Ars tremonia

Eindringliche Adaptation eines universalen Melodramas

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Im Studio des Dortmunder Schauspiels feierte am 19. September 2025 Rainer Werner Fassbinders „Angst essen Seele auf“ Premiere. Unter der Regie von Dor Aloni entstand eine Inszenierung, die den Klassiker aus den 1970er-Jahren in die Gegenwart holt – eindringlich, reduziert und universell verständlich.

Das Stück erzählt die Geschichte von Emmi, einer älteren Putzfrau, die in einer Bar den zwanzig Jahre jüngeren marokkanischen Autoschlosser Ali kennenlernt. Aus vorsichtiger Nähe wird eine Beziehung, die unter den Vorurteilen und Ablehnungen des Umfelds fast zerbricht. Fassbinders Themen – Rassismus, Isolation, Einsamkeit – sind leider heute noch aktuell.

Regiekonzept: Stimmenvielfalt und Stille

Das Studio verwandelte sich in eine arabische Bar mit langem Tisch, Barhockern, Jukebox und einem weißen Vorhang als Raumteiler. Dor Aloni bricht die vertrauten Textstrukturen auf, verteilt die Rollen auf mehrere Stimmen und schafft so neue Spannung. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Dortmunder Sprechchor: Mehrere Personen übernehmen abwechselnd die Figur der Emmi. So werden unterschiedliche Facetten dieser Frau aus der Sicht Alis sichtbar.

Aviran Edri überzeugte in der Rolle des Ali mit einer intensiven, zurückgenommenen Darstellung. Linda Elsner und Sarah Quarshie aus dem Dortmunder Ensemble glänzten in wechselnden Rollen.

v.l.n.r.: Sabine Bathe-Kruse, Aviran Edri, Henri Hoffmann, Sarah Quarshie, Birgit Korte, Bärbel Gobel, Elke Kalwa-Feige© Birgit Hupfeld
v.l.n.r.: Sabine Bathe-Kruse, Aviran Edri, Henri Hoffmann, Sarah Quarshie, Birgit Korte, Bärbel Gobel, Elke Kalwa-Feige
© Birgit Hupfeld

Spielweise: Schweigen als Ausdruck

Das Besondere an dieser Inszenierung sind die gezielten, langsamen Bewegungen. Sie lenken die Aufmerksamkeit auf die kleinsten Gesten und Zwischentöne. Schweigen und Blicke erzeugen eine starke Spannung, die das Publikum ebenso aushalten musste wie die Darstellenden selbst. Besonders eindrucksvoll wirkte das musikalische arabische Mantra aus der Jukebox, das sich wie ein Echo der immer wiederkehrenden Ausgrenzung einprägte.

Fazit

„Angst essen Seele auf“ bleibt ein Stück über die Brüchigkeit menschlicher Beziehungen und gesellschaftliche Vorurteile. Die Dortmunder Inszenierung zeigt eindringlich, dass die Fragen nach Fremdheit, Nähe und Einsamkeit auch heute nichts an Dringlichkeit verloren haben. Ein Abend, der lange nachhallt.

Weitere Termine finden Sie unter www.theaterdo.de oder telefonisch unter 0231 / 50 27 222.