Rising Stars – Sternstundenmarathon im Konzerthaus

Einmal im Jahr ist es soweit – ein über vierstündiges Konzert mit aufstrebenden NachwuchskünstlerInnen. Die „jungen Wilden“ zeigten, dass sie an ihren Instrumenten bereits wahre Meister sind. Es spielten Júlia Pusker (Violine), Christia Hudziy (Klavier), Sebastian Heindl (Orgel), Sean Shibe (Gitarre), das Sonoro Quartett, Mathis Stier (Fagott) und Ria Akamatsu (Klavier).



Den Beginn machte die Violinistin Júlia Pusker, die begleitet wurde von Christia Hudziy am Klavier. Den Beginn machten die „Fünf Melodien“ von Sergej Prokofjew in der Fassung für Violine und Klavier. Diese Stücke sind charakterisiert durch ihre expressive Vielfalt und die Fähigkeit des Komponisten, eine breite Palette von Emotionen und Stimmungen zu erfassen. Danach folgte das Auftragsstück für Pusker. Alle „Rising stars“-Künstler bekommen jeweils ein Auftragswerk auf ihren Leib geschrieben. Und Éric Tanguy schaffte mit „Trois pièces“ für Violine solo die Virtuosität von Pusker zu unterstreichen. Sein Stück ist eine Art Hommage an das Instrument und zeigt die Bandbreite der Emotionen, die die Violine hervorbringen kann. Den Schlusspunkt setzte Pusker mit der Rhapsodie für Violine und Klavier von Béla Bartók. Die wilden Tänze aus seinem Heimatland Ungarn hat der Komponist bewahrt, was zu einem wunderbaren Hörerlebnis führte.

Danach war Sebastian Heindl an der Orgel an der Reihe. Wer Bach erhofft hatte, wurde enttäuscht, denn Heindls Leidenschaft liegt nicht nur in der Klassik, sondern auch im Jazz und im Rock. Vor allem die Hammondorgel hat es ihm angetan. So kamen neben Clara Schumanns „Caprice à la Boléro“ und Camile Saint-Saens “Dance macabre” auch eine “Rock-Toccata” von Heindls selbst komponiert zu Gehör. Es ist faszinierend, wie Heindl die Orgel so einstellen kann, dass sie wie unterschiedliche Instrumente klingt. Auch das Stück „Orck“, das von Moritz Eggert für ihn geschrieben wurde, verwendet verschiedene Spieltechniken und unterstreicht die Virtuosität von Heindl.

Nach der großen Pause stand Sean Shibe im Mittelpunkt. Bei seinem Solo-Konzert im Mai 2023 zeigte sich Shibe noch experimentierfreudig und spielte auf Laute, Gitarre und E-Gitarre. Beim Sternstundenmarathon beließ er es bei akustischer Gitarre. Auf seinem Programm stand Johann Sebastian Bachs „Präludium, Fuge und Allegro“ (BWV 998). Bachs herausragender Technik, expressiver Tiefe und innovativem Geist wurde von Shibe Genüge getan. Auch beim Auftragswerk von Thomas Adès („Forgotten dances“) zeigte, dass Shibe ein wahrer Meister am Griffbrett ist. Die Akkordfolgen und Läufe waren ziemlich herausfordernd.

Danach war es Zeit für das Sonoro Quartett. Sie starteten das Konzert mit dem Streichquartett Hob. III:78, das durch seine melodische Schönheit, formale Klugheit, dynamische Vielfalt und den programmatischen Charakter des zweiten Satzes, der den Sonnenaufgang darstellt, beeindruckt. Auch die MusikerInnen Sarah Jégou-Sagemann (Violine), Jeroen de Beer (Violine), Séamus Hickey (Viola) und Léo Guiguen (Violoncello) konnten auch musikalisch überzeugen und harmonierten perfekt zusammen.

Das zweite Stück, ein Auftragswerk Annelies van Parys mit dem Titel „Tsunami“, ist geografisch in Japan angesiedelt, jedoch geht es in dem Stück nicht um einen Wassertsunami, sondern um den Klang einer Vielzahl von Zikaden. So wurden die Streichinstrumente des Sonoro Quartetts zu einem Meer von Zikaden.

Von einem Inselstaat zum nächsten führte uns Mathis Stier nach der Pause. Mit seinem Fagott ging es nach Island. „Remenbering“ von Maria Huld Markan Sigfúsdóttir beschäftigt sich mit dem Thema Gedächtnisverlust, Demenz und vagen Erinnerungstücken, die ab und zu auftauchen. Die Kombination zwischen dem Fagott und der Elektronik, die bearbeitete Klänge von Cellos abspielen, sorgte für eine mystische Atmosphäre.  

Danach folgte die Sonate für Fagott und Klavier von Camille Saint-Saëns. Stier zeigte uns ihre Eleganz, melodische Schönheit und Virtuosität. Seine Begleiterin am Klavier war Rie Akumatsu. Zum Schluss spielten beide noch „Interférences“ von Roger Boutry. In diesem Werk setzt Boutry die einzigartigen Qualitäten des Fagotts ein, um melodische Linien und virtuose Passagen zu präsentieren, während das Klavier als Begleitinstrument und zur Erweiterung des Klangspektrums dient.




Sean Shibe – Gitarrenmusik aus fünf Jahrhunderten

Am 31. Mai 2023 hieß es wieder „Musik für Freaks“ und zu Gast war Sean Shibe, seines Zeichens Gitarrist und Lautenist. Jetzt werden sich einige fragen, was ist daran jetzt „freakig“. Nun, Shibe spielte im dritten Drittel seines Programmes auf der E-Gitarre. Und die E-Gitarre ist für klassische Musik schon außergewöhnlich. In der zeitgenössischen klassischen Musik wird die E-Gitarre oft als Klangfarbe verwendet, um eine breitere Palette an Klängen und Ausdrucksmöglichkeiten zu erreichen. Sie erzeugt einen charakteristischen Klang, der von den herkömmlichen akustischen Gitarren abweicht. Dieser Klang kann mit verschiedenen elektronischen Effekten und Verstärkungstechniken weiter manipuliert werden, um eine noch größere Vielfalt an Klängen zu erzeugen.



Doch beginnen wir mit dem Anfang. Hier spielte Sean Shibe auf der Laute kurze Stücke von Robert Ballard und Pierre Attaingnant, die den damaligen Zeitgeist einfingen und ähnlich klangen wie die Werke von John Dowland.

Im zweiten Teil stand die akustische Gitarre im Mittelpunkt. Nach einer Bearbeitung von Bachs Präludium und Fuge in Es-Dur wurde die Musik moderner. Mit Thomas Adès, Manuel de Falla, Francis Poulenc und Harrisson Birtwistle stammten alle Komponisten aus dem 20. bzw. 21. Jahrhundert. Der Charakter veränderte sich, rhythmische Figuren und Dissonanzen erklangen.

Doch auch das war nicht das besondere an diesem Konzert. Denn Im Schlussteil spielte Sean Shibe auf der E-Gitarre und benutzte für die gespielten Stücke  Loops und Effektgeräte. Damit erklangen Olivier Messiaens „O sacrum convivium“ und Hildegard von Bingens „O choruscans lux stellarum“ sehr spährisch, fast entrückt. Beeindruckend war Shibe aber in dem Werk „Electric counterpoint“ von Steve Reich, dass durch die Rhythmik an manchen Stellen durch aus den Rock ins Konzerthaus brachte.

Den Schlusspunkt machte „Buddha“ von Julius Eastman. Als Komponist schuf Eastman eine Reihe von Werken, die sich durch ihre repetitive Struktur und minimalistische Ästhetik auszeichneten. Er experimentierte mit Klangfarben, Wiederholungsmustern und Zeitstrukturen, wobei er oft auf die Improvisation als gestalterisches Element zurückgriff. Obwohl Eastman in den 1970er und 1980er Jahren einige Erfolge hatte und mit renommierten Ensembles und Komponisten zusammenarbeitete, geriet er später in finanzielle Schwierigkeiten und litt unter persönlichen Problemen, die zu einem Rückzug aus der Musikszene führten. In den letzten Jahren hat es eine Wiederentdeckung und Neubewertung von Eastmans Werk gegeben. Neue Generationen von Musikern und Musikliebhabern haben sein Werk wieder aufgegriffen und seine Bedeutung in der Avantgarde-Musik erkannt.   Das gelungene Konzert von Sean Shibe machte deutlich, dass die E-Gitarre nicht nur das Standart-Instrument für Pop, Rock oder Metal ist. Die E-Gitarre kann nicht nur bei neuen Kompositionen eingesetzt werden, sondern sie ist auch in der Lage durch die Effekte neue Klangfarben an alten Kompositionen zu erschaffen. Das hat Sean Shibe unter Beweis gestellt.