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Familienoper im perfektem Licht

Hänsel (Ileana Mateescu) und Gretel (Julia Amos) verirrten sich im Wald. (Foto: © ©Anke Sundermeier)
Mit Smartphone wäre das nicht passiert: Hänsel (Ileana Mateescu) und Gretel (Julia Amos) verirrten sich im Wald. (Foto: © Anke Sundermeier)

„Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck ist ein Klassiker. Seine kindgerechte Bearbeitung des Grimmschen Märchen steht in Regelmäßigkeit auf den Spielplänen der Theater. Regisseur Erik Petersen tat gut daran, den Stoff nicht krampfhaft zu modernisieren, sondern wie bei seiner vorherigen Arbeit „La Cenerentola“ einige visuelle Highlights zu setzen. Neben den fantastischen Kostümen und dem aufwändigen Bühnenbild, war vor allem das Lichtdesign ein Hingucker. Ein Premierenbericht vom 08. November 2015.

Die Lebenssituation von Selbstständigen scheint in Petersens Inszenierung extrem schlecht zu sein, denn die Eltern von Hänsel und Gretel haben Mühe über die Runden zu kommen. Die Mutter (Martina Dike) unterrichtet als Lehrerin für Lebensmittel und der Vater (Sangmin Lee) ist als Besenbinder eine Art „Ich AG“. Die Behausung der Familie erinnert ein wenig an das berühmte Bild von Spitzweg mit dem armen Poeten, das Dach ist im Eimer und die Töpfe sammeln das Regenwasser. Klar ist auch, dass es in dieser Zeit kein Arbeitsschutzgesetz gibt und die Kinder kräftig mithelfen sollen. Gretel (Julia Amos) soll Strümpfe stricken und Hänsel (Ileana Mateescu) seinem Vater nachfolgen und Besen binden.

Diese fast schon pittoreske Situation verändert sich im zweiten Bild völlig. Denn Vater kommt mit Lebensmitteln zurück und Mutter muss ihm beichten, dass sie die Kinder in den Wald geschickt hat. Die Szenerie wird etwas gruseliger als der Vater das „Hexenlied“ anstimmt. Türen öffnen sich und am Ende tanzt eine in roten Licht getauchte Hexengestalt über dem Szenario.

Auch im Wald geht es bald gruselig zu. Nach dem bekannten „Ein Männlein steht im Walde“ senkt sich der Abend über die Kinder und unheimliche Gestalten und Irrlichter tauchen auf. Gut, dass der Sand- und Taumann (Tamara Weimerich) sowie 14 sterndurchflutete Engeln um die Kinder wachen.

Nach der Pause gelangen die Kinder ins Herrschaftsgebiet der Knusperhexe (Fritz Steinbacher) und das Schicksal nimmt ihren Lauf für die alte Dame: Sie wird von den Kindern ausgetrickst und landet im Ofen. Passend-erweise kommen noch die Eltern von Hänsel und Gretel vorbei und die von der Hexe verzauberten Lebkuchenkinder erwachen wieder zu neuem Leben.

Diese Inszenierung ist eine großartige Arbeit von Tatjana Ivschina (Bühne und Kostüme) und Florian Franzen (Licht). Beide zaubern ein märchenhaftes, buntes Ambiente, in der sich die Sängerinnen und Sänger sichtlich wohlfühlen. Das Hexenhaus besteht aus mehreren Etagen und ist liebevoll und detailliert ausgeschmückt. Ein optisches Highlight.

Gut aufgelegt war auch das Ensemble bei der Premiere. Mateescu gab einen frechen und übermütigen Hänsel, während Amos (mit roter Perücke), eine etwas schüchterne, aber zum Schluss entschlossene Gretel sang.

Großen Applaus gab es auch für Sangmin Lee, der einen herrlich überdrehten Vater spielte und dem man die Lust auf diese Rolle förmlich ansah. Eine kleinere, aber eindrucksvolle Rolle hatte Martina Dike als Mutter, die mit ihren Kindern überfordert war. Das Sandmännchen und das Taumännchen sind eine Erfindung von Humperdinck. In der Doppelrolle überzeugte Tamara Weimerich nicht nur gesanglich, sondern sorgte durch ihre Kostüme für ein märchenhaftes Erlebnis.

„Böse“ Rollen mit Charme und Humor zu spielen: eine Spezialität von Fritz Steinbacher. Nach einem Wiener Ganoven bei „Kiss me Kate“ singt er jetzt die Hexe.

Im Verlauf der Aufführungen wechselt die Besetzung ein wenig: Julia Amos und Tamara Weimerich tauschen ihre Rollen und anstelle von Steinbacher wird Kammersänger Hannes Brock die Hexe spielen.

Die Musik von Humperdinkc war bei Phillip Armbruster und den Dortmunder Philharmonikern in guten Händen, denn spät-romantische Musik gehört zu ihren Spezialitäten. Humperdinck kombiniert wagnerischen Pathos mit Kinder- und Volksliedern zu einer durchaus bekömmlichen Mischung.

Mehr Infos und Termine unter www.theaterdo.de