Festival-Abschluss mit trashiger Theater-Performance

Das Festival der Freien Tanz- und Theaterszene Dortmunds „Szene machen“.dott endete am Sonntag, den 29.10.2023 mit der Theater-Stückentwicklung unter dem Titel „We ate that up“ (Texte: Juli Mahid Carly & Sar Adina Scheer) im hiesigen Fletch Bizzel.



Sar Adina Scheer ist sicher schon einigen als neue Schauspieler*in des Dortmunder Kinder und Jugendtheaters ein Begriff (zuletzt etwa bei Supertrumpf).

Die beiden Darstellenden präsentieren hier in der Rolle von zwei pubertierenden vierzehnjährigen Tessa (Sar Adina Scheer) und Shamini einem „Testpublikum“ ihr Programm für die Olympischen Sommerspiele der Performancekunst in Addis Abeba.

Da sie, wie durch viele Medien vermittelt denken, ein „normschöner, perfekter Körper“ würde ihnen mehr Empathie und Erfolg bei den Zuschauenden bescheren. Wie weit gehen die jungen Menschen, um ihren Körper vermeintlichen Schönheits-Idealen anzugleichen? Welche Rolle spielen Formate wie „Germanys next Topmodell“ oder Werbung. Es gibt ja immer was am Körper zu verbessern. Im Augenblick wird mit einer sogenannte „Abnehm-Spritze“ (eigentlich für Diabetiker entwickelt) in den sozialen Medien geworben, die gefährliche Folgen für Menschen, die sie einnehmen, haben kann.

In ihrer Performance arbeiten sich Tessa und Shamani nicht nur an ihren Performance-Ikonen rund um Erika Fischer-Lichte, Marina Abramovic und Yoko Ono ab, sondern auch an der Mutter oder Mario Barth (besonders witzige Parodie) ab.

Das Ganze wird mit viel Witz, Ironie (Selbstironie), diversen Maskierungen, Perücken und Kostümwechseln und ganz viel Spielfreude zelebriert.

Bilder, Musiksongs, Tanz, unterschiedlichste Objekte sowie Videoschaltungen wurden effektvoll eingesetzt. Mit Geschlechtern und Geschlechterrollen spielte die Stückentwicklung selbstverständlich wie so nebenbei. Da konnte das Publikum Frauen von Männern, Männer von Frauen oder mit ihrem von Geburt an gegebenem Geschlecht in eingespielten Statements sprechen hören.

Nur mit einer große Schmerzperformance sehen Tessa und Shamini am Ende eine Möglichkeit, auch mit ihrem Körper Identifikationsfläche für die Zuschauer*innen sein zu können.

Es werden verschiedene Metaebenen vermischt, und so komplexe Themen wie Klassismus oder Gewalt der Sprache verhandelt.

Das Festivalende zeigte die Lebendigkeit der darstellenden Künste. Ein wenig schade war, dass es manchmal schwierig war, den schnellen Wortgefechten akustisch genau folgen zu können. Vielleicht ist das ja ein Problem des Alters?




ghostlike – Die Geister, die ich rief

Geister spuken selten mit Bettlaken durch die Räume, öffnen Schubladen oder treiben anderen Schabernack. Echte Geister verfolgen jemanden, weil es ungelöste Konflikte gibt, die in der Vergangenheit ihren Ursprung haben. Manchmal werden wir selbst zu Geistern.



Damit beschäftigte sich das Stück „ghostlike“ von Serna Pau, das am 20. Oktober 2023 im Rahmen des Festivals „szene machen!“ im Theater im Depot lief. Auf der Bühne waren Maren Becker, Yasmin Fahbod und Hannes Siebert.

„ghostlike“ ist eine Performance, die den Zuschauenden in die Zeit der Textadventures der 80er Jahre zurückführt. Die drei Performer:innen erzählen, was sie auf ihrer Erkundungstour durch eine spukende Villa erleben und brauchen dabei die Hilfe des Publikums. Denn jeder bekam eine Taschenlampe und konnte so helfen, die drei Hauptcharaktere durch ihr Abenteuer zu führen. Auch die Musik klang größtenteils nach C64, bis auf ein Disco-Hit und „Back for Good“ von „Take that“.

Welche Geister mussten bekämpft werden? Zunächst einmal die Geister der Vergangenheit. Denn der Sohn des Villabesitzers war homosexuell und der Vater ließ ihn und seine Freunde von der Polizei verhaften. Dann ging es um eine ehemalige Mitbewohnerin, die grußlos verschwand, aber offene Fragen hinterließ. Die dritte Person konnte selbst unsichtbar, also zum Geist werden, was durchaus Vorteile, aber auch Nachteile hatte.

Gekämpft wurde aber nicht. Es gab keine rundenbasierten Kämpfe oder ähnliches, aber es war ein erster Weg, Theater mit „Gamification“ zu verbinden. Natürlich kein „Baldur’s Gate 3“ in Theaterform, aber Sterna Pau hat ein spannendes Projekt vorgelegt und ich bin neugierig wie der Weg in Richtung Zuschauerinteraktion weitergeht.      




szene machen – Bestandsaufnahme der freien Tanz- und Theaterszene

Vom 19. bis zum 29. Oktober 2023 bietet “szene machen!“  ein vielfältiges Programm aus allen Bereichen der Darstellenden Künste.



Der Untertitel „NACHwieVOR“ kann vieles bedeuten. Ist die Situation der freien Szene nach der Pandemie nach wie vor unter Druck oder zeigt das Festival, dass die Qualität nach wie vor gut ist? Wenn ich an die Stücke denke, die ich bisher gesehen habe, kann es nur das zweite sein.

"szene machen" präsentiert 2023 aufregende Produktionen.
„szene machen“ präsentiert 2023 aufregende Produktionen.

Das Repertoire reicht von abendfüllenden Tanz- oder Theaterproduktionen über Performance-Formate bis hin zu Installationen im öffentlichen Raum und szenischen Lesungen an verschiedenen Spielorten der Freien Szene. Die Freien Theater wie das Theater im Depot, das Fletch Bizzel und das Roto Theater öffnen ihre Türen für das Festival. Auch das Turbo Prop Theater in Hörde, das Taranta Babu Kulturcafe, der Rekorder oder in Dortmund noch junge und neue Räume wie raum17 sind Gastgeber*innen.

Das Festival wird nicht kuratiert, doch es gab zwei Bedingungen: es muss professionell sein und es muss einen Dortmund-Bezug haben. Die Besucher:innen dürfen also gespannt sein.

Es gibt am 20. Oktober 2023 einen offenen Tanztag mit verschiedenen Workshops.  Workshopgebühr: pay as you wish, Spendenempfehlung 5€ pro Workshop. Anmeldung unter: hickeycelia@gmail.com

„szene machen“ dient auch als Vernetzung der Akteure rund um die freie Szene. So gibt es ein „mobiles Beratungsbüro“, das über die Fallstricke rund um das Arbeiten im Theaterbetrieb informiert.

Das gesamte Programm finden Sie unter https://www.dott-netzwerk.de/projekte/szene-machen-2023/szene-machen-dortmunder-tanz-und-theaterszene