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Sie sind wieder hier, in ihrem Revier – Geierabend 2023

So lange mussten wir und das Ensemble des Geierabends aufeinander warten. Am 05. Januar 2023 war es endlich soweit: Die Premiere der aktuellen Geierabend-Session konnte im altbekannten Ort, der Zeche Zollern II, starten. In der Zwischenzeit hatte sich beim Ensemble einiges geändert. Wie haben sich die Neuen integriert?  Ars tremonia war vor Ort.

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Blick in die Psyche eines Reichsbürgers

Im Schatten des drohenden erneuten Lockdowns wegen der steigenden Corona-Fallzahlen im November hatte „Der Reichsbürger“ von Konstantin und Annalena Küspert unter der Regie von Jens Dornheim als neue Produktion des freien Theaters glassbooth am 30.10.2020 im Theater im Depot seiner Uraufführung.

Die Thematik und wachsende Problematik der sogenannten „Reichsbürger“ ist wieder ein kontroverser Stoff und dabei hoch aktuell. Trotz ihrer uneinheitlichem diversen Erscheinungsformen und Auftretens eint sie, dass sie die Rechtmäßigkeit der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen. Für sie ist das Land seit dem Kriegsende nicht wirklich souverän und nur eine GmbH, deren Gesetze für die Reichsbürger nicht gelten.

Der Protagonist in der als Reichsbürger-Monolog konzipierten Inszenierung wird von Schauspieler Sebastian Thrun eindrucksvoll und fast erschreckend glaubhaft auf der Bühne dargestellt. Er bezeichnet sich als „Selbstverwalter“ und provoziert das Publikum gleich zu Anfang mit der ironischen Bemerkung, wegen ihm müssten die Zuschauer*innen keinen Mund-Nasenschutz tragen.

Sebastian Thrun überzeugte als wortgewandter "Reichsbürger" im gleichnamigen Stück. (Foto: © Oliver Mengedoht)
Sebastian Thrun überzeugte als wortgewandter „Reichsbürger“ im gleichnamigen Stück. (Foto: © Oliver Mengedoht)

Von Beruf Elektriker, könnte der Protagonist aber ein sehr guter Verkäufer auf einer Werbeveranstaltung sein. Er kommt als wortgewandter Menschenfreund daher, der eigentlich nur seine Ruhe will, nicht plump aggressiv.

Er stellt provokative Fragen, weist geschickt auf Missstände (marode Straßen, kein Geld für Bildung, „Migranten-Kriminalität“ u.s.w.) hin, gegen die man doch etwas tun müsse. Das Recht auf Waffenbesitz eines jeden Bürgers ist ihn ein selbstverständliches „Recht“ um sich und seine Familie zu schützen. Dass der freie Waffenbesitz etwa in den USA vielen Menschen das Leben kostet, wird wohlweislich ignoriert.

Widersprüche zwischen gespielter Toleranz, Naturverbundenheit, Humanität und offen zur Schau getragenen Überlegenheit des „Deutschen“ gegenüber dem „Fremden“ werden nicht zur Diskussion gestellt. So beruft er sich auf unter anderem auf Albert Einstein als als einer der „großen Deutschen“, um dann eine herablassende Bemerkung gegen Juden loszulassen. Obwohl er wohl auch gerne mal beim „Syrer, Chinesen, Türken oder anderen“ essen geht, wird die Bereicherung unseres Lebens durch fremde Kulturen geleugnet.

Der „Selbstverwalter“ hat den Durchblick und weiß, wer im Hintergrund die Strippen zieht. Kanzlerin Angela Merkel wird nur als „IM“ Merkel bezeichnet. Offen bekennt er im Gegensatz zu den „Linksliberalen“ einfache Erklärungen und Lösungen für komplexe Zusammenhänge zu haben.

Wie alle Rattenfänger versucht er, Menschen bei ihren Ängsten und Befürchtungen zu packen und sie für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Die Vorteile (Rosinen) des abgelehnten Staatssystems nimmt er jedoch gerne für sich in Anspruch, wenn es ihm zu pass kommt.

Eine starke Leistung von Thrun, die Zuschauerinnen und Zuschauer aber auch mit einem ambivalenten Gefühl zurück lässt.

Die Inszenierung verdeutlicht, wie sehr wir aufpassen müssen, kritisch zu reflektieren und nicht auf einfach Lösungen oder „Heilsbringer“ herein zu fallen.

Der Reichsbürger – Inneneinsichten eines Querdenkers

Deutschland ist nur eine GmbH? Das Land immer noch besetzt? Das Deutsche Reich besteht fort? Es gibt Menschen, die das glauben und verbreiten – sogenannte Reichsbürger. Im Theater im Depot präsentiert das Theater glassboth das Stück „Reichsbürger“ von Annalena und Konstantin Küspert. Premiere ist am 30.10.2020.

Die Reichsbürger sind keine homogene Gruppe. Es gibt so manche selbsternannte Reichskanzler oder gar Kaiser, die auf ihrem Grund und Boden eigene Dokumente wie Pässe oder Führerscheine ausstellen. Doch es gibt auch einige, die sich als „Selbstverwalter“ ansehen und versuchen, sich vom Staat abzunabeln. Das klingt doch auf den ersten Blick nicht verkehrt, oder?

Genau in diese Schnittstelle zwischen „klingt doch ganz logisch“ und „was für ein Blödsinn“ setzt das Stück an. Denn der Reichsbürger, gespielt von Sebastian Thrun ist klein plumper Wutbürger oder selbsternannter Kaiser, sondern wirkt ganz vernünftig und versucht das Publikum mit geschickten Fragen und Argumenten auf seine Seite zu ziehen.

Sebastian Thrun versucht in seiner Rolle als  "Reichsbürger"  in dem Stück das Publikum auf seine Seite zu ziehen. (Foto: © Oliver Mengedoht)
Sebastian Thrun versucht in seiner Rolle als „Reichsbürger“ in dem Stück das Publikum auf seine Seite zu ziehen. (Foto: © Oliver Mengedoht)

Für die Reichsbürger ist die Sache einfach: Sie haben den Durchblick und die anderen schlafen noch. Sie wissen, wie das System funktioniert und wer als Strippenzieher dahinter steckt.

Die Gefährlichkeit darf man dabei nicht außer acht lassen. Für NRW sollen rund 3.200 Reichsbürger bekannt sein, früher wurden sie nur als Spinner belächelt, doch mit immer häufigeren Waffenfunden ist klar, dass diese Gruppierung nicht so ganz harmlos ist.

Regisseur Jens Dornheim hat das Stück als Reichsbürger-Vortrag konzipiert. Daher ist das Publikum nicht nur stiller Beobachter, es kann sicherlich passieren, dass manche Thesen des Reichsbürgers auf Widerspruch aus dem Publikum stoßen. Eine spannende Aufgabe für Schauspieler Sebastian Thrun.

Die Premiere ist am 30.10.2020 um 20 Uhr. Weitere Vorstellungen sind am 31.10., 08.11., 13.11. und 14.11.2020. Weitere Informationen unter www.depotdortmund.de