Ein Festival der jungen Wilden – Rising stars

Am 25. Februar 2023 gab es einen Marathon im Konzerthaus. Natürlich einen musikalischen Marathon. Sechs SolokünstlerInnen und das Aris Quartett präsentierten ihr Können. Unterschiedliche Musikstile aus über fünf Jahrhunderten konnten die BesucherInnen genießen. Das Konzert hatte den Übertitel Mensch – Natur – Technik. Moderiert wurde der Abend vom Pressesprecher des Konzerthauses Heiko Schmitz.



Den Beginn machte die Violinistin Diana Tishchenko, die vom Pianisten José Gallardo begleitet wurde. Ihr Konzert hatte einen orientalischen Touch, Ravels „Tzigané“ entführte uns in die Welt der Sinti und Roma, während der türkische Komponist Fazil Say die Zerstörung der Natur anprangerte. Ein berührender Moment war als Tishchenko im zweiten Satz den „verletzten Vogel“ auf ihrer Violine wehklagen ließ.

Die Perkussionistin Vanessa Porter war erst vor kurzem im Konzerthaus zu bewundern, denn die gab zusammen mit ihrer Schwester ein Konzert im Rahmen der Zeitinsel Gubaidulina. Vanessa Porters Superkraft ist es, als allen Dingen Klänge und Rhythmen zu erzeugen. Ob es zerknülltes Papier ist oder ihr eigener Körper, alles wird zu Musik. Doch das ist nicht alles: Sie beherrscht das Vibraphon meisterlich wie beim Stück „Shapes“ von Emil Kuyumcuyan. In „Le corps à corps“ für Stimme und Zarb von Georges Aperghis wird auch die Stimme als Rhythmusinstrument eingesetzt.   

Die Stimme stand im Mittelpunkt des dritten Teils. Hier sang James Newby, begleitet von Joseph Middleton einige Lieder die sich mit Flora und Fauna beschäftigten. Selbstverständlich durfte Schuberts „Forelle“ nicht fehlen, aber die Auster von Cole Porter war ebenfalls vertreten wie die Robbe (The seal man“ von Rebecca Clarke oder der Kolibri von Ernest Chausson.Die Welt der Blumen vertrat unter anderem Mozarts „Veilchen“. Die musikalische Bandbreite reichte vom romantischen Kunstlied bis hin zum jazzigen Cole Porter.

Auch das Aris Quartett im vierten Teil des Programms hatte unterschiedliche musikalische Stile im Angebot. Den beginn machte das zeitgenössische Wer der japanischen Komponistin Misato Mochizuki. In ihrer Auftragsarbeit „in-side“ referiert sie den Schöpfungsmythos der japanischen Urmythologie. In ihrem Stück wird das Götterpaar Izanagi und Izanami durch das Cello repräsentiert, während die anderen Instrumente die Geburten der anderen Götter und Geister symbolisieren.

Der Höhepunkt war aber das Streichquartett Nr. 6 in f-moll von Felix Mendelssohn Bartholdy.

Da die Saxophonistin Jess Gillam erkrankt war, sprangen Lucienne Renaudin Vary an der Trompete sowie Félicien Brut am Akkordeon ein. Und wer Akkordeon sagt, muss auch Piazzolla sagen. Gespielt wurden zwei Stücke des argentinischen Komponisten: „Chau Paris“ und „Maria de Buenos Aires“ dazu „Maria“ aus der West Side Story von Leonard Bernstein. Beide Musiker begeisterten das Publikum durch ihre Virtuosität und Spielfreude und konnten erst nach einer Zugabe von der Bühne.

Die Reise durch mehrere Jahrhunderte klassischer Musik und die unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstler faszinierten das Publikum. Ein langer, aber auch musikalisch unterhaltsamer Abend ging zu Ende.




Zeitinsel Gubaidulina – Orgel, Percussion und Klangerforschung

Es gibt sicherlich vieles, was die russische Komponistin Sofia Gubaidulina auszeichnet, aber eines davon ist die fast kindliche Suche nach Klängen und Klangfarben. Hierbei bietet natürlich die Orgel an, die durch ihre Klangmöglichkeiten ein unerschöpfliches Repertoire bietet und die Perkussionsinstrumente, deren Zahl riesig zu sein scheint. Vanessa Porter und ihre Schwester Jessica zeigten zusammen mit dem Organisten Lars Schwarze beim Freitagabendkonzert (03.02.23) im Konzerthaus der Zeitinsel Sofia Gubaidulina die Experimentierfreude der Komponistin.



Den beginn machte eine Eigenkomposition von Vanessa Porter, #1 (Hashtag 1). Das Stück wirkt sehr sphärisch, ruhig, glockenklar.

Jessica (links) und Vanessa Porter beim Late Night Konzert zur Zeitinsel Gubaidulina (Foto: (c) Petra Coddington)
Jessica (links) und Vanessa Porter beim Late Night Konzert zur Zeitinsel Gubaidulina (Foto: (c) Petra Coddington)

Beim ersten Werk von Gubaidulina „Detto I“ für Orgel und Schlagzeug prallen die Gegensätze aufeinander. Ruhige Passagen werden durch eine Art von Blitzgewitter unterbrochen und die dissonanten Partien hinterlassen beim Zuhören ein Gefühl von „hier stimmt etwas nicht“. Passen eigentlich für ein Gruselfilm oder Computerspiel mit ähnlichem Thema.

Ein technisches Stück von Robert Marino „Eight on 3 and Nine on 2“ zeigte die Fähigkeiten der beiden Schwestern auf den Toms und der Bassdrum. Nach einer weiteren Komposition von Porter, #5 (Hashtag 5), die ein wenig an „Drumming“ von Steve Reich angelehnt war, entführte uns Gubaidulina mit „Hell und Dunkel“ für Orgel erneut in ihre Klangwelten. Das Stück zeichnet sich durch seine expressiven Klänge und einen starken Kontrast zwischen den hellen und dunklen Klangfarben aus, die Lars Schwarze aus der Orgel des Konzerthauses zaubert.

Danach Bach, ja Johann Sebastian. Seine „Fantasie und Fuge in a-moll“ erklang diesmal nicht für Cembalo, sondern auf die Vibraphone, gespielt von den beiden Porter-Schwestern. Ein ungewöhnlicher Klang, der einen vielleicht auf eine Karibik-Insel verschlug.