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Elektra als Spinnenkönigin

Nebel auf der Bühne. Die Zuschauer können kaum etwas entdecken. Wie aus dem Nichts taucht von ganz hinten Elektra (Franziska Roth) auf. Langsam. Sie hängt an Schüren, die sich wie ein Netz formen. Die Spinnenkönigin in ihrem Netz. Und sie hat nur ein Ziel: Rache, blutige Rache. Ein Premierenbericht vom 22.03.2019 aus dem Theater im Depot.

Regisseur Remo Philipp nahm die Vorlage von Hugo von Hofmannsthal und bearbeitete sie für zwei Personen. Während Elektra alleine von Roth gespielt wurde, schlüpfte Rudolf Klein in die Rollen von Schwester Chrysothemis, Mutter Klytämnestra, Bruder Orest und Usurpator Ägisth.

Während die kleineren Rollen weggefallen sind, konzentriert sich Philipp auf die Monologe und Dialoge der Hauptpersonen.

Von Hofmannsthal, der die antiken Stoffe von Sophokles und Aischylos bearbeitete, stellte Elektras Wunsch nach Rache in den Mittelpunkt. Und ihre Rachegedanken wegen der Ermordung ihres Vaters Agamemnon sind durchaus blutig. In ihrem Anfangsmonolog wird dies besonders deutlich „und wir schlachten dir die Rosse, die im Hause sind, wir treiben sie vor dem Grab zusammen, und sie ahnen den Tod und wiehern in die Todesluft und sterben.“

Probenfoto von "Elektra": Elektra (Franziska Roth) im Spinnennetz. (Foto: © Remo Philipp)
Probenfoto von „Elektra“: Elektra (Franziska Roth) im Spinnennetz. (Foto: © Remo Philipp)

Elektra versucht ihre Schwester mit in ihre Rachewelt zu ziehen, doch vergeblich, denn ihre Schwester hat andere Pläne mit ihrem Leben. „Kinder will ich haben, bevor mein Leib verwelkt“. Später, als das Gerücht aufkommt, Orest sei tot, versucht Elektra ihre Schwester in ihr Spinnennetz zu ziehen, damit sie beide ihre Mutter und Ägisth töten.

Ihre Netze versucht Elektra auch gegen ihre Mutter auszuwerfen, die nach einem Opfertier fragt, um ihre bösen Träume loszuwerden. Erst spät dämmert ihr, dass sie mit dem Opfertier gemeint ist und verlässt fluchtartig den Raum.

Orest selbst stellt Philipp nicht auf die Bühne, sondern lässt ihn mit einer Darth-Vader-Stimme mit Elektra reden. Nach dem Orest angekommen ist, ist es auch Zeit für Elektra ihr Netz zu verlassen und aktiv zu werden, um so Ägisth ins Verderben zu treiben.

Philipp hat mit wenig Mitteln auf der Bühne eine effektive gruselige Atmosphäre geschaffen. Neben Nebel, wecken Puppen und alte Kinderwagen Assoziationen zu Gothik-Horror-Filmen und besonders effektvoll ist die Szene, bei der rotes Licht aus einem Kinderwagen scheint und Elektra sich quasi die Hände in Blut wäscht.

Roth überzeugt als rachsüchtige Spinnenkönigin Elektra, während Klein sich durch seine Verwandlungsfähigkeit auszeichnet. In knapp 50 Minuten erzählt Philipp mit Roth und Klein den Kern von „Elektra“ in einer beeindruckenden und dichten Art und Weise.

Die weiteren Termine im Theater im Depot sind am 11.05.2019 (um 20 Uhr) und 12.05.2019 (um 18 Uhr).

Elektra im Strudel der Rache und Gewalt

Der gespenstisch, blutrünstig und leidenschaftliche Stoff von „Elektra“ (Hugo von Hofmannsthal, 1874 – 1929)) hat am Freitag, den 22.03.2019 um 20:00 Uhr unter der Regie von Jung-Regisseurs und Folkwang-Absolvent Remo Philipp im Dortmunder Theater im Depot seine Premiere. Der gespenstisch, blutrünstig und leidenschaftliche Stoff von „Elektra“ (Hugo von Hofmannsthal, 1874 – 1929)

Es ist schon die zweite Kooperation mit der Folkwang-Universität der Künste.

Grundlage ist die Adaption des antiken Stoffes von Sophokles um Elektra. Nach der Ermordung ihrer Schwester Iphigenie im Krieg um Troja und der Tötung ihres Vaters – dem mykenischen König Agamemnon- durch die Mutter Klytämnestra und deren Geliebten Ägisth kreisen Elektras Gedanken nur noch auf Rache. Verstoßen verharrt sie vor den Palastmauern und möchte, nachdem ihr Bruder Orest als verschollen gilt, sogar die kleine Schwester Chrysothemis für ihre Rache instrumentalisieren. Bis eines Tages der tot geglaubte Bruder zurückkehrt und das vollzieht, was Elektra sich ersehnt …

Die Akteure auf und hinter Bühne (v.l.n.r.) Rudolf Klein und Franziska Roth mit Regisseur Remo Philipp.
Die Akteure auf und hinter Bühne (v.l.n.r.) Rudolf Klein und Franziska Roth mit Regisseur Remo Philipp.

Dem Regisseur beschäftigt sich schon länger mit der Thematik Gewalt. Für ihn steht die Psychologie der Figuren und das Schauspiel im Zentrum der Inszenierung. Das Bühnenbild ist reduziert und Philipp arbeitet mit wenigen Requisiten, die er atmosphärisch unterschiedlich einsetzt. Weitere ästhetisches Mittel sind etwa die zielgerichtete Nutzung von Musik, Licht oder Nebel. So werden zum Beispiel nur zwei Kinderwagen und ein plüschiger Teddybär auf der Bühne stehen. Diese wird zu einer pinkfarbenen Klischeewelt samt der Kostüme für die beiden Schauspieler werden. Klytämnestra verdrängt ihre Taten erfolglos und Chrysothemis scheitert dabei, ein normales Leben zu führen und die Vergangenheit zu ignorieren. Das Elektra in ihrem Egoismus und Rachsucht gefangen ist, werden die pinkfarbene Seile, an denen sie hängt, symbolisch deutlich zeigen.

„Mit wenig viel schaffen und ausdrücken, das zeichnet Remo Philipp aus“, erklärte der Schauspieler Rudolf Klein.

Der hat die schwierige Aufgabe, sich während der Aufführung in vier verschiedene Personen zu verwandeln. Er wird sowohl Chrysothemis, Klytämnestra, Ägisth und Orest darstellen. Wir dürfen gespannt sein, in welcher Form die Inszenierung das dem Publikum vermittelt.

Die Elektra wird von der Schauspielerin Franziska Roth verkörpert.

Kann man für die Gefühle von Elektra nach den schlimmen Geschehnissen in gewisser Weise Verständnis aufbringen, führen ihre radikale Rachegelüste und ihr Hass zu einer nicht enden wollenden Katastrophe.

Die Aufführung will dem Publikum viel Assoziationsräume bieten und eventuell über den eigenen Egoismus und den Umgang mit negativen Gefühlen nachzudenken.

Aussagekräftig ist das Bild auf einer schwarzen Karte zur Aufführung. Dort ist eine französische Bulldogge (Hund Hamlet vom Regisseur) in einem Kinderwagen zu sehen.

Das symbolisiert gut das „Tier“, was in uns allen schlummert und führt hin auf eine allgemeine Ebene der Inszenierung.

Neben der Premiere gibt es zunächst auch am Samstag, den 23.03.2019 und am 11.05.2019 jeweils um 20:00 Uhr und am Sonntag, den 12.05.2019 um 18:00 Uhr Gelegenheit, sich die Aufführung anzusehen.

Am Ende lauert der Faschismus

Caroline Hanke als desillusionierte Elektra im ländlichen Exil. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Caroline Hanke als desillusionierte Elektra im ländlichen Exil. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Elektra gegen Klytaimnestra. Revolte gegen Ordnung. Alexander Kerlin schuf aus dem Familiendrama „Elektra“ von Euripides ein wortgewaltiges Gesellschaftsdrama. Was passiert, wenn sich der ewige Kampf zwischen Revolution und unbedingten Machterhalt abnutzt? Dann entsteht aus dem Chaos etwas viel schlimmeres: Der absolute Vernichtungswillen. Etwas, das skrupellos genug ist, ohne mit der Wimper zu zucken, 100 Millionen Menschen umzubringen. Ein Premierenbericht vom 07. Februar 2015.

Die Geschichte bleibt im wesentlichen die alte: Elektra, zwangsweise mit einem Bauern verheiratet, sinnt auf Rache an ihrer Mutter Klytaimnestra. Diese hat ihren Mann und Elektras Vater Agamemnon umgebracht und ihren Liebhaber Aighist zum König ernennen lassen. Die Hoffnung auf Rache wächst, als Elektras totgeglaubter Bruder Orest auftaucht, im Schlepptau seinen Freund Pylades. Endlich kann es zum Showdown kommen, doch am Ende spielt Pylades seinen letzten Trumpf aus.

Im ersten Teil von Kerlins Neubearbeitung treffen zwei Systeme aufeinander. Das Prinzip „Machterhalt“ mit dem Motto „In unserem erfolgreichen Staat, der gut ist und ohne Alternative“ gegen die Revolte. „Ich lehne deinen Staat ab, Seine Freiheit ist die größte Heuchelei“ schreit Elektra ihrer Mutter vor ihrer geplanten Hinrichtung zu. „Lieber das Nichts als dieses Leben“.

Doch in der großen „Beschimpfungsszene“ wird deutlich, wie sich Mutter und Tochter doch ähneln. „Unsere Mittel gleichen sich und wer am Ende Recht hat weiß der Geier“, so Klytaimnestra zu Elektra.

Orest klingt am Anfang ebenfalls revolutionär, dabei ein wenig naiv. Er will „mit seinem letzten blutigen Schlag den Kreislauf des Tötens durchbrechen“. Für ein goldene Zeitalter, das gerechtere Menschen und eine bessere Ordnung der Dinge schafft. Auf zum letzten Gefecht. Doch sein Ziel Aighist zu töten, schafft er nicht, denn „Aighist ist überall. Er ist nirgendwo. Überall und nirgendwo“, verzweifelt Orest, der statt des Kopfes des Königs einen Schweinskopf mitgebracht hat.

Nachdem Elektra Klytaimnestra ermordet hat, scheint die Revolution doch geglückt, oder? Es ist Pylades, der Freund von Orest, der das Ruder an sich reißt. Aus dem schweigsamen Pylades wird der totalitäre Pylades. Nachdem er einen Ledermantel anzieht, der gewisse Ähnlichkeit mit einem Gestapo-Mantel hat, beginnt er seinen Monolog. Der erinnert in Teilen an rechte Ökos, die „um die Erde zu retten“, auch einen Großteil der Menschen vernichten würde. So redet auch Pylades. „14 Milliarden Füße. Der Erdball schreit um Hilfe.“ dagegen hilft nur „Erstmal bringen wir testweise 100 Millionen Menschen um. Und das einzige, was uns dann noch hilft, ist noch mal 100 Millionen umzubringen. Und so weiter.“

Alexander Kerlin präsentiert uns einen Kampf der Systeme, der nach dem Motto endet „wenn zwei sich streiten freut sich der Dritte“. Ruhig und gelassen wartet Pylades auf seine Chance, die kommen wird, wenn sich beide Systeme erschöpft haben. Eine ähnliche Situation wie in den 30er Jahren in Deutschland.

Sehr stark in dem Stück waren die beiden Frauenrollen der Elektra und der Klytaimnestra. Caroline Hanke war nach ihrer Zeit im Mutterschutz wieder voll aktiv, wie man sofort zu beginn sah, als sie sich mit gymnastischen Übungen auf eine Art von Einsatz vorzubereiten schien. Friederike Tiefenbacher spielte eine Klytaimnestra als „Diva der herrschenden Klasse“. Elegant, aber auch festkrallend an der Macht war sie eine ebenbürtige Gegnerin von Elektra.

Peer Oscar Musinowski zeigte einen Orest, der an seiner Aufgabe Aighist zu töten scheitert. „Die Tragödie ist aus“, verzweifelt er. „Da ist kein Feind mehr, der eure Freiheit unterdrückt“. Musinowski bringt diesen Zwiespalt zwischen den energischen Orest zu Beginn und dem desillusionierten Orest gegen Ende des Stückes gut auf die Bühne.

Carlos Lobo hat eine sehr spannende Rolle, denn er spielt den Pylades. Der sagt erst einmal gar nichts und steht wie ein Unbeteiligter im Hintergrund. Erst am Ende, als sich die Kräfte der Revolte und des Beharrens erschöpft haben, kommt er zu seinem großen Auftritt.

Der Bauer/Henker wurde von Frank Genser dargestellt. Der Henker, der eigentlich Elektra töten sollte, bekommt sie zur Frau und wird Bauer. Aus einem Werkzeug der Mächtigen entwickelt der Charakter eine Art „Stockholm-Syndrom“ und stellt sich auf die Seite Elektras. Doch sein Henkerhandwerk scheint noch nicht vergessen, er dient sich Pylades an. „Wo echte Not herrscht, wird mein Handwerk noch geschätzt.“

Mit viel Humor spielten auch die Chormitglieder Bettina Lieder und Merle Wasmuth ihre Rollen. Der Chor, der das Volk symbolisiert stellte sich je nach Situation immer auf die Seite derjenigen, die gerade obenauf war.

Regisseur Paolo Magelli stellte in „Elektra“ die Schauspieler in den Mittelpunkt seiner Inszenierung. Das Bühnenbild war reduziert. Das Feld des Bauern wurde mit Schottersteinen dargestellt, um die Kargheit des Bodens zu symbolisieren. Einfache Tische und Stühle.

Daneben gab es Videoeinblendungen mit Klytaimnestra und Elektra und Orest als Kindern. In dieser Art Rückblende versucht die Mutter ihren Kindern die „wahre“ Geschichte von Helena, Paris und Agamemnon zu erzählen. Ihre Kinder schreien aber „Du lügst, du lügst!“

Die Musik kam von einer Liveband mit dem musikalischen Leiter des Schauspiels Paul Wallfisch sowie Geoffrey Burton und Larry Mullins. Ihre Musik war avantgardistisch, manchmal laut, aber nicht schrill und passte sich dem Geschehen auf der Bühne an.

Elektra wurde entscheidend gegen den Strich gebürstet und mit vielen Anspielungen aus der Jetztzeit versehen. Das ist ein Verdienst der Textbearbeitung von Alexander Kerlin. Ein sehenswertes Stück.

Elektra als reine Revolte

Viva la revolution? Merle Wasmuth, Peer Oscar Musinowski, Frank Genser, Caroline Hanke, Bettina Lieder und Carlos Lobo  (Foto: ©Edi Szekely)
Viva la revolution? Merle Wasmuth, Peer Oscar Musinowski, Frank Genser, Caroline Hanke, Bettina Lieder und Carlos Lobo
(Foto: ©Edi Szekely)

Am 07. Februar um 19:30 Uhr feiert das Stück „Elektra“ von Alexander Kerlin nach Euripides seine Uraufführung. Die Regie führt Paolo Magelli, der bereits in Dortmund unter anderem „Leonce und Lena“ inszenierte. Hinzu kommt eine Liveband, bestehend aus dem musikalischen Leiter Paul Wallfisch, Geoffrey Burton und Larry Mullins.

„Elektra“ und Uraufführung? Ist das Stück denn nicht 2.500 Jahre alt? In diesem Fall nicht. Denn Dramaturg Alexander Kerlin hat das Stück komplett neu geschrieben und setzt den Fokus auf die Neuzeit. Natürlich floss der Kern der Geschichte von Euripides in die Neufassung ein, aber ebenso beispielsweise das Libretto von Hugo von Hofmannsthal für die Oper von Richard Strauss.

Worum geht es? Elektra, Tochter des ermordeten Königs Agamemnon, schwört Rache. Ihr Bruder Orest ist im Exil. Doch als zwei Touristen zurückkommen, beginnt sich das Rad der Tragödie zu drehen.

„Die Figuren haben politische Statements“, erklärte Kerlin. Auf der einen Seite steht Elektra, die Rache nehmen möchte, auf der anderen Seite Klytaimnestra, die für die Seite der Herrschenden, für den Machterhalt steht. Als Kerlin begann das Stück zu schreiben, drehten sich die weltpolitischen Tragödien und Konflikte. IS in Syrien, politische Spannungen in Deutschland (Pegida) oder die Anschläge in Paris. Alle diese Ereignisse flossen in das Stück. „Es wird immer schwieriger sich zu positionieren“, findet Kerlin. „diese Verwirrung hat mich interessiert. Es ist eine extrem gute Zeit für Verschwörungstheorien.“

Es braucht niemand Angst zu haben, eine museumskompatible Version von „Elektra“ zu sehen. „Es geht schon um uns“, so Kerlin. „Es ist ein sehr physisches Stück. Für die Schauspieler bedeutet dies 80 Minuten Verausgabung.“

Für eine frische Version von „Elektra“sorgt auch die Musik: Paul Wallfisch hat Musik nach Motiven von Richard Strauss komponiert, die er zusammen mit Geoffrey Burton und Larry Mullins aufführt. Doch es wird sicher nicht klassische Musik zu hören sein, sondern wohl eher (punk-)rockig mit ruhigen melodiösen Elementen.

Für die Premiere am 07. Februar 2015 gibt es noch Restkarten, weitere Termine am 13. Februar, 28.Februar, 01. März, 12. März, 15. April und 24. April.