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Bestellt und nicht abgeholt

Das Ensemble von "Fertig.Los" bei der Probenarbeit. (Foto: © TheaterWerkstatt Westfalenkolleg)
Das Ensemble von „Fertig.Los“ bei der Probenarbeit. (Foto: © TheaterWerkstatt Westfalenkolleg)

Mit der Produktion „Fertig.Los“ präsentiert die Theaterwerkstatt Westfalenkolleg Dortmund ihre neue Produktion. Es geht in dem Stück um das Starten, das Anfangen. Doch natürlich spielt auch die Flüchtlingskrise eine Rolle. Ein Bericht von der zweiten Aufführung im Theater im Depot am 23.04.2016

 

Der Anfang erinnert ein wenig an Samuel Becketts „Warten auf Godot“. Acht Menschen haben sich am verabredeten Ort getroffen. Doch sind sie sich da ganz sicher? Nun müssen sie warten wie bestellt, aber nicht abgeholt. Schon hier wird der Flüchtlingsbezug deutlich, denn auch Flüchtlinge werden von Ort zu Ort geschickt und müssen auf irgendetwas warten.

 

Diese Thematik taucht später nochmals auf, an einer Art Lagerfeuer, bei der das Feuer erloschen ist. Die zwei Spieler sind mittendrin zwischen Hoffnung und Verzweifeln. „Es sind ja nur vier Länder“, heißt es. Doch auch wenn man angekommen ist, scheint es nicht das Paradies zu sein. Der erzählte Alltag in einer Flüchtlingsunterkunft beschreibt ernüchternde Szenen.

 

Doch „Fertig.Los“ ist kein reines Flüchtlingsstück, auch wenn mit Suno Okoruwa und Sumit Sondhi zwei Menschen dabei sind, die sich in sogenannten Willkommensklassen befinden. Denn eigentlich geht es um das Anfangen, das Starten. Das gilt für einheimische Jugendliche ebenso wie für neu hinzugekommene. Hoffnungen und Ängste stehen im Mittelpunkt der tänzerischen Szenen, für die Choreografin Birgit Götz verantwortlich war. Bänder und Weinkisten bildeten die Requisiten für manche Tanzstücke. Um Versagens-Ängste ging es bei der längeren Textpassage aus dem Theaterstück „Wohnen. Unter Glas“ von Ewald Palmetshofer. Der Textausschnitt beschreibt die Ängste von Mitdreißigern, ob sie ihren Zenit bereits überschritten haben oder ob er unbemerkt an ihnen vorbeigerauscht ist.

 

Musik ergänzte das Stück. Meist mit Gitarrenbegleitung wurde unter anderem „Heute hier, morgen dort“ von Hannes Wader, „Hänschen klein“ oder „Kein schöner Land“ gesungen.

 

„Fertig.Los“ beschreibt auf anrührende, aber auch komische Art die Hoffnungen und Träume junger Menschen und integriert auf gelungene Weise die Lebensentwürfe von Menschen, die zwangsweise aus ihrer Heimat geflohen sind.

 

Mit dabei waren: Florian Barz, Sinan Burma, Katharina Eixler, Laura Gebauer, Kristin Langer, Mathis Pollmann, Suno Okuruwa und Sumit Sondhi. Regier führten Mechtild Janssen und Johannes Janßen.

Stürmisches mit ohne Shakespeare

Nach der preisgekrönten Produktion „Peng!“ präsentierte die Theaterwerkstatt Westfalenkolleg ihr neuestes Werk „Der Sturm“. Ars tremonia war in der zweiten Vorstellung im Theater im Depot dabei. Es tanzten und spielten: Elikem Anyigba, Emilie Bieche, Sinan Burma, Jennifer Henke, Laura Gebauer, Mathis Pollmann, Sandy Schmidt, Marjorie Willer und Muazzez Yilmaz

Vergessen Sie bitte alles, was Sie von Shakespeare über den „Sturm“ kennen oder zu kennen glauben. Halt, vielleicht doch nicht alles. Ariel existiert und aus Prospero wurde eine herrlich böse Prospera. Selbstverständlich gibt es auch Gestrandete. Die Hauptfiguren sind also erhalten geblieben, aber ansonsten wurde den beteiligten Studierenden viel Platz zum Entwickeln eigener Ideen gelassen, den sie auszunutzen wussten. Denn im Prinzip geht das Stück darum, wie reagiert eine Gruppe von Menschen, die ohne Mobiltelefone (das einzige wurde sehr schnell über die Klippe geworfen) und andere zivilisatorische Annehmlichkeiten auf die Basis des Daseins zurückgeworfen wird.

Dabei ist das Stück keine „Robinsonade“, der Zuschauer hat viel eher das Gefühl einer sehr frühen Folge von „Lost“ zuzuschauen. Gruppendynamiken entstehen, einzelne Personen leben ihren Frust oder ihre Depressionen aus, es gibt Ängste und Gefahren (ja, Prospera kann wie ihr Shakespearesches Vorbild Menschen in den Schlaf versetzen), aber auch gemeinsame Freude und Tanz (Choreografien von Birgit Götz). Nur das Ende des etwa einstündigen Stückes kommt ein wenig abrupt und wie ein Rausschmiss daher. Denn wenn Ariel (im Original Prospero) in seinem Monolog erklärt, „unsre Spiele sind nun zu Ende. Diese unsere Schauspieler, wie ich euch vorhin sagte, sind alle Geister“ ist kurz darauf Schluss.

Doch vorher war es ein buntes Treiben mit überaus witzigen Szenen und skurrilen Figuren wie den Pauschalurlauber, der auf der Suche nach einem Urlaubsort mit vielen weiblichen Kontaktmöglichkeiten war über die Deprimierte, die sich liebend gerne von der 600 Meter hohen Klippe stürzen würde bis hin zur Frustrierten, der die ganze Situation ankotzt: „Ich sitze hier seit Stunden, seit Tagen, seit Wochen und schau mir den Bockmist an, den ihr mir serviert“.

Eine weitere Besonderheit der Produktion ist die Rolle der Prospera. Die Schauspielerin sitzt im Rollstuhl und trägt Fächer sowie eine Perücke mit Federn. Sie spielt eine missgünstige Prospera, die Menschen durch den Sturm zu sich auf die Insel holt, um Gesellschaft zu haben, der aber schnell langweilig wird.

Das Bühnenbild war spartanisch, aber effektiv. Eine Erhebung, auf der „Klippe“ geschrieben stand, ein Aquarium mit etwas Sand und ein Berg mit Liegestühlen, auf dem zunächst Ariel mit Schlagstöcken den Sturm entstehen lässt. Danach werden die Liegestühle als Requisite benutzt, beispielsweise in einer späteren Szene, in der deutlich wird, dass Liegestühle mit der Dauer auch unbequem werden können.

Im „Sturm“ gab es neben Tanz auch Musik, entweder über Lautsprecher oder aber gesungen wie „Ein Schiff wird kommen“ oder „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“.

Insgesamt war es ein kleines vergnügliches Stück über das Leben im Offline-Modus, das vom Publikum begeistert gefeiert wurde. Ähnlich wie „Peng!“ hatte es eine hohe Qualität und die Darsteller brachten sehr viel Spielfreude mit. Es gibt noch zwei Schulvorstellungen im Theater im Depot und zwar am 23.04.2015 um 12 Uhr und am 30.04.2015 um 12 Uhr (Eintritt: 5 € / 3 € für Schulklassen und Gruppen). Es bleibt sehr zu wünschen, dass es für dieses sehenswerte Stück noch weitere Termine gibt. Der Besuch ist einfach empfehlenswert.

Auf einer Insel ohne Strom gestrandet

Was könnte ein größerer Alptraum für junge Erwachsene sein, als dort zu stranden, wo es kein Strom oder gar Handyempfang gibt? Alle sind quasi analog. Im Stück „Der Sturm“ der Theaterwerkstatt Westfalenkolleg geht es um dieses Thema. Auch wenn es keine Shakespeare Adaption ist, sein Stück lieferte den Akteuren Anregungen und Textfragmente. Die Premiere ist am 18.03. 2015 um 20 Uhr im Theater im Depot.

„Was macht man eigentlich ohne Empfang“, diese Frage stellt Regisseurin Mechtild Janssen in den Mittelpunkt des Stückes. „Es gibt keinen Strom, nicht zu essen. Fühlt man sich wohl, endlich offline zu sein oder führt dies zu Auseinandersetzungen?“

In dem Stück treffen acht Gestrandete auf einer Insel auf die Charaktere Prospera und Ariel. Prospera ist die böse Herrscherin der Insel, die die anderen Personen mit Hilfe ihres Luftgeistes Ariel auf die Insel gelockt hat. Im Laufe des Stückes wechselt Ariel die Seite und unterstützt die Gestrandeten.

Was die Arbeit für die Leitung der Theaterwerkstatt, Mechtild Janssen und Klaus Pfeiffer, schwierig macht, dass sie zu Beginn nicht wissen, wer überhaupt mitmacht. „Die Findungsphase dauert etwa zwei bis drei Monate“, erklärte Janssen. Dann werden erst die Stücke entwickelt. Eigentlich sollte kaum etwas von Shakespeare in die Texte einfließen, doch „es hat sich ergeben, dass im Laufe der Zeit immer mehr von ihm integriert wurde“, so Klaus Pfeiffer, der mit Mechtild Janssen die Gesamtleitung innehat. „Die Sprache ist ein Kaleidoskop aus Alltagssprache, Improvisation und Shakespeare“, ergänzte Janssen.

Bei der Produktion ist auch die Choreografin Birgit Götz dabei. Tanzen ist ein wichtiges Element in „Der Sturm“. Denn der Sturm fährt in die Glieder der gestrandeten und thematisiert das zerstörerische, aber auch bereinigende Element des Sturms. Alle Darsteller tanzen, das bezieht die Schauspielerin im Rollstuhl mit ein.

Ähnlich wie im Originaltext von Shakespeare gibt es auch in „Der Sturm“ Zauber und Magie. Prospera kann andere Personen in Träume versetzen und deren Träume dann beeinflussen. Daneben gibt es magische Wesen auf der Insel.

Das Besondere bei der Theaterwerkstatt Westfalenkolleg ist, dass neben aktuellen studierenden auch ehemalige bei der Produktion involviert sind. Die Theaterwerkstatt gewann jüngst den Förderpreis des Petra-Meurer-Theaterpreis 2015 mit ihrer Produktion „Peng!“.

„Der Sturm“ dauert etwa 60 Minuten und die Eintrittspreise sind 10 € und 5 € (ermäßigt). Neben der Premiere am 18.03. gibt es weitere Termine am 20.03. (20 Uhr), 23.04. (12 Uhr) und 30.04. (12 Uhr).

Theatergruppe Sir Gabriel Dellmann gewinnt den Petra-Meurer Theaterpreis 2015

Die Gewinner des Petra-Meurer Theaterpreises 2015: "Sir Gabriel Dellmann). Nicht mit dabei ist Mitgründer Björn Gabriel.
Die Gewinner des Petra-Meurer Theaterpreises 2015: „Sir Gabriel Dellmann). Nicht auf den Foto ist Mitgründer Björn Gabriel.

Ein großer Erfolg für „Sir Gabriel Dellmann“. Der mit 1000 € dotierte Hauptpreis geht an das junge Dortmunder Theaterprojekt. Treibende Kräfte sind hauptsächlich die Bühnenbildnerin Stefanie Dellmann und den Schauspieler Björn Gabriel, der am Dortmunder Schauspielhaus tätig ist. Sir Gabriel Dellmann wurde für das Stück „The Great Democracy Show“ ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand am Samstag, dem 28. Februar 2015 im Theater im Depot statt. Die Hauptunterstützer des Petra-Meurer Theaterpreises und der Petra-Meurer Theatertage ist die DEW21, die TU Dortmund und das Theater im Depot.

Insgesamt wurden beim Petra-Meurer Theaterpreis 2015 sechs Preise vergeben. Neben dem Hauptpreis gab es zwei Sonderpreise und drei Förderpreise. Die beiden Hauptpreise zu je 500 € gingen an die Gruppe „Toboso“ aus Essen für ihr Live-Hörspiel „Der kleine Wassermann“ und an „Glassbooth“ für „Container Love“.

Das Ensemble „bzw.beziehungsweise“ bestehend aus den Theaterwissenschaftsstudenten Susanne Goldmann und Mattias Engling erhielt für ihr Jugendstück „Ausgang Freiheit“ den mit 300 € dotierten Förderpreis. Ebenfalls zu den Förderpreis-Gewinnern gehörte die Theaterwerkstatt Westfalenkolleg aus Dortmund unter der Leitung von Mechtild Janßen und Klaus Pfeiffer für das dadaistische Stück „Peng!“. Der dritte Förderpreisträger hatte noch keinen Namen, die Gruppe um Schauspielerin Paula Gendrisch wurde für ihr Werk „Mikropolis“ ausgezeichnet, in dem digitale Medien, Musik und Tanz integriert wurden.

Die Musik in „Mikropolis“ kommt von der Band „Freedes“ aus Bochum, die auch das musikalische Rahmenprogramm der Preisverleihung gestaltete. Durch die Veranstaltung führte Rainer Holl von der TU Dortmund.

Über drei der ausgezeichneten Theaterstücke hatte Ars tremonia schon berichtet. Mit Björn Gabriel und Sabine Dellmann haben wir im Vorfeld der „Great Democracy ein Interview geführt. Auf Youtube ist es zu sehen.

Der Premierenbericht zu „Peng!“ der Theaterwerkstatt Westfalenkolleg: https://ars-tremonia.de/mit-fado-in-den-untergang/

Die Rezension zu „Container Love“ von „Glassbooth“: https://ars-tremonia.de/wenn-die-wirklichkeit-im-drehbuch-steht/

 

Mit Fado in den Untergang

Das Opern-Libretto „Zusammenstoss“ von Kurt Schwitters scheint besonders für Jugend- und Schülertheatergruppen einen besonderen Reiz auszuüben. Am 21. März fand im Theater im Depot die Premiere von „Peng!“ statt, ein Stück, dass sich an Schwitters‘ Libretto anlehnte. Getanzt, gesungen und gespielt wurde es von Teilnehmern der Theaterwerkstatt Westfalenkolleg. Mit dabei waren: Elikem Anyigba, Suzan Demir, Victoria Ebel, Laura Gebauer, Manuel Mesa Mendoza, Florina Mesa Mendoza, Mathis Pollmann, Anna-Carina Rysi. Gesamtleitung hatten Mechtild Janssen und Klaus Pfeiffer.

 

Kurt Schwitters (1887-1946) war Maler, Dichter und Werbegrafiker. Er lernte früh den Dadaismus in Zürich und Berlin kennen, emanzipierte sich aber mit seinem eigenen „MERZ-Gesamtkunstbild“. Sein Libretto „Zusammenstoss“ ist ein Stoff, der manchem bekannt vorkommt: Ein Komet wird die Erde treffen. Wie regiert die Bevölkerung angesichts des zu erwartenden Endes?

 

Natürlich kommen einem Hollywoodstreifen wie „Deep Impact“ oder „Armageddon“ in den Sinn, doch Schwitters Libretto untersucht, wie grotesk wir Menschen angesichts einer nahenden Katastrophe handeln. Angefangen mit der Entdeckung, dem ersten Unglauben bis hin zum Finale.

 

Zu einen der besten Szenen des Stückes gehörte auf jeden Fall die „Krisensitzung“. Nachdem klar war, der Stern kracht auf die Erde, musste etwas getan werden. Und die Gruppe zeigte, wie es auf solchen Sitzungen zugeht. „Ismen“ wie der Kommunismus und „Alen“ wie die „Liberalen“ sprachen und zerstritten sich, um aber auf dem abschließenden Fioto einträchtig nebeneinander zu stehen. Nichts erreicht, aber schön war’s. Realistischer, aber auch zynischer war das „gekrönte Haupt“, das winkend und mit lieblicher Stimme erklärte „Liebes Volk! Wir werden alle sterben“.

 

Auch die Ignoranz der Bevölkerung wurde sehr schön auf den Punkt gebracht. Was passiert, wenn die Katastrophe auf dem Bildschirm auftaucht? „Ich zappte weg und gut war“, so die Reaktion. Zur Not wird die Katastrophe auch über den Balkon gekippt.

 

Die TV-Moderation entpuppte sich als moderne Kassandra, eine doppelte und gefakte. „Ich hab so meine Quelle“, sagt sie, doch Glauben schenkten ihr die Menschen nicht. Bei den Interviews zu den Weltuntergangsfeiern, bekam sie nur unverständliche Antworten.

 

Eine kleine Sonderrolle hatte „Oswald, der Feuerwehrmann“, der öfters als Unterbrecher auftrat und aus seinem bizarrem Leben erzählte.

 

Mit „Major Tom“ von David Bowie begann ein weiteres Highlight. Vier Akteure simulierten Astronauten, die wie im erwähnten Film „Armageddon“ auf dem Kometen landen. Zum Schluss der Szene gelang noch eine schöne Persiflage auf das berühmte Foto, auf dem Soldaten im Zweiten Weltkrieg auf der Insel Iwo Jima eine amerikanische Fahne aufstellen.

 

Kommen wir zur Musik. Sie spielte eine besondere Rolle in dem Stück. Neben David Bowie erklang auch das lakonische Durchhaltelied „Davon geht die Welt nicht unter“ bekannt geworden durch Zarah Leander. Aber auch moderne Sachen wie der Rap am Anfang oder das Lied „Sie mögen sich“ von Shaban & Käptn Peng(!) gehörten zum Repertoire wie der Fado zum Schluss.

 

Jedenfalls machte das Stück „Peng!“ den Zuschauern mächtig viel Spaß. Der Funke sprang von den Darstellern auf das Publikum über.

 

Am 23. und 24. Mai 2014 um 20Uhr hat man noch die Chance, das Stück im Theater im Depot zu erleben. Infos unter ticket@theaterimdepot.de