Hall of Fame: Der rote Teppich neu interpretiert

Angeblich lief Agamemnon über einen purpurnen Teppich, als er von Troja zurückkehrte. Glück brachte ihm das allerdings nicht. Das Symbol des roten Teppichs als Laufweg für Filmstars wurde erst in den 1920er-Jahren populär. Seitdem war er von Filmfestivals nicht mehr wegzudenken.

Am 5. September zeigte das Ensemble Hall of Fame eine besondere Mischung aus Tanz, Performance, Audio- und Video-Collagen sowie einer Fotoinstallation. Thema waren gesellschaftliche Fragen rund um Gerechtigkeit und Zusammenleben.

Das Symbol des roten Teppichs – sonst ein Zeichen für Ruhm und Prominenz – wurde in neue Bedeutungen überführt. Der Teppich verwandelte Alltagsorte in ungewöhnliche Erlebnisse:

  • Auf dem Teppich zu liegen konnte ein Protest sein.
  • Sich darin einzurollen konnte Schutz bedeuten.
  • Über ihn zu schweben verwies auf Privilegien und Gleichgültigkeit.

Das Projekt gliederte sich in mehrere Phasen:

Recherche: Erfahrungen und Sichtweisen wurden gesammelt. Dabei ging es auch um Mechanismen sozialer Ausgrenzung.

Aktionen im Stadtraum: Der rote Teppich tauchte an überraschenden Orten auf – an Tankstellen, Haltestellen, Schrebergärten, in Industrie-Ruinen oder Wertstoffhöfen. Dort waren Menschen zwischen 16 und 99 Jahren eingeladen, mitzuwirken – unabhängig von Behinderung, sozialem Status oder kulturellem Hintergrund.

Regisseurin Swentja Krumscheidt ludt an ungewöhnlichen orten Menschen ein, auf dem roten Teppich zu laufen. (Foto: (c) vier-D)
Regisseurin Swentja Krumscheidt ludt an ungewöhnlichen orten Menschen ein, auf dem roten Teppich zu laufen. (Foto: (c) vier-D)

Präsentation: Fotos und Videos der Aktionen wurden ausgewertet. Daraus entstand die Abschlussinszenierung Hall of Fame, die am 5. September im .dott.werk gezeigt wurde – mit Performances, Collagen und einer Fotoinstallation.

Vor allem die erste Performance war ein Hingucker. Die Tänzerinnen standen zunächst auf kleinen roten Teppichen, um anschließend nach der Choreografie über den ausgerollten Teppich wie Filmstars zu schreiten. Damit nicht genug: Sie luden auch die anwesenden Zuschauer*innen ein, gemeinsam mit ihnen über den Teppich zu gehen. Begleitet wurde dies von Interviewausschnitten, in denen Menschen darüber sprachen, wer eigentlich über den roten Teppich gehen sollte oder welcher ihr persönlicher „roter Teppich-Moment“ gewesen war. Auch die Choreografie von Birgit Götz und Pia Alena Wagner war sehr berührend, da beide den roten Teppich als Schutz benutzten, in dem sie sich einrollten.

Am Ende diente der rote Teppich als Unterlage für einen großen Tisch, an dem alle Beteiligten gemeinsam essen konnten.

Ein rundum gelungener Abend im .dott.werk.




Female Splatter – Opfer oder Täterin?

In der Gesellschaft wird männliche Toxizität bereits benannt und angeprangert. Doch was ist mit weiblicher Toxizität? Sind Frauen als Chefin oder Regisseurin anders oder behandeln sie ihre KollegInnen und BefehlsempfängerInnen genauso schlecht wie manche (nicht alle) Männer. Das Stück „Female Splatter“ beschreibt die versteckten und subtilen Formen der Ungleichheit, vor allem in Kulturbetrieben. Stutenbeißen par exellence. Ein Bericht von der Premiere am 11. Februar 2023 im Theater im Depot.



Die arme Sandra Wickenburg. Die Schauspielerin war in diesem Stück der Punchingball für die „künstlerischen Visionen“ eines Regisseurs und später einer Regisseurin. Sie musste das „Gretchen“ aus Goethes „Faust“ auf Ansage in immer absurderen Formen spielen. Ob mit Kussmund oder als Mann gespielt, es gab nichts, was der Regie nicht einfiel. 

Gab es Unterschiede in der Behandlung? Nein, bei beiden wurde mehr oder weniger offen angesprochen, dass sie (also Sandra) doch froh sein solle, dass sie für diese Rolle besetzt würde.  Der Begriff „weibliche Toxizität“ wird oft verwendet, um negative Verhaltensweisen oder Einstellungen zu beschreiben, die Frauen gegenüber anderen Frauen oder gegenüber Männern zeigen können. Es bezieht sich auf toxische Verhaltensweisen, die speziell von Frauen ausgehen und die darauf abzielen, andere Frauen zu manipulieren, zu demütigen oder zu isolieren.

Ein weiteres wiederkehrendes Element war das „Quiz“ an dem gefragt wurde, welche „Alice“ hat es gesagt. Die Auswahl war zwischen Alice Weidel, Alice Schwarzer und Alice (im) Wunderland. Dabei fiel die Zuordnung nicht schwer, welche Alice sich für Frauenrechte einsetzt und welche Alice eher weniger.

In der Produktion von 4.D spielten neben der bereits erwähnten Sandra Wickenburg noch Cordula Hein, Birgit Götz und Pia Wagner mit. Da Götz vom Tanz und Wagner vom physical theatre kommt, gab es einige schöne Choreografien zu bewundern. Wie das Laufen auf Pumps oder eine Runde Dressurreiten.

Dank des Umbaus im Theater im Depot konnte die Produktion auch in einem besonderen Format durchgeführt werden.  Das Publikum saß im hinteren Bereich, die Sitzreihen in U-Form angeordnet, auf seiner Seite eine riesige Leinwand (für die Videos war Kathlina Reinhardt). So war der direkte Kontakt der Schauspielerinnen zum Publikum gegeben.

Der einzige Wermutstropfen ist, dass „Female Splatter“ (Regie: Swentja Krumscheidt) leider nur zweimal im Depot laufen durfte. Ich hoffe doch sehr, dass es Möglichkeiten gibt, dieses Stück an anderen Orten aufzuführen. Denn es lohnt sich. Alle vier Frauen zeigen eine unglaubliche Bühnenpräsenz.




Intensive Geschichten – You can visit me

„Vier Lebensräume und ein
Hinterhof“, das sind die Spielräume in die die KünstlerInnengruppe
vier D. interessierte Bürger einlädt. In Kooperation mit dem
Machbarkeitstreff Borsig 11 und BewohnerInnen des Quartiers rund um
den Borsigplatz ist eine beeindruckende zweistündige Performance
entstanden, aufgeteilt auf fünf Etappen.

Basis
der erzählten Geschichten sind vier Interviews mit Bewohnern des
Quartiers, die den Künstlern als Inspiration für ihre Darstellung
dienten. In vierwöchiger Detailarbeit entstanden die Geschichten zu
den großen
Themen
Veränderungen und Hoffnung und wie sie uns durchs Leben tragen.
Zum künstlerischen Team gehören u. a. Birgit Götz (Konzept und
Choreografie), Nina de la Chevallerie (Regie) und
Thorsten Bihegue (Texte, Dramaturgie).

Von
vier als „Hoffnungsträgerinnen“ betitelte Fremdenführerinnen
begleitet, starten die Gruppen einen Rundgang durch drei Wohnungen
und einem
Ladenlokal an der Oesterholzstraße. Zirka 60 Interessierte haben
sich zu diesem Premierenrundgang angemeldet. Um in der einsetzenden
Dämmerung die Übersicht nicht zu verlieren sind die farblich
unterschiedlichen Regenschirme der Führenden liebevoll mit
Lichterketten dekoriert worden.

Nach
wenigen Minuten ist die erste Station erreicht. Auf der zweiten
Etage eines Mietshauses betreten wir eine kleine Wohnung, um in einem
Zimmer mit zwei TV-Monitoren Platz zu nehmen. Erzählt wird die
Geschichte des jungen Mannes Kim, der auf der Suche nach seiner
sexuellen Identität schwere Krisen durchlebt, sich mehrmals als Frau
outet und doch immer wieder in die männliche Rolle zurück fällt.
Trotz der schmerzhaften Suche und vieler Rückschläge bleibt er
hoffnungsvoll, seinen Platz im Leben zu finden. Spannend in Szene
gesetzt ist die Inszenierung des Vortrags. Im Laufe der Vorstellung
wird klar dass die im Film gezeigte Wohnung und auch die brillant
agierende Schauspielerin Cindy Tscherrig sich direkt nebenan in der
Küche und auch im Schlafzimmer befindet und sich von dort live
selbst beim Vortrag mit der Videokamera inszeniert (Physical
Theatre).

Nahid (Cordula Hein) erzählt ihre Geschichte der Flucht aus dem Iran nach der Revolution. (Foto: © Anja Cord)
Nahid (Cordula Hein) erzählt ihre Geschichte der Flucht aus dem Iran nach der Revolution. (Foto: © Anja Cord)

Die
nächste Station beschreibt das Leben der aus Iran zur Zeit der
Revolution geflüchteten jungen Frau Nahid (gespielt von Cordula
Hein). Sie versucht die Chronologie ihrer Flucht und ihres neuen
Lebens bis in die heutige Zeit zu rekonstruieren. „Nahid“ sucht
Bilder und Dokumente aus verschiedenen Kladden und Pappkartons
zusammen, versunken in Erinnerungen und Gefühlen der Vergangenheit.
Um alles in die richtige Reihenfolge zu bringen, wandert sie durch
den Raum und hängt Bilder und Papiere an einen kreuz und quer
gespannten roten Faden. So ergibt sich nach und nach ein Bild über
die Zeitspanne von den 70iger Jahren bis heute.

In
der dritten Wohnung empfangen uns die Tänzerin Yara Eid und auf
einem TV-Monitor die echte Interviewpartnerin Linda. Linda ist eine
junge Frau mit Downsyndrom. Sie sitzt in einem knallroten Sommerkleid
vor der Kamera und berichtet strahlend und energiegeladen von ihrer
neuen großen Liebe. Sie erzählt herzzerreißend offen von den
Schwierigkeiten die ihr als mongoloider Mensch in allen
Lebensbereichen begegnen. Yara Eid setzt die wechselnden Emotionen
wie Liebe, Freude, Trauer und Spaß in ihrem kleinen Wohnzimmer in
getanzte Bilder um.

In
einem Ladenlokal erwartet uns Johanna mit ihrer dramatischen
Geschichte. Sie erzählt sehr persönlich wie es ihr gelang, sich aus
der Sekte der Zeugen Jehova zu lösen. Der Kampf mit ihren Eltern,
den Sektenmitgliedern, ihre Not und ihre Schuldgefühle werden
deutlich greifbar. Über allem schwebt die Angst vor dem angedrohten
Armageddon. Nach vielen Jahren der Auseinandersetzung bringt sie die
Kraft auf den endgültigen Schritt in eine neue Zukunft zu tun. Ihre
Erkenntnis nach dem großen Schritt war, „Ich konnte atmen, ich
konnte durch diese Tür gehen!“

Zum
Abschluss
dieses beeindruckenden
Abends trafen alle Darsteller im Innenhof noch einmal zu einem
kleinen, gemeinsamen Auftritt zusammen.

Verblüffend
ist wie in kürzester Zeit vier Leben vor den Besuchern ausgebreitet
werden, jedes mit ganz anderen Herausforderungen beschwert. Diese
Technik des intensiven Hineingeworfenseins beansprucht alle Sinne der
Besucher, und ist ein genialer Zug um einen direkten Zugang zu den
Lebensgeschichten der Interviewpartner zu bekommen.

Zwei
weitere Rundgänge gibt es am 14.September ab 20 Uhr
und am 15. September um 11 Uhr
und 16 Uhr.
Kartenreservierungen und Verkauf sind
unter vier.D@online.de
oder unter 0176/46034717
möglich.




Surprise Meetings im Megastore

[fruitful_alert type=“alert-success“]Surprise! Wer sich wohl unter dem Laken verbirgt? (Foto: ©Sara Hartmann) [/fruitful_alert]

Die Eigenproduktion „Surprise Meetings“ des Jugendclub Theaterpartisanen 16+ in Kooperation mit der Tanztheaterwerkstadt vier.D hat am Samstag, den 11.03.2017 um 19:30 Uhr Premiere im Megastore. Seit dem Herbst letzten Jahres haben die jungen Leute zwischen 16 und 19 Jahren unter der Leitung von Theaterpädagogin Sarah Jasinszczak und der Choreografin und Tänzerin Birgit Götz selbständig Texte und Choreografien entwickelt.

Grundlage für die Textentwicklung und Tanzchoreografie war die Frage, wer sie sein könnten, wenn sie einmal einen rücksichtslosen Tag würden oder wie für sie der perfekte Moment aussieht. Es entstehen interessante Spiegelungen und Ergänzungen zwischen den sieben Theaterpartisanen und den sieben Tänzerinnen auf der Bühne.

Zu den Themen gehört zum Beispiel das marode und stressige Schulsystem mit dem G8, oder auch umweltpolitische Themen. Es geht um Stärkung des Selbstbewusstseins, Fragen zischen Verantwortung und Selbstbestimmung. In den 75 Minuten werden die jungen Leute ständig auf der Bühne präsent sein. Die Jugendlichen haben etwas zu sagen und beziehen deutlich Stellung,“ erklärte Götz. „Die Jugendlichen konnten sich schon einmal bei einer Übernachtung im Megastore besser kennen lernen,“ verriet Jasinszczak.

Zu Produktion sei soviel verraten:

Es werden sechs verschiedene Figuren dargestellt und es beginnt immer mit: „Als ich eines morgens erwachte…. Repräsentanten der Gesellschaft wie zum Beispiel Lehrer fungieren als Gegenfiguren. Auch die Tänzerinnen wechseln von ihren Positionen von Jugendlichen zu Erwachsenen. Zum Schluss vereint alle eine gemeinsame Aktion im Hambacher Forst. Das Ende ist aber noch Surprise!

Lara Möhl war als eine der Theaterpartisanen bei der Pressekonferenz am 08.03.2017 anwesend und erzählte etwas über die von ihr dargestellte Figur Tiffany.

Meine Figur verändert sich. Sie wird stark und nimmt sich sich das Recht heraus, anders zu sein.. Sie lässt sich nichts gefallen und ist selbstbewusst,“ so Möhl.

Informationen und weitere Termine finden sie unter www.theaterdo.de