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Ein Fest für die Sinne – Im Irrgarten des Wissens

Mit „ Im Irrgarten des Wissens“ unter der Regie von Thorleifur Örn Arnarsson schenkt uns das Schauspiel Dortmund ein Sommerstück der besonderen Art. Zwar war die Hauptaktion auf der großen Bühne, doch es gab Installationen und Ausstellungen im ganzen Schauspielhaus. Was dort ablief, ist schwer in Worte zu fassen, aber hier ist der Versuch eines Premierenberichtes vom 25. Mai 2019.

Die Nebelmaschinen mussten ganze Arbeit leisten, bis sie die große Bühne eingehüllt hatten. Dann zog ein einsamer Gartenzwerg seine Bahnen, bis das Ensemble langsam auf die Bühne kam. Der erste Programmpunkt – wie sollte es anders sein – waren unterschiedliche Schöpfungsmythen aus verschiedenen Ländern wie Grönland, dem Benin oder Borneo. Dabei wurde eine immer lauter werdende infernalische Musik gespielt, die das Schauspielensemble letztendlich zu wilden Tänzen animierte.

Archaischer Beginn im "Irrgarten des Wissens". Foto: © Birgit Hupfeld)
EnsembleArchaischer Beginn im „Irrgarten des Wissens“. Foto: © Birgit Hupfeld)

Insgesamt dauerte das Spektakel fünfeinhalb Stunden. Jeden Programmpunkt einzeln zu beschreiben, würde gnadenlos den Rahmen sprengen, was Daniel Angermayr (Bühne) und Mona Ulrich (Kostüme) auf die Bühne zauberten, war schlichtweg atemberaubend. Hervorzuheben war der sehr persönliche Text „Danke, Deutschland“, gesprochen von Alexandra Sinelnikova, Die Schauspielerin, die in Russland geboren wurde, reflektiert ihren Bezug zu Deutschland. Marlena Keil war nicht nur als Sicherheitsexpertin eine Wucht, sondern präsentierte den Text von Terry Pratchett „Die Sommerfrau und der Wintermann“ gekonnt witzig. Uwe Schmieder konnte sich nicht nur mit Merle Wasmuth bei „Adam und Eva in der Wanne“ zu Genderrollen in Schöpfungsmythen unterhalten, sondern er dirigerte auch „4‘33‘‘“ von John Cage. Gabriel Cazes begleitete das Ensemble auf unterschiedlichen Tasteninstrumenten.

Danach gab es die Möglichkeit, sich im Foyer, im Studio und in den Zwischenetagen aufzuhalten. Im Foyer gab es die „Bibliothek des Wissens“ per Kopfhörer zu bestaunen, in Institut konnten die Besucher sich die Videoinstallation „In the beginning“ anschauen. Sehr meditativen Charakter hatte die Installation „Meet yourself“, bei der mann ubnter anderem Reis und Linsen zählen konnte.

Danach konnten die Besucher wieder zum großen Saal zurückkehren, um sich weiterhin im „Irrgarten des Wissens“ zu verlaufen, bei der auch der Dortmunder Sprechchor einen Auftritt hatte.

Alles in allem ist „Im Irrgarten des Wissens“ ein opulentes Fest für die Sinne, das auf jeden Fall den Rahmen eines „normalen“ Theaterabends sprengt. Nicht nur durch die Länge. Es ist in gewisser Weise vergleichbar mit der Wucht vom „Goldenen Zeitalter“ oder der „Borderline Prozession“, aber es ist ein eigenständiges Werk. Ich kann interessierten Besuchern nur empfehlen, sich auf diesen Irrgarten einzulassen und sich durch die Macht der Bilder und die Kraft der Musik auf eine Reise schicken zu lassen. Wo das Ziel ist? Das ist vermutlich bei jedem verschieden. Doch ist nicht schon der Weg das Ziel?

Infos zu Terminen und Karten unter www.theaterdo.de

„Irrgarten des Wissens“ als theatrale Sinfonie

Am 25. Mai 2019 um 18:00 Uhr hat im Schauspiel Dortmund als letzte Premiere in dieser Spielzeit die Stückentwicklung „Im Irrgarten des Wissens“ unter der Regie von Thorleifur Örn Arnarsson seine Premiere. Er komponiert gemeinsam mit dem Autor Mikael Torfason eine Art theatrale Sinfonie über Grenzbereiche des Lebens, Geburt und Tod, Vergänglichkeit, die persönliche Perspektive von Geschichte und das Vergessen. „Geschichte ist eine Spirale und die Motive treten leicht verändert wieder auf“, so der Regisseur.

Arnarsson ist ein Regie-Shootingstar, der den Faust-Theaterpreis 2018 für seine „Edda-Inszenierung“ in Hannover erhalten hat und ab der Spielzeit 2019/2020 Schauspieldirektor an der Berliner Volksbühne tätig sein wird.

Für ihn ist Theater ein gesellschaftlicher Ort, ein „Labor im geschützten Rahmen, um gesellschaftliche Prozesse zu reflektieren“. Dabei sind die Ensemble-Mitglieder mit ihren persönlichen Blickwinkeln und Erinnerungen eine wichtige Kraftquelle.

Das Projekt wird eine kollektive Mammut-Aufgabe, bei der das gesamte Ensemble samt Sprechchor, alle Abteilungen des Schauspiels wie die Technik, Multimedia-Abteilung, Dramaturgie, Beleuchtung, Ton, Maske und Garderobe zusammenwirken.

Dieses mehrstündige Sommertheaterspektakel geht quer durch das Schauspiel und betrifft auch das Foyer oder den Theatervorplatz.

Die beteiligten Akteure schöpfen nicht nur aus dem reichhaltigen Gedächtnis von über 3000 gelebten Jahren, sondern weben auch ihre ganz persönlichen Erinnerungen zu einem rauschhaften Geflecht aus Geschichten, Szenen, Bildern und Musik.

Material für dieses Abenteuer sind 100 Personen aus der Menschheitsgeschichte, wie Sisyphos, Mozart, Juri Gagarin, Magda Goebbels bis hin zu Beyoncé oder Susan Sontag. Ergänzt wird es durch die Biografien von Dortmunder Bürgern der Gegenwart. „Das Theater ist der einzige Ort, wo ein kollektives Zusammentreffen und Auseinandersetzung mit der Gesellschaft stattfindet“, erklärte der Regisseur. Das Publikum bekommt zunächst eine Art „Landkarte“ für den Abend.

Es beginnt im Zentrum des Schauspiels auf der Bühne. Dort ist alles zunächst nur schemenhaft zu erkennen. Die Drehbühne fährt ihre Runden. Dann erscheint ein Mensch in der Stille und erzählt seine Geschichte …

Nicht nur wie hier auf der großen Bühne, sondern auch an anderen Orten kann der "Irrgarten des Wissens" besucht werden. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Nicht nur wie hier auf der großen Bühne, sondern auch an anderen Orten kann der „Irrgarten des Wissens“ besucht werden. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Somit entsteht ein Theatererlebnis, das sich von der großen Bühne wie ein Flusslauf auf das ganze Theatergebäude zieht, wo eine immer persönlichere Auseinandersetzung in Form eigener Texte der Schauspieler und Performances möglich ist. Man könnte aber auch auf seinem Platz im Schauspiel sitzen bleiben und verfolgen, was dort weiter passiert. Für die Livemusik auf der Bühne ist der französische Multi-Instrumentalist Gabriel Cazes verantwortlich.

„Im Irrgarten des Wissens“ ist ein bildgewaltiges und intimer gesellschaftlicher Mikrokosmos über die Grenzbereiche des Lebens, für das man viel Zeit lassen sollte.

Deshalb finden am Premieren-Tag und an den Vorstellungen am Wochenende jeweils in einer ca. sechsstündigen Extendet Version (Beginn 18:00 Uhr) statt. Unter der Woche wird eine gekürzte Version (Beginn 19:30) gespielt.

Informationen zu den weiteren Vorstellungsterminen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder 0231/ 50 27 222.