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Der Riss durch die Gesellschaft – Kinderkriegen 4.0

Wenn es einen Riss durch die Gesellschaft gibt, dann ist es die Aufteilung in Eltern und Kinderlose. Wenn Freund*Innen irgendwann Eltern werden, dann verändert sich viel. Das Kind erfordert Aufmerksamkeit, gemeinsame Treffen werden komplizierter und die Gesprächsthemen drehen sich mehr und mehr um die Kinder. Eltern lernen andere Eltern kennen somit bilden sich neue Freundeskreise. Aber Eltern sind weiteren Problemen ausgesetzt: Wie erziehe ich die Kinder? Von antiautoritär bis Helikopter-Eltern, die Bandbreite ist riesig und immer wieder ein Streitpunkt.

Diese Themen wurden im Stück „Kinderkriegen 4.0“ von Kathrin Röggla unter der Regie von Schauspielintendantin Julia Wissert am 19. März 2022 angesprochen. Ein Premierenbericht.

Martina Eitner-Acheampong, Linda Elsner, Bettina Engelhardt, Ekkehard Freye, Christopher Heisler, Nika Mišković, Adi Hrustemović sowie der Dortmunder Sprechchor auf der Leinwand.(Foto: © Birgit Hupfeld)
Martina Eitner-Acheampong, Linda Elsner, Bettina Engelhardt, Ekkehard Freye, Christopher Heisler, Nika Mišković, Adi Hrustemović sowie der Dortmunder Sprechchor auf der Leinwand.(Foto: © Birgit Hupfeld)

Schon die Charaktere, die Röggla mit- und gegeneinander auftreten lässt, zeigen die Richtung, in die es gehen soll. Da sind die späten Eltern (Ekkehard Freye und Bettina Engelhardt), die natürlich versuchen mit der Reife ihres Alters zu punkten. „Wir haben unsere eigenen Ideen wie wir Kinder großziehen. Also Prinzipien.“ Dazu kommt eine Figur, die als „Rabenmutter“ bezeichnet wird (gespielt von Nika Mišković). Ihre Kinderzahl ist unbekannt und sie wird von ihrem Umfeld wegen des Umgangs mit ihren Kindern kritisiert. („Wildfremde Menschen ermahnen mich, bei meinem Kind zu bleiben!“). Dazu kommt die Oma (Martina Eitner-Acheampong). Sie ist in den 60er und 70er Jahren sozialisiert worden, ihre Tochter scheint diese Art von Feminismus aber nicht mehr zu interessieren. Oma lässt sich als Kindermädchen für ihre vier Enkel einspannen, wenn auch nur widerwillig. Die Kinderlose (Linda Elsner) fühlt sich naturgemäß ausgeschlossen. („Ich würde gerne hier mitreden, aber darf man ja nur mit einem Kind oder zwei“). Der Bundestagsabgeordnete (Adi Hrustemović) hat eine zwiespältige Rolle. Man weiß nicht, ob er Kinder hat oder nur sagt, dass er welche hätte, um sich beliebt zu machen. Christopher Heisler spielt den engagierten Vater von Henry, der zwar nicht zu sehen, aber anscheinend immer dabei ist. Heislers Kostüm ist übersät von Teddybären und er scheint engagiert zu sein, wenn nicht sogar überengagiert („Sollen wir in dieser Wellnessbude lieber in die Sauna oder ins Kinderkino“).

Das Stück ist eine gute Satire und die Dialoge zwischen den Charakteren sind pointiert. Klar, es ist klischeehaft, aber was soll‘s, denn die Personen könnten einem im wirklichen Leben begegnen. Die Frage nach dem Kinderkriegen (dürfen wir in diese Welt noch Kinder setzen) und der richtigen Erziehungsmethode (Prinzipien!) sorgt für stetigen Output im Ratgebersegment.

Die Bühne wird effektiv genutzt, die rampenähnlichen Bauteile können so schnell zu einem ICE-Abteil oder zu einem Wellnesshotel umfunktioniert werden. Hinzu kommt die digitale Welt auf die Leinwand. Hier sind der Dortmunder Sprechchor und Marlena Keil zu sehen.

Am Ende sind wir nicht schlauer, eine Handlungsempfehlung kann es auch schlecht geben, aber wir haben uns gut unterhalten über die Nöte und Sorgen von Menschen mit und ohne Kinder.