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Eine Reise durch die Nacht mit Lucia Lacarra und Mathew Golding

Liebe, viel ist darüber geschrieben worden, die fantastischsten Dramen, die wunderbarsten Romanzen und natürlich getanzt … auch über die unmöglichen, verbotenen Lieben, wie im Schwanensee. Für mich ist der Schwan ein Synonym für eine andere geliebte Person, als die weibliche, die nicht gesellschaftlich tolerierte.

Aber zu unserer Premiere zurück.
„In the Still of the Night“ ist die neueste Arbeit von Lucia Lacarra und Mathew Golding. Sie hatten sich schon mit Fortlandia als neues Kreativpaar der internationalen Tanzwelt in Dortmund vorgestellt, und mit der Eigenproduktion einen Zustandsbericht zum globalen Stillstand abgegeben.

Liebe, in ihrem Beginn wohnt das Ende. Sie ist aufregend, blendend, erfüllend, verstörend durch Ängste von Verlust und wieder Einsamkeit, beides setzen Lacarra und Golding fantastisch in ihren Pas de Deux im Film und auf der Bühne um. Morgen ist jetzt! Die Momente und Augenblicke reihen sich. Man spürt regelrecht den Herzschlag der Liebenden. Man ahnt aber auch das Drama, das jeden Moment zuschlagen könnte.

Bis … bis, dass das Schicksal zuschlägt. Ist es wirklich der Unfall? Oder ist er nur ein Synonym für das Scheitern der Liebe?
Der Schmerz, der danach kommt, ist der Gleiche in beiden Fällen. Er ist tötend. Er ist wie Lehm, der sich über einen legt und förmlich erstickt. Die Einsamkeit, die folgt, ist erschlagend und laut, unerträglich und man spürt den Menschen, den man sich herbeisehnt, ersehnt, erfühlt wie eine Realität.

Die letzte Szene gibt etwas zum Nachdenken zur getanzten Beziehung … aber auch für Zuschauer. Vor allem diejenigen unter uns, die eine schmerzhafte Trennung durchlebt haben.

Das Tanztheater von Lacarra und Golding lässt uns eine intensive Liebe erleben, nicht unsere, aber eine schöne, eine schreckliche, eine brutale Liebe.
Das Stück ist eine kreative Union zwischen Film und Bühne, die unterschiedliche Musikstile verbindet und dabei etwas Neues, sehr kraftvolles auf die Bühne zaubert und fesselt.

Musik von Five Satins, Philip Glass, Ben E. King & The Drifters, Edith Piaf, Max Richter, Righteous Brothers, The Ronettes,
Tänzer – Lucia Lacarra, Mathew Golding
Konzept und Inszenierung, Choreographie, Filmregie – Mathew Golding
Video – Valeria Rebeck, Craneo Media

Lucia Lacarra und Mathew Golding zelebrieren die Zustände der Liebe. (Foto: © Leszek Januszewski)
Lucia Lacarra und Mathew Golding zelebrieren die Zustände der Liebe. (Foto: © Leszek Januszewski)

Fordlandia – zwischenmenschliches Zauberballett von Lucia Lacarra und Matthew Golding

Der Lockdown und die Grenzsperrungen führten dazu, dass manche Paare für eine lange Zeit getrennt blieben. Besonders dramatisch war diese Zeit für ein Ballettpaar wie Lucia Lacarra und Matthew Golding, die nicht zusammen arbeiten konnten. Die Lehren aus dieser Zeit verarbeiteten beide zu einem emotionalen Programm, das den Titel „Fordlandia“ trägt. Ein Premierenbericht vom 19.09.2020.

Fordlandia ist eine Mischung zwischen Ballettfilm und realer Aktion auf der Bühne. Zunächst werden einige Zeit Bilder von Matthew Golding und Lucia Lacarra auf der großen Leinwand im Hintergrund gezeigt, während die beiden parallel auf der Bühne beinahe synchron die Choreographie „Stillness“von Anna Hop zur Musik von Chopin tanzten. Dieses doppelte Paar tanzen zu sehen, der Kontrast und die Gleichheit mit den Kinobildern war eine spannende neue Sichtweise.

Leider war das folgende Stück „Close“ dem vorangegangenen zu ähnlich. Die gleiche Choreografin und der gleiche Komponist. Glücklicherweise änderte es sich mit „Snow Strom“, das Programm nahm Fahrt auf. Hier begannen Lucia Lacarra und Matthew Golding im Film zwischen Bäumen zu tanzen. Auf der Bühne tanzte Golding ein wenig parodistisch nach der Musik von Georgi Swiridov einen klassisches Pas de deux.

Begeisterten das Publikum mit ihrem Programm "Fortlandia": Lucia Lacarra und Matthew Golding. (Foto: ©  Leszek Januszewski )
Begeisterten das Publikum mit ihrem Programm „Fortlandia“: Lucia Lacarra und Matthew Golding. (Foto: © Leszek Januszewski )

Der Höhepunkt des Abends war mit Sicherheit das Stück „Fordlandia“ nach der Choreographie von Juanjo Arqués. Während die Kinobilder das Meer zeigen und Lucia Lacarra auf einer Klippe, verwandelte sich die Bühne dank eines riesigen Stoffbandes, blauem Licht und Wind zu einem wilden Meer in dem die Beiden tanzten. Sehr beeindruckend für die Zuschauer.

In „Pile of Dust“ ebenfalls von Juanjo Arqués konnten wir weder Meer noch Wald erblicken, sondern die beiden Tänzer erschienen uns in Spektralfarben wie tanzende Geister. Romantisch wurde es am Ende bei „After the Rain“. Bei ruhiger Musik von Arvo Pärt und einem Hintergrundbild mit lila Wolken, zeigen die Lucia Lacarra und Matthew Golding, dass es nach der schweren Zeit auch wieder Zeichen der Hoffnung gibt und das ein neuer Morgen kommt.

Lucia Lacarra und Matthew Golding zeigten ein beeindruckendes Ballettprogramm. Sehr emotional, technisch sehr hochstehend, der Hoffnung macht auf eine Zeit ohne Beschränkungen und Lockdowns.

Der Titel „Fordlandia“ ist nach dem gescheiterten Projekt von Henry Ford benannt. Die Stadt in Brasilien sollte eine große Kautschukplantage beherbergen. Doch ökologische Probleme und kulturelle Unterschiede zwischen US-Amerikanern und Brasilianern führte zum Niedergang. Jetzt leben nur noch 2.000 Einwohner dort.

Mehr Informationen zu Terminen und Karten unter www.theaterdo.de

Rachmaninow / Tschaikowsky – ein emotionales Ballett von Xin Peng Wang

Mit der Premiere seines neuen abstrakten Balletts „Rachmaninow / Tschaikowski“ brachte Xin Peng Wang am 11.11.2017 im Dortmunder Opernhaus eine weitere Facette im Ballett auf den Weg. Gemeinsam mit den bewährten Mitarbeitern, seiner Compagnie und Mitgliedern des NRW Juniorballetts entwickelte er eine Choreografie, bei der es vor allem um Emotionen geht.

Inspiriert vom 3. Klavierkonzert von Sergej Rachmaninow (1873 – 1943) und der 6. Symphonie von Peter I. Tschaikowsky, begab er sich an die Schnittstelle von Kunst und Leben. Diese beiden Werke sind zum einen eng verwoben mit der persönlichen Biografie der beiden Komponisten, zum anderen bieten sie eine gute Spiegelfläche für die Projektion unser eigenen Gefühle in seiner Vielfalt. Ein Gelegenheit, sich mit den aufkommenden Gefühlen auseinander zu setzen und sich ihrer Verdrängung bewusst zu werden. Der bewegenden Musik wird eine weitere Dimension durch die moderne Ballettkunst hinzu gefügt.

Verstärkend dabei wirkt die Tatsache, dass die Musik live von der Dortmunder Philharmoniker unter der erfahrenen Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz sensibel begleitet wird.

Rachmaninow, dessen Werk trotz seiner Beliebtheit bei der russischen Bevölkerung von Kollegen und Presse als „schmalzig“ bezeichnet wurde, litt selber an den Anforderungen der „Spießer“ und war Schwermütig. Einfach Mensch sein war sein Wunsch. Das verband ihn mit Tschaikowsky.

Der erster Teil des Abends war dem 3. Klavierkonzert von Rachmaninow gewidmet. Am Flügel auf der Bühne saß der renommierte Pianist Nicolai Tokarev und verzauberte das Publikum mit seinem empathischen Spiel.

Als sichtbares Zeichen der Abstraktion traten die Tänzerinnen und Tänzer nach und nach in den gleichen engen blauen Ganzkörper-Anzügen auf die Bühne, das Individuum war nicht zu erkennen. Ein tiefer „Seelenblick“ in die Kunstwerke und unsere eigenen Emotionen folgte. Eine begehbare Weltkarten-Konstruktion im hinteren Bereich wurde mit in die Kreation einbezogen. Dieser Teil zeichnet sich durch eine Mischung aus kraftvoller Athletik und gefühlvoll-sentimentalen Passagen aus. Neben der Compagnie überzeugten die beiden Solisten Denise Chiarioni und Giacomo Altovino.

Das Ensemble in blauen Anzügen zu Rachmaninows Musik. Xin Peng Wang symbolisiert hier deutlich den Verlust der Individualität. (Foto: © Ballett Dortmund)
Das Ensemble in blauen Anzügen zu Rachmaninows Musik. Xin Peng Wang symbolisiert hier deutlich den Verlust der Individualität. (Foto: © Ballett Dortmund)

Als Teil zwei des Abends folgte nach der Pause die emotionale nach innen gerichtete 6. Symphonie von Tschaikowsky. Die TänzerInnen waren hier offener und spärlicher bekleidet und von der Decke wurden zwei hell schimmernde Hohlraum-Konstruktionen herunter gelassen. Dies war ein Sinnbild für den Hohlraum, den das Publikum mit seine eigenen Emotionen auffüllen konnte. Einen starken und großen Part hatten hier die exzellenten Solisten Lucia Lacarra und Marlon Dino. Die Dortmunder Ballett-Compagnie und das NRW Juniorballett überzeugten in den temperamentvollen, bunten Abschnitten.

Der enorme Kraftakt für diesen zwei geteilten Abend war gelungen und das Premieren-Publikum begeistert. Um es mit Udo Lindenberg zu formulieren: „Das ging ganz tief rein“.

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Hoffnung auf Erlösung!?

Faust (Marlon Dino) im Banne von Helena (Lucia Lacarra). Foto: ©Bettina Stöß, Stage Picture
Faust (Marlon Dino) im Banne von Helena (Lucia Lacarra). Foto: ©Bettina Stöß, Stage Picture

Nach „Faust I – Gewissen“ hat sich Ballettdirektor Xin Peng Wang als erster Choreograf nun an „Faust II – Erlösung!“ heran getraut. Er tat dies mit einen auffallend klaren Bezug zu unserer aktuellen globalen Realität. Verzweifelte Flüchtlingen, die um ihr Leben kämpfen und oft genug bei ihren gefährlichen Überfahrten elendig ertrinken. Die Bilder sind uns allen vor Augen. Die Fragestellung in Goethes Alterswerk „Faust II“ ist von nicht nur (gerade) heute von aktueller Brisanz. Schafft es der Einfluss des „Bösen“ (etwa Profitgier auf Kosten anderer, Vergnügungssucht), repräsentiert von Mephisto; den Menschen, in diesem Fall Faust, von dem Weg der selbstbewusst-selbstlosen Mitmenschlichkeit für immer fern zu halten?

Faust gelingt dies erst nach einer langen traumhafte Odyssee durch verschiedene Zeitepochen und und einem ernüchternden Liebeserlebnisses mit der schönen Helena. Erst im hohen Alter und kurz vor seinem Tod überwindet Faust seinen Egoismus. Er hat die Vision, den Meer Land für die Besitzlosen Flüchtenden abzutrotzen und einen Deich bauen zu lassen.

Eine der emotionalen Highlights war die Menschwerdung des „Homunculus“ als Symbol der Entfremdung von der Natur. Diese wurde musikalisch live auf der Bühne vom Cello begleitet.

Eine geniale Idee von Wang war allerdings die Zusammenarbeit mit dem renommierten chinesischen Lichtkünstler Li Hui. Seine gezielt und nicht überfrachtend eingesetzten Lichtinstallationen waren beeindruckend und sorgten mehrfach für einen Wow-Effekt.

So wurde für das Publikum zum Beispiel durch Lasereffekt der Eindruck von „realen Wellen“ auf der Bühne vermittelt, in denen flüchtende Menschen um ihr Leben rangen.

Gelungen war die Darstellung der „Walpurgisnacht“ als Mephistos Traum:. Eine Gesellschaft von als Affen verkleideter Tänzer und Tänzerinnen, die in der Glückswarteschleife eine Dauerparty feiert. Ein Festival mit verschiedenen Musikfragmenten und Musikparodien. Musikalisch wurde „Faust II“ live begleitet von der Dortmunder Philharmoniker und geleitet mit viel Feingefühl von Philipp Armbruster.

Das Zusammenspiel von klassischer und moderner Ballettkunst, gelungener Musikauswahl von Hans Abrahamsen, Lois Andriessen, Lucioan Berio, Michael Gordon, David Lang Pēteris Vasks und den Lichtinstallationen von Hui sorgte ein ganz besonderes emotionales Erlebnis für das Publikum.

Die Beteiligten von der Dortmunder Ballett-Compagnie zeigten wieder einmal ihr Können.

Daneben hatte Wang aber auch glänzende international renommierte Solisten wie Lucia Lacarra als Helena (Margrethe), Marlon Dino als Faust, Dann Wilkinson, Giacomo Altovino als Homunculus und das Sonnenkind Denise Chiarioni für seine Faust II – Inszenierung gewinnen können.

Einen berührenden Auftritt hatte Madita Herzog, die symbolisch stand für alle Kinder, die während ihrer Flucht gestorben sind. Wer denkt da nicht an den kleinen Aylan, der tot an den Mittelmeer-Strand angespült wurde. Was bedeuten uns die Werte-Ideale von Goethe? Ist das sogenannte Abendland und ins besondere die privilegierte reiche Oberschicht bereit, den Schutzsuchenden und der ärmeren Bevölkerung Überlebensräume und Lebensperspektive zu schaffen?

Es war ein ganz besonderes Ballett-Erlebnis.

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