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Witzig-ironische Inszenierung des „Barbier von Sevilla“

Der dritte Tag des Premieren-Wochenende im Opernhaus Dortmund bot mit „Il barbiere di Siviglia“ (Der Barbier von Sevilla) von Gioachino Rossini (1792 bis 1868) und dem Libretto von Cesare Sterbini eine witzige und ironische Inszenierung von Martin G. Berger.

Die Aufführung dieser komischen Oper wurde nicht nur mit humorvollen deutschen Zwischentexten des Regisseurs, sondern auch durch Special Effects, einige ironische Anspielungen und Symbolik, wechselnden Bühnenhintergrund sowie phantasievollen Kostümen (Masken) ordentlich aufgepeppt.

Das besondere an der Inszenierung war aber neben der Hinzufügung der Figur eines Erzählers,dass die Sängerinnen und Sänger zum Anfang und gegen Ende wie Marionetten an Seilen (mit einem Fluggürtel befestigt) hingen. Das diente als Sinnbild dafür, dass die Akteure auf der Bühne in ihren jeweiligen gesellschaftlichen Konventionen (wie fremdgesteuert) gefangen sind. Das war nicht nur eine Herausforderung für die Kostüm-Abteilung, sondern sicher auch für die Sänger. Die hatten aber sichtlichen Spaß daran, sich nicht nur mit ihren guten Stimmen zu profilieren, sondern auch mit ihre komische Seite zeigen zu können.

Kammersänger Hannes Brock als Erzähler füllte seine Rolle gewohnt humorvoll und charmant mit aktuellen Anspielung (etwa auf die „Me too“Debatte und moderner Kommunikationsmittel wie das iPhone) aus. Im Laufe der Handlung wurde er in das Geschehen hinein gezogen.

Im Zentrum der Geschichte steht der Figaro (Petr Sokolov), ein Frisör und Hallodri mit monetärem Charakter. Der will dem verliebten Grafen Almaviva Sunnyboy Dladla) – natürlich gegen gute Bezahlung – helfen, die junge Rosina (Aytaj Shikhalizada) für sich gewinnen möchte.

Der Graf (Sunnyboy Dladla) schreitet zur Tat und will die Konventionen abschneiden. Basilio (Denis Velev), Dr. Bartolo (Morgan Moody), der Puppenspieler (Hannes Brock) und Figaro (Petr Sokolov) sind skeptisch. (Foto: ©Anke Sundermeier, Stage Picture)
Der Graf (Sunnyboy Dladla) schreitet zur Tat und will die Konventionen abschneiden. Basilio (Denis Velev), Dr. Bartolo (Morgan Moody), der Puppenspieler (Hannes Brock) und Figaro (Petr Sokolov) sind skeptisch. (Foto: ©Anke Sundermeier, Stage Picture)

Sie ist das reiche Mündel des Dr. Bartolo (Morgan Moody). Der wiederum möchte macht- und geldgierig Rosina heiraten und ihr Erbe für sich behalten. Der Graf will die starren Regeln auflösen, und ein bürgerliches Mädchen heiraten, das ihn um seiner selbst willen liebt. Deswegen nähert er sich Rosina nicht nur unter einem falschen Namen, sondern benutzt auf Anraten des Figaro auch verschiedene Identitäten (Student, Soldat oder Musiklehrer). Der intrigante Musiklehrer Basilio (Denis Velev), ein Freund von Dr. Bartolo, verleumdet derweil sinnlos Menschen. Rosina träumt von Freiheit und irgend jemanden, der sie aus ihrem goldenen Käfig heraus holt. Eigentlich vom Charakter eher sanft, kann sie, wenn es darauf ankommt, auch rabiat und zur „Schlange“ werden.

Ironische und witzig werden die Charaktereigenschaften durch die Puppenspielerinnen Julia Giesbart und Veronuika Thieme mit ihren Stoff-Puppen ob als Schlange bei Rosalia oder dem „einäugigen Rufmord-Wurm“ bei dem Musiklehrer Basilio auch bildhaft dargestellt.

Das Gemenge muss zunächst in einem Chaos enden. Von ihren Marionetten-Fäden erst einmal befreit herausfinden, ob die neue Freiheit und Möglichkeit der Selbstbestimmung erstrebenswert ist und welche Rolle sie einnehmen wollen. Fast alle Figuren versuchen, an ihren Rollen festzuhalten.

Am Ende löst sich das Ganze durch Anerkennung der alten Hierarchien mit einem „kleinen Happy End“ auf. Der Graf besinnt sich auf seine Rolle, schmiert und bedroht Basilo, zwingt Dr. Bartolo zum Verzicht auf Rosina, und heiratet diese. Nur seine Machtposition hatte ihm ermöglicht, seine revolutionären Gedankenspiele einmal praktisch auszuprobieren, ohne die Konsequenzen zu tragen.

Ob sich eine Revolution gegen gesellschaftliche Festschreibungen dennoch lohnt, wird jedem (im Publikum) selbst überlassen.

Berger nahm sich in seiner Inszenierung einige Freiheiten, so gab es keine Polizei, sondern der Herrenchor und die Statisterie des Theater Dortmund hatten ihren eindringlichen Auftritt als „öffentliche Meinung“. Auch kleinere Rollen wie der Notar fielen weg.

Neben dem wunderbaren Puppen und Kostümen gab es auf der Bühne viel zu sehen. Eines der Höhepunkte war die Rube-Goldberg-Maschine, die Basilio dem verblüfften Dr. Bartolo vorführt. Diese Maschine hat keinen praktischen Nutzen, bereitet aber durch das pure Hinsehen Vergnügen. Ein Hingucker war auch das furiose Ende des ersten Aktes, als alles auf der Bühne hin und her wogte.

Die sinnliche Musik Rossinis zeichnet sich durch die sogenannte Rossini-Walze, einem stetigen Anschwellen der Musik. Nicht nur die Zunahme der Lautstärke, sondern auch allmähliche Hinzukommen weiterer Instrumente ist für sie kennzeichnend.

Die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung des ersten Kapellmeisters Motonori Kobayashi setzte diese Musik sensibel um.

Ein interessantes und gelungenes Opernwochenende, dass dem Publikum das neue Opern-Ensemble näher brachte.

Informationen zu weiteren Aufführungstermine erhalten Sie unter www.theaterdo.de und Tel.. 0231/ 50 27 222.