Schlagwort-Archive: Mendelsohn Bartholdy

Kammerkonzert im besonderen Ambiente

Diese Spielzeit bietet für Kammermusikfreundinnen und -freunde etwas Besonderes: Die Konzerte finden an ungewöhnlichen Orten statt. So wurde beispielsweise die Kokerei Hansa, die Ausstellungshalle von Phoenix des Lumières oder die Akademie für Theater und Digitalität zum Ort von klassischer Musik. Am 18. April 2024 war der Pioneer Cube des Unternehmens Wilo der Schauplatz für das Kammerkonzert.

Kammerkonzert im besonderen Ambiente weiterlesen

Bruch – aus der Zeit gefallen

Guy Braunstein wird die Solo-Violine bei Bruchs Violinkonzert spielen. (Foto: © Ofer Plesser)
Guy Braunstein wird die Solo-Violine bei Bruchs Violinkonzert spielen. (Foto: © Ofer Plesser)

Beim 9. Philharmonischen Konzert am 06. und 07. Mai um 20 Uhr im Konzerthaus Dortmund steht das berühmte Violinkonzert Nr.1 von Max Bruch auf dem Programm. Bruch wird sicherlich zu Unrecht auf dieses Werk reduziert. Nicht nur Soloviolinist Guy Braunstein findet, dass Bruch weitere schöne Sachen komponiert hat. Nach dem Interview mit dem Dirigenten Marco Comin, sprach Ars tremonia mit Guy Braunstein.

 

 

Ars tremonia: Wie sind Sie zu Ihrem Instrument – der Violine – gekommen?

 

Braunstein: Ich bin aufgewachsen in der Nähe von Tel Aviv und damals in den 70er Jahren hat fast jedes Kind ein Instrument gespielt. Die meisten haben zwar nach ein paar Jahren ein neues Spielzeug gefunden und haben aufgehört, aber manche sind dabei geblieben. In dem kleinen Dorf bei Tel Aviv gab es immer Kinderkonzerte und ich bin mit fünf oder sechs Jahren mit meinen Eltern dorthin gekommen und habe einen Nachbarn gehört, der Geige gespielt hat. Meine Eltern haben mir später erzählt, wie furchtbar er gespielt hat. In meinen Ohren klang es aber so wunderschön, dass ich gesagt habe, das möchte ich spielen.

 

Ars tremonia: Sie haben eine lange Zeit bei den Berliner Philharmonikern gespielt und sind jetzt freier Solist. Was sind die Unterschiede?

 

Braunstein: Das Leben ist viel einfacher im Orchester. Ich habe die Jahre in Berlin sehr genossen und bin sehr dankbar für diese Jahre. Wie fast immer im Leben, irgendwann muss man sagen: Jetzt kommt der Zweite Satz. Ich möchte auch andere Sachen auch. Jetzt spiele ich so ungefähr 12-13 Wochen im Jahr mehr solistisch oder ich dirigiere. Zudem gebe ich noch Kammerkonzerte.

 

Ars teremonia: Stichwort Dirigieren. Was ist der Unterschied zwischen Solist und Dirigent?

 

Braunstein: Es sind zwei unterschiedliche Seiten einer Medaille. Ich kann die Vorteile nach den vielen Jahren im Orchester mitnehmen. Ich weiß genau, was man braucht, weil ich die Dirigenten von sehr nah gesehen habe mit jeder kleinen Bewegung. Was hilft der Musik und was nicht? Diese Erfahrung nehme ich mit.

 

Ars tremonia: Sie spielen ja die Solovioline bei Bruchs Violinkonzert Nr. 1. Wie würden Sie das Stück charakterisieren?

 

Braunstein: Bruch ist zu Unrecht ein „Ein-Stück-Komponist“ geworden. Das erste Violinkonzert ist das einzige Repertoirestück von ihm geblieben. Ich spiele auch gerne die „Schottische Fantasie“ von ihm. Sie ist genauso gut, wenn nicht sogar besser. Es war für ihn als Komponist einfach „schlechtes Glück“. Er war in der falschen Zeit. Ende des 19. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts hat sich alles bewegt nach Wagners Tod, nur Bruch ist bei seinen schönen Themen geblieben.

Sehnsuchtsvolle Romantik

Gastdirigent Marco Comin sprach mit Ars tremonia über das Programm des 9. Philharmonischen Konzertes.
Gastdirigent Marco Comin sprach mit Ars tremonia über das Programm des 9. Philharmonischen Konzertes.

Das 9. Philharmonische Konzert am 06. und 07. Mai im Konzerthaus (jeweils 20 Uhr) steht unter den Begriffen Sehnsucht und unerfülltes Verlangen. Werke von Beethoven, Bruch und Mendelssohn-Bartholdy. (Foto: © Theater Dortmund)

 

Den Beginn macht Liederkreis „An die ferne Geliebte“ von Alois Jeitteles für Singstimme und Klavier op. 98 von Ludwig van Beethoven. Singen wird Gerardo Garciacano vom Ensemble der Dortmunder Oper und das Klavier spielt Michael Gees Danach folgt Bruchs wohl bekanntestes Werk: Sein Violinkonzert Nr.1, der Solist ist Guy Braunstein. Zum Schluss erklingt die 3. Sinfonie von Mendelssohn-Bartholdy, die sogenannte „Schottische“. Die Werke von Bruch und Mendelssohn-Bartholdy wird der italienische Dirigent Marco Comin leiten, der momentan Chefdirigent des Münchner Gärtnerplatztheaters ist. Ars tremonia sprach mit Comin.

 

Ars tremonia: Sie sind in Venedig geboren, der Stadt vieler berühmter Komponisten. Hat Sie das musikalisch beeinflusst?

 

Comin: Indirekterweise. Ich finde es ganz lustig, wenn die Leute denken, weil ich aus Venedig komme, habe ich einen besonderen Zugang zur Barockmusik. Was auch stimmt. Aber ich weiß nicht, ob es an der venezianischen Tradition liegt. Ich glaube vielmehr, dass mich die Stadt mit ihrer Ästhetik und mit ihrem Aussehen sicherlich geprägt hat.

 

Ars tremonia: Wie sind Sie zum Dirigieren gekommen.

 

Comin: Ich habe zwar Klavier und Komposition in Venedig studiert, aber später kam die Entscheidung, Dirigent zu werden. Es war für mich unerträglich, allein zu musizieren. Das war so trist. Deshalb habe ich als Pianist lieber Kammermusik gespielt als Klavierabende zu geben. Irgendwann habe ich den Chor an der Uni dirigiert als Aushilfe und dann kam die Idee, wenn ich nicht im Orchester spielen kann, dann wenigstens leiten.

 

Ars tremonia: Sie sind das erste Mal in Dortmund. Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Orchester?

 

Comin: Heute war die erste Probe mit dem Orchester und ich muss sagen, es macht Spaß. Man muss sich natürlich erst einmal kennenlernen, das kann man nicht in 2 ½ Stunden machen. Ich kann aber herausfinden, ob es eine gemeinsame Sprache gibt, und in welche Richtung ich gehen soll, damit man sich besser versteht. Ich versuche, die Stärken und Schwächen eines Orchesters herauszufinden und das Orchester soll die Stärken und Schwächen des Dirigenten kennenlernen. Ich bin sehr optimistisch, so wie die Proben gelaufen sind. Es macht wirklich Spaß.

 

Ars tremonia: Das Programm steht unter dem Begriff „ferne_geliebte“. Werden es denn so sehnsuchtsvolle Abende?

 

Comin: Ich denke schon. Nehmen wir zum Beispiel die „Schottische“. Mendelssohn hat sich immer geweigert, Programmmusik zu schreiben. Er hat fest an absolute Musik geglaubt und selbst ein Stück wie die „Schottische“ bleibt immer noch eine Sinfonie, die natürlich wegen des Titels mit einer bestimmten Situation zu tun hat, die Mendelssohn inspiriert hat, dieses Stück zu schreiben. Aber es ist schon sehr berührend, wenn man den Brief an seine Schwester liest, in dem steht: ‚Wir sind jetzt gerade in Schottland und besuchen das alte Schloss, wo Queen Mary gelebt und geliebt hat und wo sie auch ermordet wurde‘. Diese Sehnsucht spürt man schon in der Einleitung.

 

Ars tremonia: Aber in der „Schottischen“ ist nicht folkloristisches.

 

Comin: Es ist natürlich nicht nationale Musik, wie beispielsweise Tschaikowsky. Die Atmosphäre und der Ursprung der Komposition ist zu spüren, mehr nicht. Sogar im letzten Satz hat Mendessohn die kleinsten Spuren von Programm weggestrichen. Der letzte Satz hieß ursprünglich „allegro guerriero“ also kriegerisches Allegro. Er hatte Angst gehabt, es könnte zu programmatisch klingen. Jetzt heißt es „allegro vivacissimo“.

 

Ars tremonia: Max Bruch gilt ja als konservativer Komponist. Zudem wurde er auf seine erstes Violinkonzert, das ein großer Erfolg war, reduziert.

 

Comin: Wenn der Ausgangspunkt Wagner und Liszt war, glaube ich nicht, dass Bruch konservativer war als Brahms. Bruch war sehr mit der Tradition verbunden, was die Kompositionstechnik oder was die Harmonik angeht. Das Violinkonzert Nr.1 ist eine sehr gute Mischung zwischen Rhapsodie und Form. Es gibt natürlich eine Form, wie sie bei Bruch ziemlich typisch ist. Der erste Satz zum Beispiel heißt „Vorspiel“. Als ob der zweite Satz, das „Adagio“ der Hauptpunkt ist. Es hat schon diesen rhapsodischen Charakter durch die Kadenz am Anfang mit der Sologeige. Die Form ist nicht eine Sonatenform. Der erste Satz geht nahtlos in den zweiten Satz über, es ist eine wunderbare Cantilene, ein Lied wenn man will. Der dritte Satz ist eine Art Tanz, bei dem der Solist seine Virtuosität zeigen kann. Es ist schon eine sehr interessante Form.

Und obwohl Bruch konservativ war, ist das Violinkonzert nicht die typische Form – strukturell meine ich – eines klassischen Solokonzertes.

 

Ars tremonia: Worauf achten Sie beim Dirigieren besonders?

 

Comin: Es ist wichtig, dass man die Sprache und vor allem die Aussprache eines Stückes oder eines Komponisten versteht und dass man dementsprechend phrasiert. Das Phrasieren ist unheimlich wichtig, denn mit Phrasen gestaltet man. Oft vergleicht man das Spielen eines Orchesters mit dem Singen. Was auch richtig ist. Ich glaube aber, genauso wichtig ist das Sprechen oder die Rhetorik. Wenn man Musik macht, darf man das nicht vergessen. Wenn wir eine Geschichte erzählen oder vorlesen, geben wir unser Bestes, damit die Leute interessiert sind oder die Spannung bleibt. Dabei ist die Aussprache sehr wichtig. So wie die Aussprache von Italienisch und Deutsch sich unterschiedet, ist die Aussprache von Verdi oder Wagner ebenfalls unterschiedlich.

Wiener Klassik beflügelt Fantasie

Im Mittelpunkt des 2. Wiener Klassik Konzertes standen am 24. März 2014 im Dortmunder Konzerthaus die Ouvertüre „Meeresstille und glückliche Fahrt“ op.27 (1828) von Felix Mendelsohn Bartholdy (1809 – 1847). die Sinfonia concertante für Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Orchester Es-Dur KV 297b (1778) und die „Italienische“ Sinfonie Nr.4 A-Dur op.90 (1833).

Dirigiert wurde die Dortmunder Philharmoniker von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz.

 

Mendelsohn Bartholdy wurde bei seiner Ouvertüre stark von Goethes Gedichtpaar „Meeresstille und glückliche Fahrt“ beeinflusst. Der Sonatensatz beginnt zunächst langsam und still wie das Meer an einem nebeligen, trüben Morgen. Dies Gefühl wird durch gedämpfte Akkorde und einzelne Bläserfloskeln verstärkt. Dann kündigen Flötentriolen den leisen Wind an und die Tempi ziehen an. Feltz und die Philharmoniker inszenieren die Ouvertüre temperamentvoll mit einem Wechsel von Hauptthema und Seitenthema und leiten dann wieder hin zum Wellenmotiv. Beeindruckend, wie gegen Ende die Trompeten die glückliche Ankunft des Schiffes ankündigen und drei Orchester-Akkorde leise die Ouvertüre beenden. Das Publikum konnte sich gut in die Meeresreise hinein träumen und ihren eigenen Fantasien freien lauf lassen.

 

Ein besonderes Erlebnis bot Mozarts „Sinfonia concertante für Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Orchester Es-Dur KV 297b. Sie wurde erst 77 Jahre nach Mozarts Tod in der Berliner Hofbibliothek entdeckt und es gab einige die daran zweifelten, dass das Werk, zwischen Konzert und Sinfonie angesiedelt, vom Meister stammt. Die vier Sätze waren alle, für Mozart unüblich, in der Tonart Es-Dur komponiert.

Allerdings spricht wirklich sehr vieles für die Echtheit des Werkes und Mozarts Urheberschaft.

Er hatte gegen Ende des 18. Jahrhunderts diese Gattung auf seinen Reisen, vor allem nach Paris, kennengelernt und damit experimentiert. Die Solopartien sind zudem meisterhaft vollendet und virtuos komponiert.

Gleich vier Solisten der Dortmunder Philharmoniker konnten mit oder ohne die unterstützende Begleitung der Philharmoniker hier gleichzeitig ihr Können zeigen und ausleben. Die Solisten an diesem Abend waren der Solo-Oboist Volkmar Schöller, die stellvertretende Solo-Klarinettistin Frauke Hansen, die Solo-Hornistin Monika Lorenz sowie die Solo-Fagottistin Minori Tsuchiyama.

Besonders das Allegro, hatte mit seiner Verspieltheit, Feierlichkeit und punktierten Rhythmen viel von typisch „Mozartischem“. Seinen Stil konnte das Publikum auch beim Andante mit seinen eleganten und schönen Klängen erkennen.

Einen grandiosen Abschluss bildete das Adantino mit zehn Variationen eines Themas. Die vier Bläser trieben sich hier gegenseitig zu Höchstleistungen. Mal als Soloinstrumente einzeln im Vordergrund, um sich dann wieder gemeinsam verbindend zueinander zu finden.

 

Nach der Pause ging es mit Mendelsohn Bartholdys durch seine zweijährige Italienreise um 1830 inspirierten „Italienischen Sinfonie Nr.4 A-Dur op.90“ weiter. Es sei „ das lustigste Stück“, was er je gemacht habe. Erstaunlich ist dabei, dass eigentlich nur die Ecksätze einen leichten südländischen, die beiden Mittelsätze aber eher einen nordisch-melancholischen Charakter aufweisen.

Das bekannt spritzige Hauptthema in A-Dur im Allegro vivace wird von diesem fast durchgehend geprägt. Mit Hörnerklang weckt das E-Dur Trio des Menuetts dann aber auch durchaus Assoziationen an (deutsche) Waldromantik.

Im zweiten Satz Andante con moto in d-Moll eher melancholisch und wohl durch die Nachricht vom Tod von Goethes mit beeinflusst. Es schließt sich dann ein ruhiger dritter Menuettsatz in A-Dur an.

Den Abschluss bildet ein siebenteiliges Rondo in a-Moll, das mit Saltarello (italienischer Springtanz) überschrieben ist und im schnellen Sechsachtel-Takt endet.

Ein gelungener Konzertabend und am 19. Mai 2014 gibt es um 19.00 Uhr das 3. Konzert Wiener Klassik im Konzerthaus mit der Sinfonie Nr.82 C-Dur, Der Bär“ (1786) von Joseph Haydn, dem Konzert für Flöte, H arfe und Orchester C-Dur KV 299 (778) und der Sinfonie Nr.104 D-Dur „Salomon“ (1795).