernacht. Was ist wahr und was ist erfunden? Wie war das erste Zusammentreffen? Was haben beide gesagt? Bob und Helena haben durchaus unterschiedliche Sichtweisen und wie bei einer Zwiebelhäutung kommt erst bei der zweiten Version die Wahrheit ans Licht. So gesteht der gefesselte Bob, dass er ein Sohn hat, den seine damalige Freundin bekommen hat, als er 18 Jahre alt war. Dadurch hat sich sein Traum, als Straßenmusiker durch Europa zu ziehen, zerstört.

„Eine Sommernacht“ hat eine klare Botschaft. Als Helena ihr Parkticket bezahlen möchte, erscheint auf dem Display „change possible“. Der Automat kann also Geld wechseln. Doch „change possible“ kann auch „Veränderung möglich“ bedeuten. Das Schöne dabei, das gilt auch für Menschen weit jenseits der 30.

Die Schauspieler bewiesen ihre große Wandlungsfähigkeit und schlüpften auch in unterschiedliche Rollen, ohne sich einmal umzuziehen. Bei einigen thematisch passende live von ihnen gesungenen Songs zeigten sie auch musikalisches Talent. Leider waren die Stimmen etwas zu leise abgemischt.

Informationen über weitere Aufführungstermine erhalten Sie unter

Wenn die Wirklichkeit im Drehbuch steht

Spät, aber sie kommt: Die Rezension von „Container Love“, dem dem neuen Stück vom Theater glassbooth. Ars tremonia besuchte die zweite Vorstellung am 30. August im Theater im Depot und erlebte eine gelungene Auseinandersetzung mit dem Phänomen „Big Brother“.

 

Was fasziniert Menschen, die sich „Big Brother“ im Fernsehen anschauen? Die nackte Haut, die unterschiedlichen Typen, die von vor hinein Konflikte provozieren (sollen)? Regisseur Jens Dornheim ging auf die Spurensuche und mit „Container Love“ präsentierte er mit seinem Ensemble das Ergebnis.

 

Gleich zu Beginn spielte das Stück mit der Frage nach Spiel und Wirklichkeit? Es wurden nämlich zwei Kandidaten aus dem Publikum gewählt. Wie immer in solchen Fällen, kann man dann eine Stecknadel fallen hören und Blicke sagen „Bloß nicht mich“. Endlich werden zwei Kandidaten gefunden. Spätestens nach der gemeinsamen Choreografie des „Jingles“ fällt jedem im Publikum auf, die beiden gehören auch zum Ensemble.

Das Stück spielt in einem „Theatercontainer“, der mit sechs unterschiedlichen Schauspielern gefüllt ist. So ist Marlon (Marlon Bösherz) ein Abgänger von der Ernst-Busch-Schauspielschule, voller Hoffnung hier ein gelungenes Debut zu feiern. Alex (Alexandra Schlösser) spielt die „Übermutter“, die alle liebhat, besonders gelungen spielt Dietmar Meinel seinen Charakter „Dietmar“ als einen schrägen Charakter, der deutliche Züge von Klaus Kinski trägt. Auch sehr gut kommt Dominik Hertrich als selbstgefälliger Schlagersänger „Der Böhmer“ rüber. Weitere Container-Insassen waren: Nora Bauckhorn als junge „Nora“, die auf ihren Durchbruch wartet, Tanja Brügger, die als „Tanja“ im Container mit Qualität überzeugen möchte sowie Timo Knop und Anabel Starosta als „zufällig“ gecastete Teilnehmer.

 

Die Aufgaben werden wie im Fernsehen von einer Stimme aus dem Off gestellt und haben mit Theater zu tun: Die Kandidaten sollen beispielsweise ein Stück über „Mord und Liebe“ zum besten geben. Dabei werden Themen wie Kindesmord oder Kindesmissbrauch szenisch dargestellt. Bei der letzten Aufgabe „Theater und Kunst“ werden noch einmal alle Register gezogen: Hier wird eine Szene dargestellt, wie sich der „normale“ Mensch auf der Straße das moderne Theater vorstellt. Menschen in merkwürdigen Klamotten rezitieren merkwürdige Texte und machen merkwürdige Dinge (z.B. wickeln sich in Frischhaltefolie ein) und ein kunstsinniger Regisseur bekommt ein Nervenzusammenbruch, weil ein Schauspieler an der falschen Stelle schreit.

 

Jens Dornheim hat sein Ensemble gut im Griff, alle spielen wunderbar ihre „gescripteten“ Rollen wie im Fernsehen, wunderbar war auch ihre kleine getanzte Choreografie. Doch was bleibt am Ende? Ist es so wie im Fernseh-Leben, dass man den Sieger der vierten Staffel von DSDS nach einem Tag sowieso wieder vergessen hat? Dornheim stellt die Unterhaltung in den Mittelpunkt, es gibt keinen erhobenen Zeigefinger, doch werden die Zuschauer danach die Formate wie „Big Brother“ mit anderen Augen sehen?

 

Nichtsdestotrotz ein Stück, das mit viel Lust am Spielen gemacht wurde und zu dem man Dornheim und Ensemble nur gratulieren kann.

 

Wer es verpasst hat, kann es in Dortmund im Theater im Depot am 25. September um 20 Uhr noch einmal erleben.