Schlagwort-Archive: Sarah Yawa Quarshie

Auf der Suche nach dem Femininen – Cherchez la femMe

Es ist schon ziemlich interessant, woher der Begriff „Cherchez la femme“ stammt. Es stammt aus den französischen Kriminalromanen des 19. Jahrhundert, wonach die Kriminalisten nach einem schlauen verbrecherischen Anschlag nach der Frau suchen sollten, die dahinter steckt. Doch das Stück „Cherchez la femme“, welches am 30. April 2022 im Studio des Schauspielhauses Premiere feierte, war kein Kriminalstück. Es ging mehr um die Rolle des Femininen in der Performance.

Was würde passieren, wenn Claude Cahun, Josephine Baker und Eartha Kitt in einem Raum zusammen geholt werden? Wäre das überhaupt historisch möglich gewesen. Ja, Claude Cahun (1894-1954), Josephine Baker (1906-1975) und Eartha Kitt (1927-2008) hätten sich beispielsweise nach dem Zweiten Weltkrieg auf Jersey treffen könne, wo Cahun lebte.

v.l.n.r. Linda Elsner, Iman Tekle, Christopher Heisler und Sarah Yawa Quarshie (Foto: © Birgit Hupfeld)
v.l.n.r. Linda Elsner, Iman Tekle, Christopher Heisler und Sarah Yawa Quarshie (Foto: © Birgit Hupfeld)

Die Surrealistin, Fotografin und Schriftstellerin Cahun hätte mit der Josephine Baker und Eartha Kitt sicher einiges zu besprechen gehabt. Alle drei waren neben ihren Berufen auch gesellschaftlich engagiert. Cahun war homosexuell und lebte mit Suzanne Malherbe zusammen und verwandelte ihr Atelier in einen Salon. Josephine Baker wurde als Tänzerin weltbekannt, war aber auch in der Résistance und kämpfte gegen Rassismus. Die Sängerin Eartha Kitt wandte sich ausgerechnet im Weißen Haus gegen den Vietnamkrieg, was ihre Karriere für Jahrzehnte zurückwarf.

Sarah Yawa Quarshie, Linda Elsner, Christopher Heisler und als Gast Iman Tekle entwickelten in „Cherchez la femme“ die Suche nach dem Femininen. Zunächst wirkte die Bühne wie nach einer Oarty in einer Frauen-WG. Dabei wurden ein paar Szenen aus dem Leben der drei Vorbilder präsentiert. Cahun mit ihren Fotografien, die mit dem Geschlechterbild Mann/Frau spielte, Baker hatte eine Tanzeinlage und Kitt zeigte sich in ihrer ersten Rolle als „Catwoman“.

Musik und Choreografien gab es reichlich, nicht nur in der Szene mit Josephine Baker, Songs wie „New York“ und „Would I lie to you“ belebten das Stück. Daneben sorgte die „Backshow“ mit dem Rezept für die perfekte Frau für einige Lacher im Publikum. Auch insgesamt war das Stück unterhaltsam.

Auch wenn wir einige Aspekte des Femininen erleben durften, wir werden uns wohl weiterhin auf die Suche nach der Frau machen. „Cherchez la femme“ ist ein kleines, schönes Studiostück.

5G – Superhelden auf verzweifelter Mission

Eine ungewöhnliche Premiere gab es am 04. November 2021 im Studio des Schauspielhauses. „5G – Die Rückkehr der Superheld*innen“. Eine Stückentwicklung des Regie-Teams unter Dennis Duszczak und den Schauspielern Anton Andreew, Linus Ebner, Lola Fuchs und Sarah Yawa Quarshie.

Superhelden wie wir sie kennen, gibt es seit etwa 100 Jahren. Lassen wir die antiken Hilden wie Herkules außen vor, gehören sie zur Comic-Kultur wie Enten und Mäuse aus dem Hause Disney. Superman war der erste Superheld mit Kostüm, Hintergrundgeschichte und Schwächen. Danach kamen seine Kollegen wie Spiderman, Batman und sicher hunderte andere. Inzwischen sind sie präsent im Kino in unzähligen Filmen und prägen die Pop-Kultur.

Lana (Sarah Yawa Quarshie), die Fliege (Anton Andreew), Asha (Lola Fuchs) und Lapsus of Light (Linus Ebner) wirken ratlos. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Lana (Sarah Yawa Quarshie), die Fliege (Anton Andreew), Asha (Lola Fuchs) und Lapsus of Light (Linus Ebner) wirken ratlos. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Doch die Dortmunder Superhelden sind anders. Sie können nicht fliegen oder sich an Spinnenfäden herunterhangeln, sie haben andere, spezielle Fähigkeiten. Da wäre Lana, die sich so vorstellt: „Ich bin Lana Morello und ich gehe jedes Risiko ein.“ Sie ist Influenzerin und Netzaktivistin und hat durch die Schwarmintelligenz die Fähigkeit erworben, Gedanken zu lesen. „Am Ende aller Tage werden das Recht und die Freiheit auf meiner Seite sein. Denn es gibt viele, die mir folgen, die so denken wie ich, denn sie denken durch mich. Meine Gedanken sind ihre Gedanken.“

Während Lana also eine Mission hat, sieht es bei Lapsus of Light (LOL) anders aus. „Ich hasse Recycling und vegane Mülltrennung. Aufräumen? Langweilig! Chaos, das ist das Ziel.Wisst ihr was? Ich lade Euch ein in meine kleine Chaosfamilie und stelle euch meine bezaubernden Verwandten vor“ Er ist eine Art Personifizierung der Spaßgesellschaft. Seine Fähigkeit ist, Menschen in Delfine zu verwandeln.

Das Gegenteil von LOL stellt „Die Fliege“ dar. Während LOL die Welt bunt und fröhlich sieht, steht die “Fliege“ für das Notwendige. „Wir sind die Deadline. Die Ersten bei jeder Katastrophe. Die Ersten bei der Leiche, die Ersten, wenn es ernst wird. Die ersten bei verdorbenen Fraß: Ich vertilge und beseitige.“ Er ist Recyclingspezialist.

Fehlt nur noch ein Superheld und dieser Held hat ein Geheimnis (Achtung! Spoiler), den Asha (kurz für X ASH – A 12) ist der Sohn eines superreichen Unternehmers mit Weltraumambitionen. Wem Tesla einfallt, liegt richtig. Sein geheimer Plan ist es, die Superkräfte der drei zu stehlen und für teures Geld als Produkt auf den Markt zu bringen. „Die Gabe von dem Mann in Lila, Lapsus of Light, Menschen in Delfine zu verwandeln, würde ich analysieren, um daraus die ultimative Droge zu entwickeln. Eine Art Heroin ohne Nebenwirkungen. Den enormen Bestand dieser zukünftigen Droge würde ich dann künstlich verknappen, das Gerücht, dass es etwas Neues auf dem

Markt gibt, bei den richtigen Leuten streuen und sie dann durch Unterhändler teuer im Darknet

verscherbeln. Die Fähigkeit von diesem komischen Typen mit dem S-Fehler, würde ich extrahieren, um ein effizientes Recyclingsystem für den Mars zu entwickeln. Und die Fähigkeit von Lana Morello, Gedanken zu lesen, würde ich schließlich als Marktforschungsinstrument an diverse High Ranking Unternehmen verkaufen.“

So kann man das Stück auch als Kritik lesen, menschliche Bedürfnisse, Fähigkeiten und Notwendigkeiten zu kapitalisieren.

Die vier Akteure auf der Bühne bieten ein grandioses Schauspiel. Anton Andreev hat mit seiner Fliegenmaske und seinem summenden S die Lacher auf seiner Seite. Ebenfalls exaltiert spielt Linus Ebener Lapsus of Light im schicken Lila, während Sarah Yawa Quarshie eine Lana spielt, deren Selbstbewusstsein nur so strahlt. Sie ist auch die einzige Superheldin mit Cape, das macht sie besonders. Lola Fuchs spielt den kühlen Asha als blassen hinterlistigen Elfen.

Ein gelungener Abend, der nicht nur lustig ist oder sich über Superhelden lustig macht, sondern versucht einen Blick in die Zukunft zu werfen: Wie weit lassen sich unsere Wünsche und Fähigkeiten kapitalisieren.

Mehr unter www.theaterdo.de

Aufstieg möglich oder Türe zu – La Chemise Lacoste

Schlechte Chancen für Arbeiterkinder, die Aufstiegschancen hängen in Deutschland immer noch stark von Bildungsstand der Eltern ab, schreibt die Zeit am 02.04.2020, die Wirtschaftswoche bläst am 31.05.2021 ins gleiche Horn: Arbeiterkinder werden ausgebremst. Und selbst wenn man es schafft, die Leiter hochzuklettern, wird man akzeptiert? Im Stück „La Chemise Lacoste“ (Das Lacoste-Hemd) von Anne Lepper ist von Akzeptanz nichts zu spüren. Die Inszenierung von Dennis Duszczak beschreibt den Versuch eines Aufstiegs. Die Premiere war am 19. September 2021 im Studio des Schauspielhauses.

Der Inhalt in aller Kürze: Der erste Teil des Stückes: Felix wurde vom Staats auserwählt, er darf die Ärmlichkeit seiner Familie und seiner Umgebung verlassen und als Balljunge beim Tennis mitmachen. Doch die arrivierten Balljungen Philipp und Toby sind nicht seine Freunde. Im zweiten Teil feiert Tennis-Star Sebastian eine Party, dafür hat er mit Kay eine Frau an seiner Seite. Doch erfüllt sie auch die Erwartungen der anderen Gäste?

Sarah Yawa Quarshie als Balljunge und Anton Andreew als Felix. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Sarah Yawa Quarshie als Balljunge und Anton Andreew als Felix. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Gleich zu Beginn ein schöner Kniff von Duszczak: Auf der Bühne ist ein drehbarer großer Kasten, der sich erst einmal zu einer Puppenbühne verwandelt: Felix und seine Familie, dargestellt von fünf gleich aussehenden Puppen freuen sich über seine Aufstiegsmöglichkeiten mit fast schon biblischen Worten: „Der eine, der gerettet wird“. Wie bei Jakob und seine Brüder.

Doch wird Felix mit seiner Sprache und seiner Kleidung in den oberen Kreisen akzeptiert? Jedenfalls – jetzt sind die echten Schauspieler an der Reihe – die beiden Balljungen Toby und Philipp (Alexander Darkow und Sarah Yawa Quarshie) machen sich erst einmal über Felix (Anton Andreew) lustig und lassen ihn deutlich spüren, dass er nicht dazugehört. „Es geht etwas Dumpfes von dir aus“, sagen sie zu ihm. „Jemand der von unten kommt, soll auch unten bleiben“. Erst durch totale Anpassung erreicht Felix, sein altes Leben zu verleugnen und erhält auch die gleiche Kleidung von Toby und Philipp.

Der zweite Teil thematisiert den Aufstieg von Frauen über einen erfolgreichen Partner. Hier ist es Tennis-Star Sebastian (Darkow), der das Mädchen Kay (Lola Fuchs) zu seiner Begleitung erkoren hat. Sind die Gäste zunächst von Kay noch angetan „Es muss schön sein, einen Menschen aus dem Dreck zu holen“, werden sie immer aggressiver.

Das Stück ist fetzig inszeniert, es fängt mit Punk-Rock an und bleibt auch sonst sehr musikalisch. Der große Kasten auf der Bühne (Bühnenbild und Kostüme Thilo Ullrich) dreht sich und auch sonst sind die Akteure in Bewegung (was sich für ein Stück, in dem Tennis eine Rolle spielt, nichts Ungewöhnliches sein muss).

Letztendlich zeigt das Stück wie schwer bis unmöglich es für Menschen „von unten“ ist, sich nach oben zu arbeiten. Sprache, Kleidung, Verhalten, die Unkenntnis über gewisse Regeln, alles lässt sie auffliegen. Selbstverleugnung scheint die einzige Möglichkeit zu sein, akzeptiert zu werden. Doch wie hoch ist der Preis.

Wer ein Stück sehen will, das leider immer noch aktuell ist, sollte sich „La Chemise Lacoste“ unbedingt anschauen. Mehr Informationen unter https://www.theaterdo.de/produktionen/detail/la-chemise-lacoste/.