Zu Besuch in der stillen Stadt

Nach Bochum kam die „Silent City“, die neue Produktion von
artscenico, nach Dortmund ins Theater im Depot. Die Besucher hatten
am 06. und 07. September die Gelegenheit, eine Tour durch die
unterschiedlichen Ausformungen von Stille zu bekommen und unbekannte
Orte des Depots in der nördlichen Innenstadt Dortmunds zu erkunden.
Letztlich war nicht alle Still, denn Stille hat unterschiedliche
Ausprägungen.

Zu Stille passte
nicht eine große laute Menschenmenge, daher bildeten maximal sechs
Personen eine Gruppe, die dank eines Führers durch die
unterschiedlichen Räume und Situationen geleitet werden.

Der Barraum des
Theaters war der Startpunkt und die Gruppen wurden stündlich
durchgeführt. Im ersten Raum konnten wir eine Miniaturstadt
bewundern, deren Häuser aus Zubehör für Modelleisenbahnen kamen.
Stille war angesagt, ebenso wie beim Zeichner Joāo Garcia Miguel,
dem unsere Gruppe schweigend bei seiner Arbeit zusah.

Durch einen der
beiden regulären Eingänge des Theaters kamen wir zum „Labyrinth“
von Rita Costa. Wohl basierend auf einer Geschichte über eine
unsichtbaren Stadt, dessen Bewohner ihre Beziehungen mit einem roten
Faden markieren, bis es zu unübersichtlich wird und sie die Stadt
verlassen.

Beeindruckend bei "Silent City" war unter anderem Chino Monegas als Indio-Schamane. (Foto: © Guntram Walter)
Beeindruckend bei „Silent City“ war unter anderem Chino Monegas als Indio-Schamane. (Foto: © Guntram Walter)

Auch die Künstlerin
spann sich in einem roten Faden ein und befreite sich indem sie ihre
Oberbekleidung auszog.

Danach ging es mit
ungewöhnlichen Erfahrungen weiter, denn nicht die Lautlosigkeit
stand im Mittelpunkt, sondern die Blindheit. Wie eine Gruppe Blinde
im Mittelalter wurden wir vom Depot zum nebenliegenden Bunker
geführt. Die Räumlichkeiten gehören sicher zu den eindrucksvollen
orten. Die Sprüche, noch aus dem Zweiten Weltkrieg, lassen erahnen,
welche Schrecken die Menschen damals in den Bombennächten erleiden
mussten. Dazu passte die Performance „Burkas to the West“ (Rute
Alegria). „Mein Blut ist kein Abfall“ stand auf Slipeinlagen und
„Mein Körper ist rein“ war bei arabischer Musik zu lesen.
Frauen, die ihre Tage haben, gelten in verschiedenen Religionen als
„unrein“. Alegria präsentierte ein beeindruckendes Plädoyer
gegen diese Missachtung von Frauen.

Nach einem weiteren
Raum im Bunker kamen wir wieder ins Theater zurück und kamen zu
einem raum mit einem Waschbecken in der Mitte. Dort spielte Elisabeth
Pleß ihren Monolog „Gib’s auf!“ über eine Person, die
langsam, aber sicher in den Wahnsinn zu driften scheint. Am Ende
öffnete sie die Tür für die Performance von Roger Madueira „Not
even in your mother womb“.

Die Reise in den
gegenüberliegenden Gebäudeteil begann mit einer Tanzperformance von
Greta Garcia und Laura Morales. Die beiden spanischsprachigen
Künstlerinnen überzeugten nicht nur mit ihrer Darbietung, sondern
auch durch ihre Mimik und ihren Gesang.

Nachdem wir einen
Raum mit „toten Instrumenten“ durchquert haben. Gelangten wir an
einen länglichen mit Brotkrumen bedeckten Tisch. Hier fand
„Dinnervoice“ statt (Anna Hauke, Jose Francisco Veira). Viera
sang zu einem Gedicht einer österreichischen Autorei mit einer
selbsterarbeiteten Melodie, die an Kunstlieder von Schubert oder
Brahms erinnerte.

Danach gelangten wir
in den „Garten des emotionalen Gleichgewichts“. Hier begegneten
wir Cynthia Scholz, Rodolfo und Salma Parra sowie Chino Monagas. In
verschiedenen Rollen. Waren Rodolfo und Salma Parra die Hüter des
Zen-Gartens und der rituellen Handwaschung, v erzauberten Cynthia
Scholz als Voodoo-Priesterin und Chino Monegas als Indio-Schamane.

Der Abschluss war
bedrückend. Beim „Bettsitzer“ (Hans Eckert, Jürgen Dilling) saß
man einzeln am Bett eines Sterbenden. Eine sehr emotionale Begegnung
mit dem Tod als „endgültige Stille“.

Insgesamt war die
Tour durch die „stille Stadt“ eine beeindruckende Erfahrung. Vor
allem die stillen Momente im Bunker waren teilweise sehr berührend
und verstörend zugleich. Stille muss man aushalten können, jeder
muss selbst nach dem eigenen „Sound of silence“ forschen.

Aber auch die
Stationen mit „Ton“ waren beeindruckend. Es ist nahezu unmöglich,
irgendjemand herauszuheben, da alle Künstlerinnen und Künstler
wirklich klasse Leistungen gezeigt haben. Mir persönlich haben Rute
Alegria im Bunker und Hans Eckert, Jürgen Dilling einen Tick besser
gefallen, da es sehr emotional war. Die eine mit einem
gesellschaftlichen Statement, die anderen mit der Begebung mit einem
Sterbenden.




Kooperationsprojekt von artscenico zum Thema „Stille“

Die Welt um uns herum wird immer hektischer, lauter und
schnelllebiger. Wenig Zeit und Muße zum Innehalten und sich auf die
Stille mit all ihren erhellenden, anheimelnden oder manchmal auch
bedrückend wirkenden Aspekten einzulassen und dann sie auszuhalten.

Mit einer neuen
erweiterten Koproduktion „Silent City“ möchte artscenico unter
künstlerischen Leitung von Rolf Dennemann, Hans Dreher (Prinz
Regenten Theater) und João
Garcia Miguel (Teatro
Ibérico/Lissabon)
mit einem internationalem
Künstlerensemble die BesucherInnen auf eine Expeditionsreise durch
inszenierte Räume (25 Stationen) in verschiedenen Versionen
(Theater, Tanz, Installation, Projektion, Bilder) rund um das Theater
im Depot führen. Das
Projekt ist außerdem
eine Kooperation mit
„Parzelle im Depot“
und dem Depot e.V. Unterstützt
wird „Silent City“ unter anderem vom Kulturverband Ruhr und NRW
Kultur International.

Rolf Dennemann entführt uns mit artscenico in die "Stille Stadt" (Silent City).
Rolf Dennemann entführt uns mit artscenico in die „Stille Stadt“ (Silent City).

Nach
Version I im Bochumer Prinz Regenten Theater, finden die Premieren
der Version II im Dortmunder Depot am 06.09.2019 ( Freitag) und am
07.09.219 (Samstag) statt.

Wie
Rolf Dennemann beim Pressegespräch verriet, gab es die Idee zum
Projekt schon länger und sie bot sich als Kooperationsprojekt mit
Gleichgesinnten an. Wichtig ist dabei eine intime Atmosphäre.

Nur
für jeweils 6 Personen, jeweils zur vollen Stunde, ist der Zugang
möglich.

Der
Einlass ist stündlich ab 17:00 bis 21:00 Uhr.

Es
wird der gesamte Gebäudekomplex (Depot) für eine Betrachtung des
Themas „Stille“ in all seinen dramatischen Zuständen mit
verschiedenen künstlerischen Mittel
genutzt.

Die
BesucherInnen treffen auf Schauspieler, Tänzer, Musiker und
Performer, welche stille,
theatrale Situationen herstellen, oder aber eine menschenleere
Rauminstallation, die fremd gewordene Stille intensiv verkörpert.
Die Spanne reicht von geschlossenen Geschichten mit einem Anfang und
Ende, bis hin zu abstrakten sowie meditativen Bildern, Tanz oder kaum
vernehmbare Musik.

Auf
alle Fälle wird es ein individuelles, von jeder Person anders
empfundenes Abenteuer für den, der sich darauf einlässt.
Ausgangspunkt ist der der Eingangsbereich zum Theater im Depot (Bar).

Achtung: Eine Voranmeldung ist dringend notwendig!

Telefonisch
unter 0231/ 9822336 (Anrufbeantworter) oder, per E-Mail:
ticket@theaterimdepot.de