Flucht auf den Zauberberg

Erste Einblicke in das neue Handlungsballett „Zauberberg“ nach Motiven aus dem gleichnamigen Roman von Thomas Mann von Ballettdirektor Xin Peng Wang gab es am 2. November 2014 vorab für das Publikum bei einer Matinee im Ballettzentrum (Westfalenpark).

Die Idee für sein neues Projekt entstand schon vor zwei Jahren während seines Aufenthaltes in Hongkong anlässlich der Aufführungen des „ Traumes der Roten Kammer“, verriet Xing Peng Wang.

„Die Worte des „Zauberberg“ kann man nicht tänzerisch eins zu eins übersetzen, aber die Atmosphäre in dem Berg-Sanatorium für die Patienten kann das Ballett emotional und fantasievoll herüberbringen. Mich interessiert, wie verändern die Berge und die spezielle Situation die Menschen. Was macht das mit ihnen,“ so der Ballettdirektor.

Die Geschichte um Hans Castorp spielt in der Zeit vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, wo er sieben Jahre in einem Schweizer Lungensanatorium (Davos) zwischen siechenden Patienten als Lebender, Überlebender zwischen Todgeweihten verbringt. Eine ganz eigene Welt mit seinen speziellen Ritualen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Flucht in den „Zauberberg“ oder die bedrohliche Welt „da unten im Tal“. Auch in unserer heutigen Zeit geht angesichts verschiedener „Brandherde“und der unsicherer Situation in einer globalisierten Welt auch ein wenig die Luft aus. Das macht die Aktualität dieser Produktion aus. Dramaturg Christian Baier erklärte: „ Der „Zauberberg“ von Thomas Mann beschreibt eine Gesellschaft, der langsam der Atem ausgeht.“

Das Publikum bekam schon einmal beeindruckende Kostproben aus dem „Zauberberg“ zu sehen. Für eine besondere Emotionalität sorgt zudem die besondere Auswahl der Musik.

Sie stammt vom estnischen Komponisten Lepo Sumera (1950 – 2000). Als Kulturminister setzte er sich nach der Autonomie Estlands für dessen kulturelle Öffnung ein.

So gibt es neben der Premiere vom „Zauberberg“ am Samstag, den 8. November 2014 um 19.30 Uhr im Dortmunder Opernhaus auch noch eine musikalische Ur-Aufführung. „Mit musikalischen Überlagerungen oder Wiederholungen mit verschiedenen Instrumenten hat Lepo Sumeras Musik eine besondere Suggestivkraft und Emotionalität. Das passt gut zum „Zauberberg“, so der 1. Kapellmeister und stellvertretende Generalmusikdirektor Motonori Kobayashi.

Die Ballett-Freunde dürfen auf die Premiere gespannt sein.

Weitere Termine, Karten und Informationen unter 0231 5027222 oder www.theaterdo.de




Eine schwierige Vater-Sohn Beziehung

André Wülfing gab den Thomas Mann. (Foto: © Carlo Feick)
André Wülfing gab den Thomas Mann. (Foto: © Carlo Feick)

Beim Leseabend „Vater.Sohn.Mann.“ im Dortmunder Theater im Depot am 13. Oktober 2013 beleuchteten der Erzähler André Wülfing als Schriftsteller Thomas Mann und der Künstler Michael Em Walter als dessen Sohn Klaus Mann deren schwierige und ambivalente Beziehung.

Dazu benutzten Tagebuchaufzeichnungen von Thomas Mann und Auszüge aus dem Briefwechsel zwischen Vater und Sohn, um ein wenig Licht in das Verhältnis der beiden Schriftsteller zu bringen. Außerdem lasen sie Auszüge aus deren Werken und ließen zwischendurch über ein altes Radio auch die original Stimmen von Erika Mann, Golo Mann oder Thomas Mann einfließen. Auch kurze Musikeinspielungen, zum Beispiel Wagner oder die amerikanische Nationalhymne, wurde geschickt zur Untermalung der Stimmungen, Vorlieben und passend zur Situation eingesetzt. Im Blickpunkt stand dabei der Zeitraum 1918 bis zu Klaus Manns Freitod im Jahr 1949.

Wülfing schlüpfte mit hellem Anzug, Oberlippenbart, Brille und Haare und mit der etwas gestelzten Sprache beim Lesen bis hin zur Mimik verblüffend glaubwürdig in die Rolle von Thomas Mann. Dabei amüsierte er mit leicht ironischer Überzeichnung. Er zeigte Mann als disziplinierten, etwas eitlen, in seinen Alltagsabläufen fast pedantischen Menschen mit einer Portion Ironie. Ein Mensch, der das Schreiben auch dazu benutzte, um seine homoerotischen Neigungen, die er sich nicht gestattete, auszuleben und dichterisch zu sublimieren. Das wird schon bei seinem Roman „Der Zauberberg“ aus dem Jahr 1924 deutlich.

Michael Em Walter zeichnete ein sensibles Bild von Klaus Mann, der immer um die Gunst und Anerkennung seines berühmten Vaters kämpfte und immer versuchte , aus dessen Schatten zu treten. Der exzentrische älteste Sohn ist ein lebenshungriger Mensch bis hin zur Selbstzerstörung mit Todesfantasien. Er lebt exzessiv und bereist mit seiner Schwester Erika in seinen jungen Jahren auch die Welt. Klaus lebt im Gegensatz zu seinem Vater seine Homosexualität aus und bekennt sich offen zu ihr.

Das Dilemma ist. Eigentlich bewundert Thomas Mann unterbewusst einen Sohn für sein Mut zur offenen Homosexualität und seinem offenen politisches Engagement. Auch sein schriftstellerische Werk findet nach und nach bei ihm an Beachtung. Für Thomas Mann ist es schwer, Klaus als Schriftsteller-Konkurrent, aber vor allem als homosexuellen Mann distanzlos und liebevoll gegenüber zu treten. Er wird durch seinen Sohn mit seiner eigenen homoerotischen Neigung und mit einem Leben konfrontiert, dass seine Persönlichkeit sich selbst zu gestatten. Am deutlichsten wird das distanzierte Verhältnis der beiden am Schluss, als Thomas Mann nach dem Freitod seines Sohnes sagt: „Das hätte er ihnen (Erika und seiner Mutter ) nicht antun dürfen.“

Wichtig ist zudem der gesellschaftspolitische Hintergrund der Zeit vor und bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch da zeigen sich die Unterschiede zwischen Vater und Sohn. Klaus steht dem Nationalsozialismus schon früh kritisch und ablehnend gegenüber. Kritische Schriften aus den Niederlanden und sein Kabarett mit Schwester Erika, die „Pfeffermühle“ bezeugen das ein ja eindeutig. Sein Vater stellt sich erst spät offen gegen die Nationalsozialisten und Emigriert.

Ein gelungener Leseabend, dem man noch mehr Publikum wünschen möchte.




Vater. Sohn. Mann.

In den Mittelpunkt rückt die nicht unproblematische Generationenfrage der beiden großen deutschen Autoren: auf der einen Seite der „große Alte“, Nobelpreisträger, bedeutendster deutscher Epiker seiner Zeit, der mit seiner Sexualität im Unreinen – auf der anderen Seite der Junge, im Schatten Thomas‘ mit der Frage beschäftigt, was er dem großen Werk des Vaters entgegenzusetzen hat.

Dabei entpuppt sich Klaus schon vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten als politisch Denkender. Während Thomas Mann zunächst zögerlich erscheint, begreift Klaus schon früh die Konsequenzen der Diktatur für ihn und die Gesellschaft.

Zeitgeschichtliche Stationen der Geschichte des Vaters und des Sohnes Mann sind die wilden 20-er, das Exil in den 30-ern, sowie die Zeit in Amerika und das neue Deutschland in den 40-er Jahren bis zum verzweifelten Ende von Klaus Mann.

Die Lesenden veranschaulichen in szenischer Dichte die zerbrechliche Beziehung von Vater und Sohn: Klaus‘ Ringen um Anerkennung durch den über Gefühle erhabenen „Zauberer“. Gleichzeitig erweist der Vortrag den beiden Schriftstellern respektvoll die ihnen gebührende Ehre.

 

Vorstellung:

SO 13.10.2013 um 19 Uhr

Eintritt: VVK 13 € / 8 € erm.

AK 15 € / 10 € erm.

Kinder bis 14 J. VVK + AK 5 €

Ort: Theater im Depot, Immermannstr. 29, 44147 Dortmund, www.depotdortmund.de

Erarbeitet und vorgetragen von André Wülfing und Michael Em Walter