Schlagwort-Archive: Das Bekenntnis eines Masochisten

Ich werd‘ zum Pferd

Hüa, auf geht's. Die Verwandlung zum "Arbeitspferd" hat begonnen. Zu sehen sind Marlena Keil und Sebastian Graf. (Foto: © Edi Szekely).
Hüa, auf geht’s. Die Verwandlung zum „Arbeitspferd“ hat begonnen. Zu sehen sind Marlena Keil und Sebastian Graf. (Foto: © Edi Szekely).

Da hilft kein Protestieren oder Lamentieren. Aus den persönlichen Bedürfnissen des Herrn M hat die Gesellschaft gepfiffen und aus ihm ein Vorbild geschaffen. Mehr arbeiten bei weniger Lohn. Wer das kapiert, kann groß herauskommen, wer sich selbst ausbeutet, der hat die winzige Chance auf Reichtum. Die Groteske „Das Bekenntnis eines Masochisten“ von Roman Sikora. erzählt das Märchen vom Tellerwäscher zum Millionär auf eine durchaus pikante Art. Regisseur Carlos Manuel schickt die drei Schauspieler auf eine Tour durch die schöne neue Arbeitswelt, in der sich ja Leistung wieder lohnen muss.

Erzählt wird die Geschichte des Herrn M. Er ist Masochist, obwohl das Wort nicht fällt. Seine Bedürfnisse werden zunächst nicht erfüllt, selbst die Domina verlangt Regeln. Was tun? Herr M. flüchtet sich in die Arbeitswelt und erniedrigt sich durch Verausgabung. Das perfektioniert er so, dass er zu den Olympischen Spielen des Humankapitals eingeladen wird, die er gewinnt. Doch am Ende folgt die Enttäuschung: ein Leben in Luxus.

„Das Bekenntnis eines Masochisten“ ist eine wunderbare Groteske auf unsere Leistungsgesellschaft, die mit Kostenoptimierung und Lohndumping immer mehr von unten nach oben umverteilt und das alles auf dem Rücken des „Humankapitals“. Im dem Stück wird der Mensch durch eine Art spirituelle Erleuchtung sinnigerweise zum Pferd, das als Arbeitstier alles mit sich machen lässt. Die Realität bietet leider schon genügend Beispiele: Menschen, die mehrere Jobs machen müssen, monatelange schlecht bis gar nicht bezahlte Praktika und als Gipfel: ein Student, der sich nach mehreren Nachtschichten in London für eine Bank zu Tode gearbeitet hatte. Die Folgen sind erkennbar: Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Im Jahr 2012 gingen 53 Millionen Krankheitstage von Beschäftigten auf „psychische Störungen“ zurück, berichtete die Süddeutsche Zeitung.

Für einen Herrn M. als bekennender Masochist ist das natürlich ein großes Vergnügen, er kann ja gar nicht genug von der Arbeit bekommen. Doch auf die größte Belohnung wartet der Masochist vergeblich. Nach seinem Sieg bei den Olympischen Spielen des Humankapitals schwimmt er im Luxus. Ein Alptraum für einen Masochisten wie Herr M., schlimmer noch, er wird zum Vorbild für alle anderen Arbeiter. „Seht her, wenn ihr euch genauso anstrengt, dann werdet ihr auch so reich sein wie Herr M.“

Das Stück kritisiert auch die Gemengelage zwischen Politik, Gewerkschaften, die allesamt nur ein Ziel haben, das Individuum weiter zu unterdrücken. „Denkst du auch daran, dass der Chef Kinder hat, die er versorgen muss“, so Herr M. als Gewerkschaftschef zu einem Arbeiter, der wegen Krankheit frei haben will.

In dem Stück spielen Björn Gabriel, Sebastian Graf und Marlena Keil alle Herrn M. beziehungsweise die Nebenfiguren. Daher sind sie alle gleich gekleidet: Graue Anzüge, schwarzes Shirt. Manuel verlangt von seinen Akteuren auch körperlich einiges ab: Das Bühnenbild besteht aus einem riesigen Sofa, das im Laufe des Stückes auseinandergenommenen wird und deren Einzelteile beispielsweise als Rednerpult dienen.

In dem Stück werden bekannte Melodien wie zum Beispiel „Atemlos“ (Helene Fischer) in „Zügellos durch die Nacht“ umgedichtet. Außerdem gibt es schöne Seitenhiebe auf Bundeskanzlerin Merkel und ihr Faible, sich mit erfolgreichen Fußballern fotografieren zu lassen.

Ein Stück, bei dem den Zuschauern öfter das Lachen im Halse steckenblieb. Es gab zurecht donnernden Applaus für alle Beteiligten. Unbedingt ansehen.

Nicht eingelöste Versprechen

Spielszene mit : Marlena Keil; Sebastian Graf; Björn Gabriel (Foto: © Edi Szekely)
Spielszene mit : Marlena Keil; Sebastian Graf; Björn Gabriel (Foto: © Edi Szekely)

Am 31. Januar 2015 um 20 Uhr startet im Studio des Schauspielhauses die Premiere des Stückes „Das Bekenntnis eines Masochisten“, eine Groteske von Roman Sikora unter der Regie von Carlos Manuel. Eine Geschichte eines Menschens, der nie genug bekommen kann von Verausgabung.

Dominas? Langweilig! Die wahre Erfüllung findet Herr M. erst, als er mehrere Jobs gleichzeitig annimmt. Mehrarbeit bei gleichzeitigem Lohnverzicht. Somit qualifiziert sich unser Herr M. für die olympischen Spiele des Humankapitals. Dort tritt er gegen einen Chinesen an. Doch die erwartete Belohnung fällt anders aus als gedacht.

„Herr M. ist im eigentlichen Sinne des Wortes Masochist, aber er spricht es im Stück nicht aus“, so Dramaturg Dirk Baumann. Sein „Verlangen“ wie Herr M. es nennt, wird auch nie gestillt. Weder von Dominas noch von seinem Chef. „Seine Kritik an der Welt: Ich löst euer Versprechen nicht ein“, beschreibt Regisseur Carlos Manuel Herrn M.s Klage. Herr M. ist mit einer gewissen Demut vor Autoritäten ausgestattet und verlangt, dass diese Autoritäten sich an die Regeln halten. Beispielsweise muss ein Chef muss wirklich Chef sein und nicht Kumpel der Angestellten. „Die Leute halten sich nicht an die Regeln, die sie selbst aufgestellt haben“, erklärt Manuel.

In der Inszenierung von Manuel übernehmen alle drei Schauspieler die Rolle des Herrn M. Das sind Björn Gabriel, Sebastian Graf und Marlena Keil. Keil ist als Gast dabei, soll aber künftig ein festes Ensemblemitglied werden.