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Tag 4 – Internationales Frauenfilmfestival Dortmund / Köln 2019

Das Internationale Frauenfilmfestival präsentierte am vierten Tag das Flüchtlingsdrama „Sempra mio figlio“, das auch über das Schicksal der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan informiert. Danach wurde es Zeit für den Zombiethriller „Endzeit“, der sich im zweiten Teil als Film mit Ökobotschaft wandelte. Greta Thunberg würde der Film und seine Botschaft sicher gefallen.

Sembra mio figlio

Ismail und sein Bruder Hassan sind als Kinder aus Afghanistan vor dem Krieg und den Taliban geflohen und leben jetzt in Italien. Eine kleine Schneiderei sichert den Lebensunterhalt, Ismail verdient mit Übersetzungen in einem Flüchtlingsheim noch etwas dazu. Nach vielen vergeblichen Versuchen und zwanzig Jahre später, erreicht er endlich telefonisch seine Mutter, doch diese erkennt ihn nicht mehr. Seine Mutter wurde wieder verheiratet und der Stiefvater will, dass die Söhne nach Pakistan kommen. Ismail hegt große Sympathien für eine Kollegin bei der Flüchtlingshilfe, sein Stiefvater will ihn aber in Pakistan verheiraten, das lehnt er kategorisch ab.

Die Brüder sind sich nicht einig, ob sie dem neuen Vater trauen können. Tagelang schwelt der Konflikt. Eines Morgens ist Hassan abgereist. Ismail erinnert sich an den Rat seines Vaters: Reise immer einzeln, dann stirbt nur einer, die anderen überleben. Auch Ismail macht sich dann allein auf den Weg. Im Film versinnbildlicht durch die Verwandlung des Gesichts seiner Freundin Nina in das einer Hazara Frau. Dann beginnt eine Reise auf verschlungenen Wegen nach Pakistan. Die Zeitebenen verschwimmen, die Fahrt ist verwirrend und konspirativ. Der Zuschauer bekommt eine Ahnung davon, welchen Strapazen die Flüchtlinge auf ihrem Weg aus den Kriegsgebieten ausgesetzt sind.

Die Flüchtlinge geben ihrer Hoffnung nach Frieden Ausdruck. Sembra mio figlio (R: Costanza Quatriglio, IT/HR/BE 2018)

Auf der Tour trifft Ismail eine Flüchtlingsgruppe seines Volkes der Hazara, die mit Kerzen das Wort „Peace“ vor sich aufgebaut hat. Am Morgen, als Schleuser die Flüchtlinge abtransportiert haben, bleibt nur das in Wachs geschriebene Peace als kleine Spur der Menschen zurück. Ihr Schicksal ist ungewiss.

Das Volk der Hazara erlebte 1890 einen Genozid durch die paschtunische Mehrheit im neu gegründeten Afghanistan. Ihr mongolisches Aussehen und ihre Religion macht sie auch heute noch zu Opfern der Taliban und dem Islamischen Staat.

Ismail findet den am Telefon ausgemachten Treffpunkt. In einem kleinen dunklen Raum stehen mehrerer Frauen zusammen und starren ihn an. Er erzählt leise mit welchen Worten seine Mutter ihn und seinen Bruder damals weggeschickt hat. Dann schauen sich Ismail und die Frauen minutenlang intensiv in die Augen. Tränen fließen da jede von ihnen Kinder verloren hat. Endlich gibt sich die richtige Mutter zu erkennen. Das Ziel der Reise ist erreicht, was weiter geschieht, bleibt am Ende ungewiss.

Regisseurin Constanza Quatriglio berichtet, dass der Film mit zahlreichen Laiendarstellern gedreht wurde, die alle einen Flüchtlingshintergrund hatten. Dies ermöglichte ihnen die Rollen authentisch auszufüllen. Unter den Frauen die das Wiedersehen spielten, war auch die Mutter des Schauspielers Bashir Anhang (Ismail)

(Anja Cord)

Zombie-Thriller mit Ökobotschaft

Der Film „Endzeit“ (D, 2018) von Carolina Hellsgård ist nur auf den ersten Blick ein typischer Zombiefilm. Denn er trägt eine Botschaft vor sich her, die im zweiten Teil des Films endgültig zum Tragen kommt.

„Endzeit“ beginnt genretypisch, im Jahre 2 nach einer Zombieapokalypse, die durch eine Seuche entstanden ist, gibt es nur noch zwei Städte: Weimar und Jena. Während Jena nach einem Gegenmittel forscht, ist Weimar unerbittlich und tötet jeden Infizierten. Vivi und Eva fliehen aus unterschiedlichen Gründen von Weimar und wollen mit einem selbstfahrenden Zug nach Jena. Wie es in solchen Filme so kommt: Der Zug bleibt auf freier Strecke stehen und die beiden Frauen müssen sich durch die Natur nach Jena durchschlagen.

Danach beginnt sich der Film stärker auf die Dämonen der beiden Hauptdarstellerinnen zu konzentrieren. Vivi trägt Schuldgefühle, weil sie ihre kleine Schwester im Stich gelassen hat und Eva, die taffe Frau, flieht vor den Menschen, die sie getötet hat.

Anders als bei vielen Filmen sind die Zombies in "Endzeit" ziemlich gut zu Fuß. Daher müssen Vivi und Eva ordentlich Fersengeld geben.  Endzeit (R: Carolina Hellsgård, DE 2018) © Grown Up Films ZDF - Anke Neugebauer
Anders als bei vielen Filmen sind die Zombies in „Endzeit“ ziemlich gut zu Fuß. Daher müssen Vivi und Eva ordentlich Fersengeld geben. Endzeit (R: Carolina Hellsgård, DE 2018) © Grown Up Films ZDF – Anke Neugebauer

Hellsgård bringt im zweiten teil des Films noch eine weitere Komponente ein. Nicht umsonst sind viele grandiose Naturaufnahmen zu sehen, einmal entdecken die beiden Frauen sogar Giraffen, die aus dem Erfurter Zoo geflohen sind. Flüsse, Wälder, Felder, all das wird in seiner Pracht als Alternative zu den beiden Städten präsentiert. Das geschieht mit Absicht. Denn es taucht die Figur „Die Gärtnerin“ auf, die offensichtlich eine Mischform zwischen Mensch und Pflanzenwesen darstellt. Sie ist die Personifikation von „Mutter Natur“ oder Gaia und enthüllt, dass die Natur den Menschen durch die Seuche auslöschen wollte. Diese Symbiose sei nicht das Ende, sondern der neue Anfang.

In „Endzeit“ sind die Zombies keine Manifestation einer unterprivilegierten Bevölkerung, die sich erhebt, sondern letztendlich die Konsequenz des menschlichen Fehlverhaltens wider die Natur. Durch die Zunahme von multiresistenten Keimen ist es durchaus vorstellbar, dass sich die Menschheit in nicht allzu langer Zeit einem Virus oder einem Bakterium gegenübersieht, das den großteils der Bevölkerung ausrottet. Ähnlich wie es die Pest im 14. Jahrhundert getan hat.

Wer auf viel Blut und menschliche Innereien steht, der wird sicher enttäuscht sein, wer intelligenten Horror mit einer eindringlichen Botschaft mag, sollte sich diesen Film unbedingt ansehen.

(Michael Lemken)