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Mit Musik die Geschichte erklären

Die musikalisch-literarische Reise durch das letzte Jahrhundert nach der Vorlage des Buch-Bestseller „The Rest is Noise“ (Alex Ross) als Kooperation der Ruhrtriennale mit sechs regionalen Theatern ist ein ambitioniertes Unterfangen. Mit den Dramaturgen der Theater erarbeitet Regisseur Johan Simons sechs Varianten seiner erfolgreichen Lesereihe.

Die sechs Etappen der Reise: Das Schauspiel Essen (05.11.2015), Schlosstheater Moers (03.12.2015), Schauspiel Dortmund (21.01.2016), Theater Oberhausen (04.02.2016), Theater an der Ruhr (17.03.2016) und zum Schuss das Schauspielhaus Bochum (07.04.2016). Unterstützt werden sie dabei musikalisch durch die Bochumer Symphoniker.

Die erste Etappe konnte das Publikum am 05. November 2015 im Schauspiel Essen mit dem „Goldenen Zeitalter“ um die Jahrhundertwende (Strauss, Mahler u.s.w.) erleben. Weiter ging es am 03.12.2015 im Schlosstheater Moers (Komponisten – Zwanziger Jahre in Berlin, unsichtbare amerikanische Komponisten von Ives bis Ellington, Schönberg und die Atonalität). Das Schauspiel Dortmund diente als Ort für die dritten Etappe, die sich im ersten Teil mit der Kunst der Angst – Musik in Stalins Sowjetunion beschäftigte. Im zweiten Teil ging es um Musik im Amerika Franklin D. Roosevelts.

Friederike Tiefenbacher, Ensemblemitglied des Dortmunder Schauspielhauses, übernahm die Rolle des Autors Alex Ross und führte in die Lesung ein. Die anderen Schauspieler wie Bettina Lieder, Carlos Lobo, Andreas Beck, Frank Genser, Uwe Schmieder und Julia Schubert übernahmen bei ihrer Lesung verschiedene Rollen und Persönlichkeiten der Zeit, wie zum Beispiel Maxim Gorki. Es gelang ihnen mit Eindringlichkeit und Einfühlungsvermögen, die Stimmungslagen der Personen über die Texte dem Publikum näher zu bringen. So führt etwa Frank Genser die Verzweiflung von Dimtri Schostakowitsch nach einer vernichtenden „Formalismuskritik“ durch Stalin in einem Artikel in der Prawda (1936) und seine Trauer um die Opfer jeglicher Gewaltherrschaft und Diktatur, ob von Hitler oder eben Stalin, mit seiner Lesung aus dessen Memoiren dem Publikum deutlich vor Augen. Verstärkt wurde das Gehörte durch die folgende musikalische Darbietung der fünf Sätze aus Schostakowitschs Streichquartett Nr. 8 c-moll, op. 110. Beeindruckend intensiv dar gebracht vom Streichquartett der Bochumer Symphoniker.

Kurz vor der Pause zeigte Sachiko Hara ihr Können und Virtuosität am Piano mit „Chaconne“ von Sofia Gubaidulina, einer von Schostakowitsch geförderten russischen Komponistin. Sie wurde von elektronischer sowie von Improvisationsmusik beeinflusst.

Nach der Pause stand die Musik im Amerika Franklin D. Roosevelts im Mittelpunkt. Viele der von den Nazis oder dem sowjetischen Machtsystem bedrohten, verfolgten und beeinträchtigten Komponisten, Schauspieler, Produzenten u.s.w. emigrierten vor und nach Kriegsende in die USA. So etwa der für seine proletarischen Arbeiterlieder bekannte Hanns Eisler.

Das Dortmunder Schauspielensemble gab, begleitet von Sachiko Hara am Piano, mit „Into the Streets May First“ von Aaron Copland/Alfred Hayes eine kraftvolle Gesangsprobe ab. Zuvor beeindruckte Hara mit ihrer Darbietung von Sergei Rachmaninows (ebenfalls ausgewandert) Etudes-Tableaux, op. 33,Nr. 1, Nr. 2.

Das Publikum erfuhr bei der Lesung aber auch, dass die Zuwanderer zwar beachtet wurden, aber ihnen oft mit Misstrauen begegnet wurde. Eleonore Roosevelt, die Präsidentengattin, setzte sich vehement und beharrlich für die Komponisten und Künstler ein, wie Julia Schubert mit ihrer Lesung zeigte.

Der Komponist Igor Stravinsky, dessen moderne und progressive Musik aus „Sacre du printemps“ von Walt Disney für seinen Film „Fantasia“ benutzt wurde, war auch einer Emigranten. Die atonale Zwölftonmusik von Arnold Schönberg wurde im Animationsfilme wie etwa Tom und Jerry „Putin‘ On The Dog“ eingesetzt. Auf einer Leinwand wurde ein Film-Ausschnitt davon gezeigt. Ein Ausschnitt aus „Modern Times“ mit Charly Chaplin beendete die Veranstaltung.