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Kammerspiel mit ungeheurer Dichte

Jürgen Mikol und Andreas Weißert. (Foto: © Djamak Homayoun)
Jürgen Mikol und Andreas Weißert. (Foto: © Djamak Homayoun)

Die Zahl aller Flüchtlinge unter UNHCR-Mandat hat Mitte letzten Jahres 13 Millionen erreicht. Das ist die höchste Zahl seit 1996. So steht es im Bericht des UNHCR (Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen). In Deutschland ist das Thema Flüchtlinge durch die Situation in Syrien und durch die Bootsflüchtlinge im Mittelmeer wieder in den Mittelpunkt gerückt.

Es ist nicht all zulange her, dass auch Menschen aus Deutschland flüchten mussten. Bertolt Brecht war so jemand. Brecht floh bereits 1933, lebte erst in Frankreich, dann in Dänemark, Schweden und kam 1940 nach Finnland, wo er die „Flüchtlingsgespräche“ schreib. Am 20. Februar um 20 Uhr war die Gastspielpremiere im Studio des Schauspielhauses.

In den Flüchtlingsgesprächen geht es um zwei Flüchtlinge, den Physiker Ziffel und den Arbeiter Kalle, die sich regelmäßig im Bahnhofscafé in Helsinki treffen und ihre Gedanken austauschen. Jürgen Mikol (ehemaliger Schauspieler im Ensemble Dortmund) und Andreas Weißert (Leiter des Schauspielhauses 1975–1980) übernahmen die Rollen und fügten zu Brechts Texten auch einige andere hinzu.

Das Bühnenbild war ebenso schlicht wie passend: Ein Tisch, zwei Stühle, ein Koffer. Ein klein wenig erinnerte das Ambiente an die 40er Jahre. Im Hintergrund projiziert die bekannte Karikatur „Dienst am Volk“ von Ehrich Ohser alias e.o.plauen: Der Betrunkene, der ein Hakenkreuz in den Schnee pinkelt.

Auch wenn Mikol (Kalle) und Weißert (Ziffel) nicht die gesamten Flüchtlingsgespräche lesen, der Text von Brecht hat nach 75 Jahren immer noch eine ungeheure Aktualität. Nicht nur durch das berühmte Zitat „Der Pass ist der edelste Teil eines Menschen“, sondern auch durch andere Bezüge. „Die stupende Fähigkeit unseres Zeitalters, aus nichts etwas zu machen, ist es, die eine so ungeheure Anzahl bedeutender Menschen erzeugt hat“, erklärt Ziffel. Diesen Satz könnte man auch auf die heutige Zeit übertragen, die auch aus dem Nichts eine ungeheure Anzahl von B- oder C-Prominenten erzeugt.

Immer wenn ein kleines Gespräch beendet wurde, lasen Mikol oder Weißert einen anderen Text. Beispielsweise einen Text der Sozialdemokratin Lily Braun, die 1915 das Massensterben auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges aus Frauensicht glorifizierte bis hin zu einer Satire aus der „Frankfurter Rundschau“ über die marode Bundeswehr.

Mikol und Weißert sind im alte Haudegen auf dem Schauspielparkett und sie lassen ihre ganze Erfahrung durch ihre Mimik und Gestik einfließen. Selbst vor kleinen Gesangs- und Tanzeinlagen schrecken die beiden nicht zurück. Trotz des ernsten Themas wurde es dennoch zu einem unterhaltsamen Abend, dank des immer noch aktuellen Textes von Brecht und der Spielfreude der beiden Akteure. Absolut lohnenswert.

Für den 08. März gibt es noch Restkarten.

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Westfälischer Anzeiger (WA) [/fruitful_dbox]