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Minimal Music in maximaler Bandbreite

Der vierte Tag der Zeitinsel von Katia und Marielle Labèque am 28. November 2015 im Konzerthaus Dortmund stand unter dem Zeichen der „Minimal Music“. Die beiden Pianistinnen hatten sich noch die Unterstützung von David Chalmin (Gitarre), Alexandre Maillard (Bass) und Raphaël Séuinier geholt und so entstand ein dreiteiliger Konzertabend, an dem die Grenzen zwischen klassischer Musik und Rockmusik verschwommen.

Es ist nicht verwunderlich, dass der Konzertabend des „Minimalist Dream House“ auch in der Abo-Reihe „Music für Freaks“ enthalten war. Denn leichte Kost war an diesem Abend nicht zu erwarten. Doch dafür konnten die Besucher erstaunliche Parallelen feststellen. Wie beispielsweise der „Pyramid Song“ der englischen Band Radiohead mit den Klangstrukturen eines Eric Satie.

Satie, vielleicht der „Godfather“ der Minimal Music, erklang zu Beginn des Konzertes. Akkordstrukturen und kleine Melodienfetzen, die von den beiden Labèques harmonisch zusammengefügt wurden. Danach kamen die Klassiker der Minimal Music zu Gehör: John Cage, Arvo Pärt und natürlich Philip Glass, der mit den „Four Movements for two pianos“ einen wunderbaren Abschluss für den ersten Teil bildete.

Nach der Pause ging es zu fünft weiter. Terry Rileys „In C“ machte den Anfang. Basierend auf einem kosntanten Achtel-Puls in C muss jeder Musiker 53 Pattern im Laufe der Aufführung spielen. Wann und wie bliebt ihm überlassen. Séuinier und Chalmin durften ihre Eigenkompositionen aufführen und mit Künstlern wie Aphex Twin, Sonic Youth oder Radiohead wurde die Grenze zur Elektronischen Musik und Rockmusik sehr gekonnt überschritten.

Im dritten Teil ging es zunächst zurück zu den Klangwelten von Eric Satie. Howard Skemptons Werk „Images“ ist eine sanfte Remininiszenz an den französischen Komponisten. Eine interessante Weise mit einem Instrument umzugehen ist das Werk „Postal Piece No. 10: Having never written a Bnote for Percussion“ von James Tenny. Hier bearbeitete Séguinier einen Gong zunächst vom kleinsten pianissimo, um sich langsam zu einem forte zu steigern, der beinahe die Wände des Konzerthauses zum erzittern brachte. Danach ging das Klanginferno auch langsam wieder zu Ende. Es hatte ein wenig den Eindruck eines vorbeiziehenden Gewitters.

Ähnlich hypnotisch war das letzte Musikstück an diesem Abend „The Tortoise, His Dreams and Journeys“ vom Komponisten und Fluxuskünstler Le Monte Young.

Eine aufregende dreistündige Reise in die Klangwelten der Minimal Music war beendet. Unterstützt von kleinen Videoeffekten kann man nur von einem gelungenen Abend sprechen. Bekannte und eher weniger bekannte Musiker der Minimal Music wurden mit Rockmusik kombiniert und die Parallelen in ihrer Musik aufgezeigt. Daher war es auch ein sehr lehrreicher Abend, der nicht nur Genregrenzen übersprang, sondern auch eingefahrene Hörgewohnheiten hinterfragte.

Gelungene Grenzüberschreitung

Im Mittelpunkt des dritten Tages der Zeitinsel Katia und Marielle Labèque am Freitag, den 27.11.2015 stand die „West Side Story“ von Leonard Bernstein (1918 – 1990) nach Shakespeares „Romeo und Julia“.

Zunächst erwartete das Publikum in Teil eins Irwin Kostals Arrangement der Sinfonischen Tänze und einiger Songs aus „West Side Story“ für Perkussion und zwei Klaviere. Dabei repräsentierte Katia Labèque am Piano die meist höhere Passagen der Capulets, während Marielle Labèque die tiefere Klangwelt der Montagues übernahm. Unterstützt wurden die beiden französischen Pianistinnen dabei von der Perkussion von Gonzalo Grau (Caracas) auf der einen, und Raphaël Séguinier auf der anderen Seite.

Den Zwillings-Schwestern am Klavier und ihre kongenialen Percussionisten gelang es, die bewegende und abwechslungsreiche Geschichte von Maria und Tony der West Side Story lebendig vor den Augen des Publikums werden zu lassen.

Katia und Marielle Labèque zeigten ihr Können und Einfühlungsvermögen sowohl bei den leisen Songs wie zum Beispiel „Maria“, oder aber virtuos bei dem rasanten „Mambo“. Die Perkussion sorgte für die passende Begleitung , wobei etwa Trommel, Kastagnetten oder etwa ein Gong zum Einsatz kamen. Bei „America“ wurde auch einfach nur rhythmisch in die Hände geklatscht.

Nach der Pause ging es mit der deutschen Erstaufführung des Projekts „Star-Cross`d Lovers“ des französischen Komponisten, Produzenten, Musikers und Klangkünstlers David Chalmin weiter. Er konzipierte mit diesem Projekt eine bewusste Grenzüberschreitung. Die Tanzperformance zur „West Side Story“ (Romeo und Julia) kombiniert zeitgenössischen modernen Tanz mit Breakdance, und wird musikalisch begleitet sowohl von „analoger“ sowie elektronischer Musik, romantischen Klavierklang oder rockigen Beats.

Mit ins Boot hat er neben den beiden Geschwistern Labèque auch Raphaël Séguinier sowie den türkischen Choreografen und Tänzer Yaman Okur genommen. Dieser entwickelte mit seiner starken Gruppe von sieben Tänzern und einer Tänzerin die Choreografie für diese Performance. Okur hatte schon mit Madonna zusammen gearbeitet.

Musikalisch teilte auch Chalmin die Ausübenden in zwei Gruppen auf, um die zwei Sphären von Romeo und Julia deutlich abzusetzen. Er selbst spielt und gestaltet an der E-Gitarre und Elektronik gemeinsam mit Katja Labèque die Klangwelt der Capulets (höhere Klänge). Die Welt der Montagues (tiefere Klänge) bringt ihre Schwester Marielle gemeinsam der Perkussion zum Klingen.

Sie bildeten den großartigen Hintergrund für die acht hochklassigen Tänzer/innen. Farblich waren die rivalisierenden Gruppen mit ihrer Kleidung farblich gut zu unterscheiden. „Romeo“und „Julia“ stachen gesondert hervor. „Romeo“ mit seiner schwarzen Hose und weißem Oberteil und „Julia“in einem weißen Kleid. Die szenische und musikalische Ebene waren zu jeder Zeit untrennbar verbunden und verwoben. Als Beispiel zu nennen ist da etwa ein starker Trommelwirbel und isolierte Klavierakkorde bei Mercutios Tod.

Was dieses Tanzensemble da auf die Bühne brachte, war atemberaubend und und Punktgenau passend zur Musik gebracht. Es ist schon erstaunlich, zu welchen Bewegungen und Ausdrucksmöglichkeiten der der menschliche Körper in der Lage ist. Das Publikum war jedenfalls besonders von den Breakdance-Einlagen begeistert. Es gab Standing Ovations und eine Breakdance-Zugabe als Dankeschön von den Akteuren.

Zeitinsel Labèque – Die Suche nach den Wurzeln

Die Begeisterung von Ravel zur spanischen Musik kommt nicht von ungefähr, denn seine Mutter war Baskin. Was lag also näher, als die bekanntesten Stücke von Maurice Ravel mit traditioneller baskischer Musik zu kombinieren. So begannen die beiden Schwestern Katia und Marielle Labèque ihre Zeitinsel im Konzerthaus Dortmund am 25. November mit einer Mischung aus Klassik und Weltmusik und einer Spurensuche nach den baskischen Wurzeln ins Ravels Musik.

Märchenhaft und beinahe zärtlich ging es los. „Ma mére l’oye“ (Mutter Gans) von Ravel ist ein feines Stück für Klavier zu vier Händen. In der sanften Interpretation von Katia und Marielle wird deutlich, warum das Stück bei Pianisten so beliebt ist. Scheinbar einfach in seinen Strukturen, entwickelt die Musik eine beinahe hypnotische Kraft.

Neben dem berühmten Bolero wird die Begeisterung von Ravel für das Spanische in seiner „Rhapsodie Espagole“ deutlich. An zwei Klavieren spielten die beiden Schwestern das Stück mit immer stärker werdender Intensität, vor allem im vierten Satz, der „Feria“, in der alle Emotionen kumuliert werden und zum Ausbruch kommen.

Nach der Pause kam ein frischer Hauch Weltmusik in den Konzertsaal. Thierry Biscary, Jamixel Bereau und Xan Errotabehere bilden das Trio Kalakan. Traditionelle baskische Musik, teilweise nur a capella dargeboten oder durch Percussioninstrumente betont, verzauberten das Publikum im Nu und brachte es zum Mitsummen und Mitklatschen.

Danach war wieder Ravel mit seinem wohl bekanntesten Stück „Bolero“ an der Reihe. Die Version, die Katia und Marielle Labèque zusammen mit Kalakan auf die Bühne zauberte, verblüffte durch ihre musikalische Klarheit. Kein großes Orchester, keine Streicher, keine Bläser. Zwei Klaviere und Percussion, mehr brauchte es nicht, um einen umwerfenden Bolero zu spielen, der von der Leidenschaft der beiden Schwestern geprägt war.

Die Zugaben waren eine kleine Vorausschau auf die nächsten Tage der Zeitinsel. Katia und Marielle Labèque spielen ein kleines Stück von Philip Glas als Vorgeschmack auf das „Minimalist Dream House“ am Samstag und Kalakan gaben eine Ahnung, was die Konzertbesucher am Donnerstag erwarten würde.