Der Mensch hinter den sozialen Netzwerken

Mit „Man sieht
sich #SiehstDuMich“ nach Motiven von Guillaume Corbeil präsentieren
die Theaterpartisanen ein neues Stück zum Thema „Wie agieren wir
in den sozialen Netzwerken?“ Wie weit geht die Selbstinszenierung
und sind wir schon Narzissten? Ein Premierenbericht vom 16. März
2019.

Die sozialen Netze
sind Teil der Lebensrealität junger Menschen. Hier trifft man sich,
plant den Tag und versucht sich, möglichst vorteilhaft zu
präsentieren. „Likes“ und „Freunde“ auf Facebook sind zu
einer Art neuer Währung geworden. Diesen Druck müssen sich die
Jugendlichen stellen.

Das Telefon wurde um
1870 erfunden, doch auch hundert Jahre später war es nicht
selbstverständlich, dass jeder einen Telefonanschluss hatte. Ähnlich
verhält es sich es bei den Massenmedien Radio und Fernsehen. Die
Menschen hatten eine lange Zeit, sich an diese Geräte zu gewöhnen.
Doch das Internet und die sozialen Medien haben sich in kürzester
Zeit zu einem Massenphänomen durchgesetzt. Zudem kommen immer wieder
neue Plattformen auf dem Markt, die um die Aufmerksamkeit der Kinder
und Jugendlichen buhlen. Der Umgang mit diesen Medien muss also in
kürzester Zeit erfolgen.

Manchmal kommt Altes wieder- wie die Postkarten, die man sich früher aus dem Urlaub geschickt hat. (Foto: Edi Szekely)
Manchmal kommt Altes wieder- wie die Postkarten, die man sich früher aus dem Urlaub geschickt hat. (Foto: Edi Szekely) Ensemble

In dem Stück mit
Texten von Corbeil, Marc Uwe Kling und eigenen Ideen zeigen die zwölf
Theaterpartisanen die sozialen Netzwerke durchaus ambivalent. Ja, es
kann dazu führen, dass man sich schneller verabredet, gemeinsame
Zeit miteinander teilt und gemeinsame Erinnerungen teilt. Doch so ein
Verhalten kann natürlich auch zu narzisstischem Verhalten führen:
Ich mit meinen neuen Klamotten, ich mit Promi X, ich mit meinen
Facebook-Freunden, ich, ich, ich …

Stichtwort: Liebe:
Liebe in den Zeiten von Smartphones heißt auch, neben gemeinsamen
Fotos, sein Glück auch in die weite Öffentlichkeit zu tragen. Doch
dann und wann werden auch Momente der Flucht sichtbar, wenn man sich
aus dem Club schleicht und ganz allein sein will.

Diese
Zerbrechlichkeit ist auch der Grund, warum einige aus diesem Wahnsinn
aussteigen, doch für wie lange, wird nicht geklärt. Denn das Schöne
an dem Stück ist, dass es nicht wertet, sondern die Möglichkeiten
und Gefahren quasi gleichberechtigt nebeneinander stellt. Es wird
noch einen längeren Lernprozess brauchen, bis wir uns den Chancen
und Risiken der sozialen Netzwerke gestellt haben.

Links und rechts an
der Bühne waren Schnüre gespannt, die aussahen wie umgedrehte
Wäscheleinen. In diesen Schnüren (oder Netzen) schienen sich manche
Protagonisten zu verheddern. Das Stück besticht auch durch die
abwechslungsreiche Musik. Fast schon klar war, dass „Like mich am
Arsch“ von Deichkind gespielt wurde. Der Song kritisiert die
Oberflächlichkeit von Likes und Online-Petitionen, die keinerlei
echtes Engagement erfordern. Daher wird der „Generation Vielleicht“
auch zu sehr unpolitisches Verhalten vorgeworfen. Möglicherweise
ändert sich das aber durch die Aktionen für „Friday for future“,
die durch Greta Thunberg angeregt wurden.

Sehr schön waren
auch die kleinen Choreografien, die durch die Unterstützung von
Birgit Götz entstanden sind.




Neues Jugendclubstück um Lebensrealität in Zeiten der Digitalisierung

Das
diesjährige Jugendclubprojekt „Man sieht sich #SiehstDuMich“ am
16.03.2019 um 20:00 Uhr im Studio des Schauspiel Dortmund dreht sich
um ein aktuelles Thema gerade für junge Menschen in Zeiten
allgegenwärtigen Digitalisierung. Mit den Fragen um die zunehmende
Selbstinszenierung, ständiger Erreichbarkeit und dem Druck, sich
selbst und die Anderen immer wieder zu übertreffen, setzten sich
zwölf TheaterpartisanInnen (16 bis 22 Jahre, sieben junge Frauen und
fünf junge Männer) Ihnen zur Seite die Regisseurin und
Theaterpädagogin Sarah Jasinszczak und ihre Assistentin Carina Fast.
Für die eingebauten Video-Instagramstorys war letztere
verantwortlich.

Außerdem
wurden mit der bewährten Hilfe von Birgit Götz viele
Tanzchoreografien für „die ehrlichen Momente“ eingeübt.
Passende Musik wird auch eine große Rolle spielen.

Grundlage
war das für Nachwuchs-SchauspielerInnen geschriebene Theaterstück
„Man sieht sich“ (2006) des Kanadiers Guillaume Corbeil für fünf
Personen.

Das
Stück wurde auf die spezielle Erfahrungswelt der beteiligten
Partisanen und auf die Gegebenheiten Dortmunds heruntergebrochen.

In
einem Brainstorming trugen sie während ihrer Stückentwicklung
zusammen, was sie mögen (Vorbilder, Musik, welche Bücher sie lesen
u.s.w.). Dann stellten sie sich die Frage, was das für ihr Inneres
bedeutet und ausmacht.

Die Personenzahl wurde auf zehn erhöht und zwei zusätzliche SchauspielerInnen übernehmen die kommentierenden Erzählerrollen des Über-Ichs. Sie interagieren miteinander. „Über“ und „Ich“ als Gewissen haben durchaus unterschiedliche Positionen und sind sich nicht immer einig.

Bleiben Geheimnisse in der schönen neuen digitalen Welt auch wirklich Geheimnisse? Die Theaterpartisanen thematisieren die Anonymität im Netz. (Foto: © Nane Thomas)
Bleiben Geheimnisse in der schönen neuen digitalen Welt auch wirklich Geheimnisse? Die Theaterpartisanen thematisieren die Anonymität im Netz. (Foto: © Nane Thomas)

Die
Theaterpartisanen stellen hier wesentliche Fragen an ihre Zukunft und
begeben sich durch Selbstinszenierung auf die Suche nach dem
Gegenüber da draußen. Daneben sind sie auf der Suche nach
Verbindlichkeit und zeigen zudem ihre Verletzlichkeit. Jede und jeder
muss sich entscheiden. Was gebe ich in der scheinbaren Anonymität
des Netzes von mir preis, wie gläsern möchte ich sein?

Vor
allem Protagonistin Claire startet am Ende den ernsthaften Versuch,
aus diesem Wahnsinn auszusteigen.

Neben
der Premiere am 16.03.2019 gibt es auf alle Fälle auch die
Gelegenheit, am 30.03.2019 um 20:00 Uhr oder am 04.04.2019 um 19.00
Uhr im Studio des Schauspiel Dortmund das Jugendclubstück zu
erleben.

Informationen
über weitere Aufführungen erhalten Sie wie immer unter
www.theaterdo.de oder Tel.:
0231/ 50 27 222