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Musikalische Abschlussgala im Schauspiel Dortmund

Siebzehn Songs präsentierte das Ensemble des Dortmunder Schauspielhauses auf der Abschlussgala der Spielzeit 14/15 am 04. Juli. Direkt nach dem Halbfinaleinzug der deutschen Mannschaft ging es los. Die meisten Lieder hatten ein ganz bestimmtes Thema: „Spies“ von Coldplay, „The Spy“ von The Doors oder „Computerstaat“ von Abwärts gaben die Richtung vor. Es ging um Überwachung und Leben in einer Welt, wo manche zu viel Daten über einen haben. Passend dazu wird der „Minority Report“ nächste Spielzeit aufgeführt und selbst Shakespeares „Hamlet“ fragt sich, was ist der Mensch im Spiegelbild von Daten, Bits und Bytes?

 

Wie es sich für eine ordentliche Abschlussgala gehört, gab es auch Preise: Als bester Schauspieler wurde wie im vergangenen Jahr Andreas Beck gekürt, der in zahlreichen Produktionen in Dortmund zu sehen ist und ein Preisgeld von 1000,- Euro erhielt, gestiftet vom Förderverein „Dortmunder für ihr Schauspiel“. Als beste Inszenierung hat das Publikum „Republik der Wölfe“ gewählt. Die Inszenierung von Claudia Bauer mit Musik von Paul Wallfisch, Mick Harvey, Alexander Hacke und Danielle de Picciotto feierte im Februar 2014 Premiere. Das Preisgeld von 500,- Euro wurde ebenfalls von den „Dortmundern für ihr Schauspiel“ gestiftet. Weitere Preise gab es von der Kritikerjury, die in diesem Jahr zwei Schauspieler auszeichnete: Bettina Lieder, unter anderem für ihre großartige Solo-Leistung in „Kassandra“ sowie Uwe Rohbeck für sein eindringliches Spiel in „Der Elefantenmensch“. Beide erhielten als Preisgeld 250,- Euro, gespendet von den Theater- und Konzertfreunden Dortmund e.V.

Istanbuler Geschichten von Außenseitern

Zwei Zeitebenen überlagern sich: Ahmet aus den 80er Jahren sowie Markiz und Eleni aus dem Jahr 1955. (Foto: © GalataPerform)
Zwei Zeitebenen überlagern sich: Ahmet aus den 80er Jahren sowie Markiz und Eleni aus dem Jahr 1955. (Foto: © GalataPerform)

Mit „İz – die Spur“ präsentierte am 07. April das Schauspielhaus Dortmund das dritte Stück der Gastspielreihe „Szene Istanbul“. „İz“ von Ahmet Sami Özbudak, aufgeführt von GalataPerform, ist ein sehr politisches Stück. Es erzählt die Geschichte einer Wohnung in Istanbul und das Schicksal ihrer Bewohner zu verschiedenen Zeiten.

Drei Handlungsebenen werden auf der Bühne parallel erzählt. Es wirkt beinahe so, als ob man drei Filme übereinander sieht. Die große Kunst der Theatergruppe von GalataPerform ist, dass alle drei Ebenen nebeneinander laufen, ohne dass Chaos herrscht oder irgendetwas unverständlich ist. Die Zuschauer sehen nur einen Raum der Wohnung live, doch mittels Videokameras wird das Geschehen in den beiden anderen Räumen auf zwei Fernsehern gezeigt. Zu Beginn erfordert es etwas Anpassung, doch mit der Zeit gewöhnt man sich daran, zumal die wichtigen Teile der drei Handlungsstränge im vorderen Raum passieren. Die türkischen Texte wurden zudem noch in deutscher Übersetzung als Übertitel gezeigt.

Die drei Geschichten handeln von Außenseitern in der Istanbuler Gesellschaft: Christen, Kommunisten und Homosexuelle. Sie spielen zu verschiedenen Zeiten, haben aber alle eine Botschaft: Toleranz gibt es für sie nicht.

So verlassen die beiden griechisch-türkischen Schwestern Markiz und Eleni nach den Pogromen im September 1955 die Stadt, obwohl sie sich eigentlich immer als Istanbulerinnen gefühlt haben. Sie sind zwei Schicksale von den 100.000 Griechen, die der Türkei danach den Rücken gekehrt haben.
Ihre Mutter, die sie in ihrem Zimmer zurückgelassen haben, umgibt ein Geheimnis. Was sie für eine Krankheit hat oder was mit ihr geschehen ist, weiß niemand genau. Diese Mutter wurde jedenfalls längere Zeit nicht mehr öffentlich gesehen und ist so etwas wie der Geist des Hauses.

Die zweite Zeitschleife spielt 1980. Keine gute Zeit für Linke, denn in der Türkei herrschte die Militärdiktatur unter General Kenan Evren. Ahmet, der linke Aktivist, der als Art Untermieter in der Wohnung lebt, muss seine Bücher vor dem Zugriff von Polizei und Geheimdienst verstecken. Doch kommt ihm sein Vermieter auf die Schliche und verrät ihn an die Polizei, die ihn erschießt.

Um das Jahr 2000 spielt die letzte der drei Geschichten. Transvestit Sevengül und sein Liebhaber Rizgar leben ebenfalls in der besagten Wohnung, doch als Rizgar Probleme beim Drogenhandel bekommt und sein kurdischer Cousin auftaucht, kommt es zur Katastrophe.

„İz“ ist ein Stück über Minderheiten in Istanbul, es fängt sehr langsam an, steigert aber seine Intensität fast ins Unerträgliche, beispielsweise als Markiz von ihrer Vergewaltigung in einer zerstörten Kirche erzählt. Das lag auch an den guten Leistungen der Schauspieler, die ihre Charaktere glaubhaft darstellen konnten.

Archaische Szenen

Szenen einer Annäherung  aus dem Musiktheater "Çinka" des Musikers Birol Topaloğlu.
Szenen einer Annäherung aus dem Musiktheater „Çinka“ des Musikers Birol Topaloğlu.

In der neuen Reihe „Szene Istanbul“ am Schauspiel Dortmund präsentierte der Musiker Birol Topaloğlu am 23. Februar 2014 unter dem Titel „Çinka“ Musik und Tanz aus seiner Heimat, der Schwarzmeerküste. Die Kosmologie des lasischen Volkes stand im Mittelpunkt.

 

Çinka“ ist eine Art weiblicher Berggeist, eine sagenumwobene Gestalt der Lasen, einem Volk an der türkischen Schwarzmeerküste,Sie bestimmt das den Kreislauf der Lebens und Vergehens. Topaloğlu führt uns in eine Zeit, bevor der Islam und das Christentum in dieser Region Fuß fasste. Mit seiner Musik und seinen Instrumenten, wie dem Tulum, einer Art Dudelsack, führt er die Zuhörer wie in einer Zeitmaschine um Jahrtausende zurück. Die Musik klingt einerseits fremd, roh und archaisch, dennoch auf eine merkwürdige Art vertraut. Haben unsere Vor-Vorfahren vor 2. 000 Jahren vielleicht ähnliche Musik gehört?

 

Doch Topaloğlu kam nicht allein, er brachte zwei Tänzer sowie einen Beleuchter mit. Die beiden Tänzer verkörperten nicht nur Çinka, die zu Beginn und Ende wie eine riesige Marionette erschien, sondern stellen auch zwei Menschen dar. Die zunächst wie zwei Schmetterlingslarven langsam aus ihren Larven krochen und sich langsam kennenlernten. Die Körbe spielten eine wichtige Rolle in dem Stück. So waren sie beispielsweise Fischerboote und verwandelten sich zum Ende hin zu Grabsteinen.

Im Mittelpunkt standen die beiden Menschen mit ihrer von Beginn bis zum Ende ihres Lebens. Die größte Zeit war durch Arbeit (Fischen, Dreschen des Korns) geprägt. Çinka steht am Anfang und am Ende.

 

Zur Atmosphäre trug der Beleuchter bei, der die dunkle Bühne mit seinem Scheinwerfer effektvoll in Szene setzte. Hinzu kam Bühnennebel, der zusammen mit dem Licht, dem Ganzen eine mythische Ebene hinzufügte.

Wer bestimmt die Regeln?

Josef K. (Björn Gabriel) wird in die Zange genommen von Andreas Beck (links) und Uwe Rohbeck.
Josef K. (Björn Gabriel) wird in die Zange genommen von Andreas Beck (links) und Uwe Rohbeck. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Am 14. Februar 2014 um 20 Uhr wird im Studio des Schauspiel der „Prozess“ von Franz Kafka eröffnet. Neben der „Verwandlung“ ist der „Prozess“ das wohl bekannteste Werk des Schriftstellers. Allgemein hin gilt „Der Prozess“ als eine Art der Auseinandersetzung mit einer unmenschlich agierenden Bürokratie.

 

Kurz zur Handlung: Der Bankangestellte Josef K. wird verhaftet, weiß aber nicht, welches Verbrechen er eigentlich beschuldigt wird oder wer hinter der Anklage steht. Da er zwar verhaftet, aber nicht eingesperrt wurde, versucht er vergeblich die Hintergründe herauszubekommen. Inzwischen wird Josef K. verurteilt und am Ende hingerichtet.

 

Für Dortmund haben sich Dramaturg Thorsten Bihegue und Regisseur Carlos Manuel eine Neuinterpretation ausgedacht. Stellt man sich den „Prozess“ als Art Anklage gegen den Bürokratismus vor , mit lauter Menschen in grauen Anzügen, geht es dem Regisseur eher um die Frage: Was ist privat und was ist öffentlich? Und vor allem: Wer bestimmt die Regeln?

 

Schon der Ablauf des Stückes von Kafka macht den Wechsel von Privat zu Öffentlichkeit deutlich: Beginnt das Stück im Zimmer von Josef K., werden die Orte immer öffentlicher: Erst sein Wohnzimmer, dann das Zimmer der Nachbarin, sein Büro in der Bank und letztendlich die Vorstadt. Josef K. muss erkennen, dass er nach den Regeln der anderen Akteure spielen muss. Die öffentliche und private Ebene vermischen sich.

 

Kann der „Prozess“ auch eine Komödie sein. Nach einer Anekdote soll sich Kafka bei einer Lesung von „Der Prozess“ unter Freunden amüsiert haben. Wahrheit oder Mythos? Jedenfalls nicht für Regisseur Carlos Manuel. Für ihn hat die Kritik gegen ein System, von dem man selber ein Teil ist, etwas komisches.

 

In der Inszenierung wird die Figur des Josef K. (gespielt von Björn Gabriel) immer im Mittelpunkt der Bühne stehen, das heißt alle Figuren drehen sich quasi um ihn.

 

Die ersten drei Vorstellungen sind schon ausverkauft, weitere Termine (ab April) folgen. Infos unter www.theaterdo.de