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Istanbuler Geschichten von Außenseitern

Zwei Zeitebenen überlagern sich: Ahmet aus den 80er Jahren sowie Markiz und Eleni aus dem Jahr 1955. (Foto: © GalataPerform)
Zwei Zeitebenen überlagern sich: Ahmet aus den 80er Jahren sowie Markiz und Eleni aus dem Jahr 1955. (Foto: © GalataPerform)

Mit „İz – die Spur“ präsentierte am 07. April das Schauspielhaus Dortmund das dritte Stück der Gastspielreihe „Szene Istanbul“. „İz“ von Ahmet Sami Özbudak, aufgeführt von GalataPerform, ist ein sehr politisches Stück. Es erzählt die Geschichte einer Wohnung in Istanbul und das Schicksal ihrer Bewohner zu verschiedenen Zeiten.

Drei Handlungsebenen werden auf der Bühne parallel erzählt. Es wirkt beinahe so, als ob man drei Filme übereinander sieht. Die große Kunst der Theatergruppe von GalataPerform ist, dass alle drei Ebenen nebeneinander laufen, ohne dass Chaos herrscht oder irgendetwas unverständlich ist. Die Zuschauer sehen nur einen Raum der Wohnung live, doch mittels Videokameras wird das Geschehen in den beiden anderen Räumen auf zwei Fernsehern gezeigt. Zu Beginn erfordert es etwas Anpassung, doch mit der Zeit gewöhnt man sich daran, zumal die wichtigen Teile der drei Handlungsstränge im vorderen Raum passieren. Die türkischen Texte wurden zudem noch in deutscher Übersetzung als Übertitel gezeigt.

Die drei Geschichten handeln von Außenseitern in der Istanbuler Gesellschaft: Christen, Kommunisten und Homosexuelle. Sie spielen zu verschiedenen Zeiten, haben aber alle eine Botschaft: Toleranz gibt es für sie nicht.

So verlassen die beiden griechisch-türkischen Schwestern Markiz und Eleni nach den Pogromen im September 1955 die Stadt, obwohl sie sich eigentlich immer als Istanbulerinnen gefühlt haben. Sie sind zwei Schicksale von den 100.000 Griechen, die der Türkei danach den Rücken gekehrt haben.
Ihre Mutter, die sie in ihrem Zimmer zurückgelassen haben, umgibt ein Geheimnis. Was sie für eine Krankheit hat oder was mit ihr geschehen ist, weiß niemand genau. Diese Mutter wurde jedenfalls längere Zeit nicht mehr öffentlich gesehen und ist so etwas wie der Geist des Hauses.

Die zweite Zeitschleife spielt 1980. Keine gute Zeit für Linke, denn in der Türkei herrschte die Militärdiktatur unter General Kenan Evren. Ahmet, der linke Aktivist, der als Art Untermieter in der Wohnung lebt, muss seine Bücher vor dem Zugriff von Polizei und Geheimdienst verstecken. Doch kommt ihm sein Vermieter auf die Schliche und verrät ihn an die Polizei, die ihn erschießt.

Um das Jahr 2000 spielt die letzte der drei Geschichten. Transvestit Sevengül und sein Liebhaber Rizgar leben ebenfalls in der besagten Wohnung, doch als Rizgar Probleme beim Drogenhandel bekommt und sein kurdischer Cousin auftaucht, kommt es zur Katastrophe.

„İz“ ist ein Stück über Minderheiten in Istanbul, es fängt sehr langsam an, steigert aber seine Intensität fast ins Unerträgliche, beispielsweise als Markiz von ihrer Vergewaltigung in einer zerstörten Kirche erzählt. Das lag auch an den guten Leistungen der Schauspieler, die ihre Charaktere glaubhaft darstellen konnten.

Schauspiel Dortmund präsentiert Istanbuler Theaterszene

 

Unter dem Begriff „Szene Istanbul“ startet das Schauspiel Dortmund in Kooperation mit dem Theater an der Ruhr in Mülheim eine Gastspielreihe in türkischer Sprache. Die vier Stücke geben nicht nur einen Einblick in die freie Theaterszene der Türkei, sondern sollen auch ein Angebot an die hier lebenden Türken sein, das Dortmunder Theater kennenzulernen.

 

„Wir holen Istanbul nach Dortmund“, erzählte Dramaturg Michael Eickhoff auf der Pressekonferenz. Und die Stücke laufen nicht nur nebenher auf irgendwelchen Probebühnen, sondern „fast alle Stücke werden auf der großen Bühne gespielt“.

 

Alle auftretenden Gruppen haben ihren Mittelpunkt in Beyoğlu, dem kreativen Stadtteil von Istanbul, unterhalb des Taksim-Platzes gelegen. Beyoğlu ist im übrigen auch Partnerstadt(teil) von Dortmund. Bis auf das stark musikalisch geprägte Stück „Ҫinka“ sind alle Stücke Deutsch übertitelt.

 

Zu Beginn erleben die Zuschauer am 01. Februar 2014 um 19.30 Uhr Antoine de Saint-Exupérys Klassiker „Der Kleine Prinz – Küҫük Prens“. In der Inszenierung der Gruppe Bitiyatro zeigt den Helden der Fabel als einen alternden Clown. Das Familienstück ab 12 Jahren geht etwa eine Stunde und kostet 11 € (ermäßigt 6 €).

 

Einen musikalischen Abend verspricht „Ҫinka“. Am 23. Februar um 18 Uhr steht die große Bühne dem Musiker Birol Topalğlu offen. Zusammen mit dem Choreograph und Performer Yiğit Sertdemir erforscht Topalğlu die Geschichten und Mythen seiner Heimat, der türkischen Schwarzmeerküste. Die Besucher können sich auf traditionelle Instrumente freuen wie der Tulum, eine Sackpfeife.

Das Stück dauert etwa 75 Minuten und die Preise gehen von 9 € bis 23 €.

 

Politisch wird es am 14. März um 19:30 Uhr mit „Du bist tot, kapiert? Öldün, duydun mu?“ von Yiğit Sertdemir. In dem Stück wird ein Mann im Jenseits einer Prüfung unterzogen, um eventuell eine zweite Chance zu bekommen. In dieser sarkastischen Farce, die an Satres „Das Spiel ist aus“ erinnert, geht es um die traumatisierende Erfahrung der Menschen, die in ihrer Jugend die Herrschaft des türkischen Militärs in den 1980er Jahren, erfahren haben. Das Stück dauert etwa 70 Minuten und die Preise gehen von 9 € bis 23 €.

 

Zum Schluss der Reihe steht am 07. April um 20 Uhr im Studio ein sehr experimentelles Stück auf dem Spielplan. „Die Spur – Iz“ von Ahmet Sami Özbudak handelt von einem Haus, in der zu verschiedener Zeit unterschiedliche Menschen leben. 1955 leben dort griechisch-türkische Geschwister, die während der Unruhen 1955 ihr Haus verlassen müssen. 1980 lebt dort der revolutionäre Kommunist Ahmet, der nach dem Militärputsch untertauchen muss. Um das Jahr 2000 leben dort der Transvestit Sevengül und sein Liebhaber Rizgar. Alle drei Geschichten werden parallel erzählt und verweben sich im Laufe des Stückes immer mehr miteinander. „Wie wir das genau präsentieren, ist noch unklar“, erklärte Eickhoff. Das Stück dauert etwa 90 Minuten und die Karte kostet 15 € (ermäßigt 10 €).

 

Zu den beiden letztgenannten Stücken wird es eine moderierte Nachbesprechung geben.

 

Karten für die ersten beiden Veranstaltungen sind schon zu bestellen unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27 222.