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Herzensbildung schlägt Bücherwissen

Zum Abschluss der russischen Kulturtage im Kinder- und Jugendtheater präsentierte das Akademische Jugendtheater aus Rostow am Don am 13. Oktober 2019 das Stück „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“. Das Stück von Éric-Emmanuel Schmitt über die schwierige Zeit des Erwachsenwerdens ist inzwischen zu einem Klassiker der Toleranz und des Verständnisses geworden.

Die Geschichte spielt irgendwann in den 50er/60er Jahren: Der elfjährige Moses, der von Monsieur Ibrahim Momo genannt wird, lebt mit seinem Vater, der Rechtsanwalt ist, in einer Wohnung in der Rue Bleue in Paris. Seine Mutter, sowie seinen Bruder Popol hat er nie kennengelernt. Sein Vater ist gefühlskalt zu ihm und vergleicht ihn mit seinem perfekten Bruder Popol. Zuneigung findet Moses nur in den Armen der Prostituierten und in Monsieur Ibrahim, den Inhaber eines kleinen Kolonialwarenladens. Als sein Vater Selbstmord begeht, wird Monsieur Ibrahim sein Vater-Ersatz und tritt später in seine Fußstapfen. Zusätzlich findet er einen späten Frieden mit seiner Mutter.

Das kleine Skelly verwandelte sich im Nu in eine alte Pariser Straße mit ihren kleinen Läden. Dank eines Kastens, der sich durch Öffnen in einen Kramladen verwandelte und die typische Musik der damaligen Zeit. Trotz der Sprachbarriere – die Schauspieler sprachen natürlich Russisch – konnte man Dank der Texteinblendungen an der Seite der Handlung gut folgen.

Monsieur Ibrahim erklärt Momo die Feinheiten des Lebens. (Foto: © Akademisches Jugendtheater Rostow am Don)
Monsieur Ibrahim erklärt Momo die Feinheiten des Lebens. (Foto: © Akademisches Jugendtheater Rostow am Don)

Schmitt stellt den Sufismus in den Mittelpunkt seines Stückes. Die Toleranz dieser Richtung des Islams steht im Gegensatz zu strengen, gesetzestreuen Auslegung des Korans. Daher trinkt Ibrahim, der im übrigen kein Araber ist, sondern Türke, auch gerne einen Anisschnaps trinkt. Ibrahims Grundsatz uist: „Ich glaube nicht an Bücher“. Im Gegensatz zu Moses‘ Vater, der viele Bücher liest, dessen Buchwissen ihn kalt gemacht hat.

Dabei hat Moses‘ Vater kein leichtes Leben: Seine Eltern wurden von den Nazis ermordet und seine Frau hat ihn verlassen. Zudem erfindet er einen imaginären Bruder für Moses: Popol, der perfekt und unerreichbar. Für einen Heranwachsenden ist es sicher mit das Schlimmste, ständig mit jemanden verglichen zu werden, der dieses oder jenes besser kann als man selber. Ibrahim gibt ihm hingegen die Wertschätzung, die er von seinem Vater nicht bekommt.

Die vier Schauspielerinnen und Schauspieler erwecken auf faszinierende Weise die Geschichte zum Leben. Musik und ein paar Requisiten genügen ihnen völlig. Auch der Humor durfte nicht fehlen, als beispielsweise Brigitte Bardot für Filmaufnahmen in der Nähe ist und den Laden von Monsieur Ibraim besucht. Die Derwischkostüme am Anfang und Ende des Stückes lassen die mystische Richtung des Sufismus greifbar werden. Eine gelungene Aufführung.