Ein geschwedeter „Minority Report“ im Studio

John Anderton (Björn Gabriel) sieht den Mord im Hintergrund kommen. (Foto: © Birgit Hupfeld)
John Anderton (Björn Gabriel) sieht den Mord im Hintergrund kommen. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Kennen Sie den Film „Abgedreht (Be kind rewind)“ mit Jack Black und Mos Def aus dem Jahre 2008? In dieser Hommage an das Kino löscht Black in seiner Rolle als Jerry alle Videokassetten und dreht mit Mike (Mos Def) die Filme mit einfachsten Mitteln nach. Mit der Argumentation von Jerry, die neuen Filme kämen aus Schweden und seien deshalb so teuer, etablierte sich der Begriff „geschwedet“ für diese Form von nachgedrehten Videos vor allem auf Youtube.

Doch vorweg, eines kann man der Inszenierung von „Minority Report“ von Peter Gehre, die am 14. September 2014 Premiere hatte, sicher nicht vorwerfen: dass sie in irgendeiner Form billig oder als Farce angelegt ist. Mit nur vier Schauspielern und einer Menge an Gimmicks schafft Gehre eine Liebeserklärung an Spielbergs Film.

Das Stück lehnt sich stark an den gleichnamigen Film von Steven Spielberg aus dem Jahre 2002 an, mit kleinen Änderungen. So ist im Gegensatz zum Film John Andertons Frau nicht mit von der Partie und der Mord an Jad Fletscher durch Lamar Burgess wird nicht in Szene gesetzt, was vermutlich daran liegt, dass beide Rollen von Ekkehard Freye gespielt wurden.

Was uns sofort zu den vier Schauspielern bringt. Multitasking war angesagt. Julia Schubert übernahm ebenso mehrere Rollen wie Merle Wasmuth und Ekkehard Freye. Nur Björn Gabriel spielte als einzige Rolle den Leiter von Precrime John Anderton.

Zur Geschichte: Wir schreiben das Jahr 2041, in Washington D.C. Hat es seit sechs Jahren keine Morde mehr gegeben, dank „Precrime“. Dank Kinder mit besonderen Fähigkeiten und Algorithmen fungieren sogenannte Precogs als Art Orakel und können Morde vorhersehen. Die Polizei kommt dann rechtzeitig und nimmt den Mörder fest, bevor er die Tat begehen kann. Doch plötzlich sagt Precog Agatha den Mord an Leo Crow voraus, der Mörder ist John Anderton selbst.

Barbie-Puppen, die ein Ehepaar darstellen, Verfolgungsjagden mit einem Matchbox-Auto, was eher wie ein Film mit Ed Wood klingt, macht durch das engagierte Spiel der vier Akteure auf der Bühne für die Zuschauer enorm viel Spaß und fesselt ans Geschehen, das an drei Leinwänden gezeigt wurde.

Noch etwas war anders wie im Kino: Die Zuschauer durften abstimmen. Gut, nur die Smartphone-Nutzer mit Android, weil Apple die App „Precog“ nicht gefiel, aber es ging um die Frage: Soll Anderton Leo Crow, den mutmaßlichen Mörder seines Sohnes, erschießen so wie vorhergesagt oder nicht? Zwar sagten 61% Ja, doch es ging weiter wie im Film, wo Crow den Abzug quasi selbst betätigt.

Am Ende des Stückes werden die moralischen Fragen des Filmes diskutiert. Ist man verpflichtet Vorhersagen zu folgen oder sind sie nur Vorschläge? Was ist, wenn man erfährt, dass das ungeborene Kind höchstwahrscheinlich behindert sein wird. Abtreiben oder nicht? Machen immer mehr Informationen frei oder schränken sie ein?

Ein wirklich gelungener Theaterabend, der die richtige Balance zwischen Technik und Schauspielerei fand, was auch an der guten Besetzung lag, die mit deutlichen Spaß bei der Sache war. Hoffentlich gibt es weitere „geschwedete“ Filme von Peter Gehre in Dortmund zu sehen.

Weitere Termine am: SO, 21. SEPTEMBER 2014, SA, 18. OKTOBER 2014 und DO, 23. OKTOBER 2014.

Infos und Karten unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27222.




Berauscht euch!

Im Rausch der Farben. (Foto: © Dirk Baumann)
Im Rausch der Farben. (Foto: © Dirk Baumann)

Unter dem Motto „RAUSCH SUCHT SEHNSUCHT“ geht die Herbstakademie des Schauspiel Dortmunds in die zweite Runde. Nachdem im vergangenen Jahr in der Stadt nach Arm und Reich gesucht wurde, dreht sich vom 06. bis 11. Oktober 2014 alles um Rauschzustände, Glück und Extase. Es geht um Fragen wie: Welche Sehnsucht steckt im Ruasch? Welchen Rausch braucht die Stadt? Wie entsteht ein Schaffensrausch?

100 junge Menschen zwischen 16 und 21 Jahren gehen auf eine künstlerische Forschungsreise und erforschen die Abgründe von Rausch, Sucht und Sehnsucht. Doch keine Angst, denn in den sechs Tagen wird die Rauscherfahrung ohne psychotrope oder andere Substanzen erlebt. „Wir haben wieder ein Thema genommen, was auf der Straße liegt“; so Dramaturg Dirk Baumann. In den Woche in den Herbstferien werden die Jugendlichen fünf Tage lang in fünf „Instituten“ arbeiten und am sechsten Tag gibt es eine Präsentation im ganzen Haus. „Wir wollen den jungen Leuten das ganze Haus Verfügung stellen“, so Theaterpädagogin Sarah Jasinszczak.

Das Institut 1 beschäftigt sich mit Tanz. Hier ist Leandro Kees der Leiter und wird mit elektronischer Musik und Tanz die Teilnehmer zu einem besonderen Trip führen. Marcel Sparmann und Björn Neukom leiten das Institut 2, in dem es über Performance geht. Stichwort: Rausch(en) als sinnliches Phänomen. Das Institut 3 widmet sich der bildenden Kunst und hat zwei Künstlerinnen aus dem Dortmunder Künstlerhaus als Leiterinnen Barbara Koch und Sandra Linde. Hier ist das Motto: H.O.P.S. High ohne psychotrope Substanzen. Tanja Krone leitet das Institut 4 (performing music) und hat die Forderung: Rausch muss für alle und umsonst sein. Mal schauen, wie sie und ihre Teilnehmer das hinbekommen. Ein besonderes Institut ist das Institut X, das sich mit Theater und Gaming beschäftigt. Hier dürfen Jugendliche aus der Dortmunder Nordstadt und aus Scharnhorst bevorzugt mitmachen.

Es gibt jeden Tag während der Herbstakademie ein gemeinsames Mittagessen. Die Kosten belaufen sich auf 60 €. Das Schauspiel Dortmund hofft auf sogenannte Kulturpatenschaften, die für Teilnehmer aus sozial schwachen Schichten die Teilnehmergebühr übernehmen.

Denn die Erfahrung zeigen positive Effekte. Die Jugendlichen lernen nicht nur das Schauspiel kennen, sondern sind auch an anderen Sparten sehr interessiert. Zwanzig Prozent haben sich danach in andere Projekte rund um das Theater wieder engagiert.

In allen Instituten gibt es noch freie Plätze. Anmeldung ist möglich unter 0231/5022555 bzw 0231/5025541 oder unter herbstakademie@theaterdo.de




Zwischen Virtualität und Körperlichkeit

Schauspieldirektor Kay Voges freut sich auf das Theatertreffen 2014. Im vergangenen Jahr gewann er mit seiner Inszenierung von "Das Fest" beim Theatertreffen 2013.
Schauspieldirektor Kay Voges freut sich auf das Theatertreffen 2014. Im vergangenen Jahr gewann er mit seiner Inszenierung von „Das Fest“ beim Theatertreffen 2013.

Vom 13. bis zum 20. Juni 2014 wird Dortmund zur offiziellen Theaterhauptstadt in NRW. Beim NRW Theatertreffen haben die Besucher die Möglichkeit, zehn Theaterstücke aus ganz NRW zu sehen, daneben Filme, Diskussionspanels, Performances, Workshops und Konzerte. Spielorte sind neben dem Schauspielhaus, dem Studio und dem Institut noch die Junge Oper, das Opernhaus und der Theatervorplatz.

 

Im Mittelpunkt des Theatertreffens stehen die zehn Wettbewerbsbeiträge. Begonnen wird am Freitag, den 13. Juni mit der Bochumer Produktion „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“. Am Samstag, den 14. Juni ist der ostwestfälische Tag, denn da wird „Wohnen. Unter glas“ vom Theater Paderborn sowie „Minna von Barnheim oder das Soldatenglück“ vom Theater Bielefeld gezeigt. Sonntag, den 15. Juni präsentiert das Schauspiel Essen „Der Prozess“ und am Montag, den 16. Juni die Wuppertaler Bühnen „JR“. „Kasimir und Karoline“ vom Düsseldorfer Schauspielhaus wird am Dienstag, den 17. Juni gezeigt. Bertolt Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ vom Schauspiel Köln wird am Mittwoch, den 18. Juni präsentiert. Donnerstag, den 19. Juni stehen zwei Stücke auf dem Programm. Zuerst spielt das Theater Münster „Die deutsche Ayşe. Türkische Lebensbäume.“, danach fährt das Theatertreffen zu einem Auswärtsspiel nach Oberhausen: Per Shuttlebus ab 19:30 Uhr geht es auf die Reise zum Stück „Die Orestie“ des Theaters Oberhausen. Aus technischen gründen kann das Stück nicht in Dortmund gespielt werden.Den Schlusspunkt setzt am Freitag, den 20. Juni „Das Himbeerreich“ vom Theater Aachen.

Für die teilnehmenden Stücke gibt es drei Preise zu gewinnen: Den Preis der Fachjury, den Preis der Jugendjury und den Publikumspreis. Die Preisverleihung findet am Freitag, den 20. Juni um 20:30 Uhr statt.

 

Dramaturg Thomas Bihegue stellte das Programm zum Theatertreffen 2014 vor.
Dramaturg Thomas Bihegue stellte das Programm zum Theatertreffen 2014 vor.

Das Theater ist ein Ort, an dem Reales und Virtuelles, Analoges und Virtuelles aufeinandertreffen. Dazu bieten sechs Diskussionspanels die Möglichkeit, verschiedene Themen zu beleuchten. Mit dabei sind unter anderem Autor Dietmar Dath bei „Sterben: Online und Offline“ oder Paul Wallfisch, musikalischer Leiter des Schauspielhauses, in „Theatermusik – autonome Kunst im Sprechtheater“.

 

Musik ist ein gutes Stichwort: Es gibt einige Konzerte. So spielen unter anderem PeterLicht, The Tiger Lilies oder Thomas Truax.

 

In Brasilien findet ja zeitgleich ein weiteres großes Ereignis statt, die Fußball-WM. Das Institut wird sich auch als WM-Studio präsentieren.

 

Tickets:

Stücke (Schauspielhaus & Opernhaus) 19,- Euro / 12,- Euro (erm.)

(Studio) 15,- Euro / 10,- Euro (erm.)

Westwind-Stücke 10,- Euro / 5,- Euro (Kinder)

Konzerte (Schauspielhaus) 20,- Euro

(Junge Oper) 10,- Euro

(Junge Oper, 23 Uhr) 5,- Euro

Kino (Institut) 5,- Euro

 

 

Hotline 0231/50 27222

Online www.theaterdo.de

 

 

 

Weitere Infos, Programm und Festival-Blog:

www.nrw-theatertreffen.de

www.facebook.com/nrwtheatertreffen

www.twitter.com/nrwtt

 




Turbulenter Wahnsinn im Schauspielhaus

Im Laufe der Tournee liegen bei den Beteiligten doch die Nerven blank: (v..l.n.r.) Merle Wasmuth, Frank Genser, Andreas Beck und Sebastian Graf. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Im Laufe der Tournee liegen bei den Beteiligten doch die Nerven blank: (v..l.n.r.) Merle Wasmuth, Frank Genser, Andreas Beck und Sebastian Graf. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Nach „Arsen und Spitzenhäubchen“ hatte am Samstag, den 5. April 2014 der „Der nackte Wahnsinn“ von Michael Frayn als zweiter Komödien-Spaß unter der Regie des Duos Peter Jordan und Leonhard Koppelmann seine Premiere auf die Bühne des Dortmunder Schauspielhauses.

Diese absurd-turbulente britische Komödie hat es wirklich in sich.

 

In dieser abgefahrenen Geschichte rund um das Theater versucht der verzweifelte Regisseur Lloyd Dallas mit seinem Assistenten Poppy Norton-Taylor und dem Inspizienten Tim Allgood kurz vor Mitternacht die am nächsten Tag anstehende Premiere des Stückes „Nackte Tatsachen“ zu retten.

Doch das Chaos hinter der Bühne groß, sondern auch Backstage wüten Eifersucht, Neid und Geltungsdrang. Das Problem ist, alle müssen irgendwie zusammenhalten, denn es steht, wie in England üblich, eine zehnwöchige Tournee an…

 

Ein Stück über Schauspieler, die ein Stück proben, klingt eigentlich mehr nach Insider-Gags. Doch „Der nackte Wahnsinn“ bot als Komödie alle Zutaten, was der Zuschauer an einer Komödie schätzt: Wenn irgendwo eine Tür zugeht, geht woanders eine Tür auf. Belanglose Requisiten wie beispielsweise Sardinen spielen plötzlich eine große Rolle und Schauspieler wechseln urplötzlich ihre Rollen. Schließlich durfte auch eine gewisse Portion Slapstick nicht fehlen.

Dabei zeigte das Dortmunder Ensemble erneut, welch gute Chemie zwischen den Schauspielern herrscht. Denn eine solche Komödie braucht Esprit, sonst funktioniert sie nicht und verkommt zur Nummernrevue.

 

Andreas Beck spielte mit sichtlichem Vergnügen den Regisseur mit langem Pferdeschwanz, mal väterlich mild verständnisvoll, dann wieder bestimmend („wenn Gottvater spricht“ ) und aufbrausend und laut, wenn die Jungschauspielerin Brooke Ashton mal wieder nichts versteht. Peer Oscar Musinowski als Regieassistent Poppy Norton-Taylor steht ihm als etwas „tuntig“ mit blonder Popper-Haarperücke treu zur Seite. Musinowski konnte hier, wie zum Beispiel schon in „Drama Queens“ bewiesen, sein komisches Talent wieder voll ausleben. Sebastian Graf spielt den Inspizienten und Bühnenmeister Tim Allgood, der als „Mädchen für alles“ fungiert. Klemmen Türen muss Tim ran, braucht das Ensemble noch Einbrecherkostüme, muss er sich trotz Schlafdefizit („Tim war 48 Stunden auf den Beinen“) ebenfalls drum kümmern.

 

Regisseur Peter Jordan hatte die Schauspielriege sehr gut besetzt. Fast möchte man niemanden herausheben, doch sehr gut war Friederike Tiefenbacher, die die leicht schusselige „Dotty Otley“ spielte. Dotty hatte darüber hinaus Geld in die Produktion gesteckt und sah im Laufe des Stückes ihre Altersvorsorge davonschwimmen. Auch Merle Wasmuth brillierte mit ihrer Darstellung der äußerst naiven Jung-Schauspielerin „Brooke Ashton“, die leider öfters ihre Kontaktlinsen verlor. Doch auch Frank Genser, Ekkehard Freye, Eva Verena Müller und Uwe Schmieder waren bei der Premiere gut aufgelegt.

 

Die beiden Regisseure Jordan und Koppelmann haben sich beim Bühnenbild nicht lumpen lassen und nutzten den Vorteil, den eine Drehbühne sich bietet. Im ersten Teil sah das Publikum ein ganz normales Bühnenbild, den Eingangsbereich eines typischen englischen Herrenhauses. Denn es war Generalprobe.Im zweiten Teil wechselt die Perspektive. Dann sehen wir das Bühnenbild von hinten. Und es wird deutlich: Aus dem Zusammenhalt am Anfang ist Neid, Missgunst und Eifersucht geworden. Im dritten Teil ist das Chaos dann perfekt. Zu sehen ist wieder das Bühnenbild vom Beginn, nur hat es durch die lange Reise und die vielen Aufführungen ordentlich was abbekommen. Die Treppe zum ersten Stock besteht nur noch zur Hälfte aus dem Original, manche Türen sind verschwunden. Der pompöse Elchkopf verliert auch noch sein Geweih.

 

Die Aufführung war ein augenzwinkernder Blick hinter die Kulissen des Theaters mit viel Spaß und Selbstironie der beteiligten Schauspieler/innen am Spiel.Sie verlangte den beteiligten Schauspieler/innen in den drei Stunden sowohl physisch als auch vom genauen Timing alles ab.

 

Kurz gesagt: Bei „Der nackte Wahnsinn“ ist der Titel Programm. Und ehrlich gesagt: Das ist auch gut so!

 

Weitere Vorstellungen: 9., 19., 25., 27. April und 8. Mai. Infos und Karten gibt es unter www.theaterdo.de oder 0231 5027222.




Re-birthing auf türkisch

Der Protagonist wacht in einem merkwürdigen jenseits wieder auf. Ensemble Altidan Sonra Tiyatro. (Foto: © Yucel Kursun)
Der Protagonist wacht in einem merkwürdigen jenseits wieder auf. Ensemble Altidan Sonra Tiyatro. (Foto: © Yucel Kursun)

Als drittes Gastspiel aus der Reihe „Szene Istanbul“ wurde am 14. März 2014 im Schauspielhaus Dortmund „Du bist tot, kapiert?“ (Öldün, duydun mu?) der Gruppe Altidan Sondra Tiyatro/Kumbaraci50 unter der Regie von Yiğit Sertdemir aufgeführt.

Diese Reihe wird in Kooperation mit dem Mülheimer Theater an der Ruhr realisiert.

Das freie Theater Altidan Sondra Tiyatro hat – wie die anderen auftretenden Gruppen – seine Heimat in einem der interessantesten und vielfältigsten Viertel in Istanbul. Beyoğlu, unterhalb des Taksim-Platzes gelegen, ist zudem auch Partnerstadt(teil) von Dortmund.

Das Stück wurde in türkischer Sprache mit deutschen Übertitel gespielt.

 

Schon das Bühnenbild dieser märchenhaften, satirischen Gesellschafts-Parabel ist fantasievoll – fabelhaft angelegt. Der Bühnenboden war voll von weißen, plüschigen und Wattebäuschen ähnliche „Wolken“. Umfasst war die Bühne von einer eierschalenfarbenen, durchbrochenen Konstruktion, die nach oben hin kuppelartig abgeschlossen war. Ein Raum, der einer fantasievollen Vorstellung von einem „Jenseits“ nahe kam.

In der Mitte lugte nur der Kopf eines Mannes heraus. Begrüßt wird der Mann, nach seinem dritten Selbstmordversuch von einem Wesen zwischen Engel und Clown. Es verrät ihm, dass er im Jenseits sei. Sein Lebenswandel würde aber einer Prüfung unterzogen und er könnte eventuell eine zweite Chance bekommen. Sein Leben wird aus einem Buch in Form einer märchenhaften Parabel vorgetragen. Die Menschen leben in „Schalen“, Kinder heißen „Bobolops“, Erwachsene“Bobolips“ Geliebte „Liebliebfrauen“ und ein Suizid „Dezius“. Wir erfahren von dem herrschsüchtigen, gewalttätigen Vater, der auch seine Frau schlägt, wenn sie nicht „gut funktioniert“. Der Vater erhängt sich und der Bruder wird von Militär ermordet. Den Selbstmord des Vaters schiebt er unbewusst seiner Mutter in die Schuhe. Der Protagonist der Geschichte geht seinen Weg, studiert , wohnt in seiner eigenen „Schale“ und verliebt sich. Er verzweifelt an den gesellschaftlichen Bedingungen und unternimmt mehrere Suizidversuche. Von einem älteren „Bobolip“ wird ihm aber klar gemacht, dass er sich trotz allem dem Leben stellen muss. Nachdem ihm seine Geliebte verlassen will, unternimmt er den letzten Versuch, sich das Leben zu nehmen.

Mit weißem langen Haar und hellem Gewand steht erhöht die als „Herrin“ bezeichnete Gestalt als entscheidende Instanz für eine zweite Chance für den Protagonisten.

 

Gegen Ende wird klar, der Protagonist ist nicht tot ist, sondern befindet sich nach seinem letzten Suizidversuch in einer Art psychiatrischen Klinik. Hier wird versucht, den Protagonisten durch eine Art „Re-birthing“ „umzupolen“, so dass er seinen Hass auf die Mutter verliert.

 

Untermalt wurde das Stück manchmal mit Instrumentalmusik und zur Unterstützung der Stimmung und Aussagekraft wurde die Beleuchtung geschickt eingesetzt.

 

Die Aufführung gab interessante Einblicke in die frei Theaterszene Istanbuls und in ein Leben, dass durch ein patriarchalisches Gesellschaftssystem und der Militärherrschaft in den 80er Jahren mit all seinen Folgen für die einzelnen Menschen geprägt war.

 

Die Geschichte weckt viele unterschiedliche Emotionen. So wird zum Beispiel humorvoll erzählt, wie der Protagonist als kleiner Junge in ein Bordell gerät, aber auch tieftraurige Erlebnisse wie die Militärgewalt und der Suizid des Vaters beschrieben.

 

Am 7. April 2014 ist als letztes Stück aus der Reihe „Szene Istanbul“ am 7. April 2014 um 20.00 Uhr im Studio des Dortmunder Schauspiels Iz/ Die Spur von Ahmet Sami Üzbudak (Galataperform) zu sehen.

 

Karten und Infos gibt es unter www.theaterdo.de oder 0231 5027222.




Schauspiel Dortmund präsentiert Istanbuler Theaterszene

 

Unter dem Begriff „Szene Istanbul“ startet das Schauspiel Dortmund in Kooperation mit dem Theater an der Ruhr in Mülheim eine Gastspielreihe in türkischer Sprache. Die vier Stücke geben nicht nur einen Einblick in die freie Theaterszene der Türkei, sondern sollen auch ein Angebot an die hier lebenden Türken sein, das Dortmunder Theater kennenzulernen.

 

„Wir holen Istanbul nach Dortmund“, erzählte Dramaturg Michael Eickhoff auf der Pressekonferenz. Und die Stücke laufen nicht nur nebenher auf irgendwelchen Probebühnen, sondern „fast alle Stücke werden auf der großen Bühne gespielt“.

 

Alle auftretenden Gruppen haben ihren Mittelpunkt in Beyoğlu, dem kreativen Stadtteil von Istanbul, unterhalb des Taksim-Platzes gelegen. Beyoğlu ist im übrigen auch Partnerstadt(teil) von Dortmund. Bis auf das stark musikalisch geprägte Stück „Ҫinka“ sind alle Stücke Deutsch übertitelt.

 

Zu Beginn erleben die Zuschauer am 01. Februar 2014 um 19.30 Uhr Antoine de Saint-Exupérys Klassiker „Der Kleine Prinz – Küҫük Prens“. In der Inszenierung der Gruppe Bitiyatro zeigt den Helden der Fabel als einen alternden Clown. Das Familienstück ab 12 Jahren geht etwa eine Stunde und kostet 11 € (ermäßigt 6 €).

 

Einen musikalischen Abend verspricht „Ҫinka“. Am 23. Februar um 18 Uhr steht die große Bühne dem Musiker Birol Topalğlu offen. Zusammen mit dem Choreograph und Performer Yiğit Sertdemir erforscht Topalğlu die Geschichten und Mythen seiner Heimat, der türkischen Schwarzmeerküste. Die Besucher können sich auf traditionelle Instrumente freuen wie der Tulum, eine Sackpfeife.

Das Stück dauert etwa 75 Minuten und die Preise gehen von 9 € bis 23 €.

 

Politisch wird es am 14. März um 19:30 Uhr mit „Du bist tot, kapiert? Öldün, duydun mu?“ von Yiğit Sertdemir. In dem Stück wird ein Mann im Jenseits einer Prüfung unterzogen, um eventuell eine zweite Chance zu bekommen. In dieser sarkastischen Farce, die an Satres „Das Spiel ist aus“ erinnert, geht es um die traumatisierende Erfahrung der Menschen, die in ihrer Jugend die Herrschaft des türkischen Militärs in den 1980er Jahren, erfahren haben. Das Stück dauert etwa 70 Minuten und die Preise gehen von 9 € bis 23 €.

 

Zum Schluss der Reihe steht am 07. April um 20 Uhr im Studio ein sehr experimentelles Stück auf dem Spielplan. „Die Spur – Iz“ von Ahmet Sami Özbudak handelt von einem Haus, in der zu verschiedener Zeit unterschiedliche Menschen leben. 1955 leben dort griechisch-türkische Geschwister, die während der Unruhen 1955 ihr Haus verlassen müssen. 1980 lebt dort der revolutionäre Kommunist Ahmet, der nach dem Militärputsch untertauchen muss. Um das Jahr 2000 leben dort der Transvestit Sevengül und sein Liebhaber Rizgar. Alle drei Geschichten werden parallel erzählt und verweben sich im Laufe des Stückes immer mehr miteinander. „Wie wir das genau präsentieren, ist noch unklar“, erklärte Eickhoff. Das Stück dauert etwa 90 Minuten und die Karte kostet 15 € (ermäßigt 10 €).

 

Zu den beiden letztgenannten Stücken wird es eine moderierte Nachbesprechung geben.

 

Karten für die ersten beiden Veranstaltungen sind schon zu bestellen unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27 222.




„The Blog House“ – neue Late-Night im Institut

Ab Samstag, den 5. Oktober 2013 um 22.00 Uhr wird im Institut des Dortmunder Schauspiels eine neue Late-Night von dem Internetblog ruhrbarone.de in Kooperation mit dem Schauspielhaus präsentiert.

Dramaturg Alexander Kerlin verriet. „Die Idee hierzu war uns nach einer Veranstaltung vor einem halben Jahr gekommen. Wir wollen uns neuen Kanälen öffnen. Auch dort gibt es Literatur. Das war der Ausgangspunkt. Die Ruhrbarone hatten sich bereit erklärt dabei mitzumachen.“ „Es gibt ja nicht nur die hohe Schreibkunst à la Günther Grass“, fügte Dramaturg , Autor und Blogger Thorsten Bihegue. „ Das soll ein unterhaltsam und offener Abend werden. Mit gut dosierten Texten und Musik. Ein Raum um Literatur zu hören und der Möglichkeit, im Anschluss gemeinsam in lockerer Atmosphäre zu diskutieren“, so Kerlin.

 

Ruhrbarone-Mitbegründer Stefan Laurin moderiert die Late-Night und präsentiert Blogger aus dem Revier. Sie lesen ihre Texte, Statements, Essays und Romanfragmente.

 

Für den 5. Oktober 2013 sind zum Start der Dortmunder Sozialarbeiter Sascha Bisley, bekannt mit seinem Blog www.dortmund-diary.de und Thorsten Bihegue, Dramaturg am Schauspiel Dortmund. Er schreibt auf „My Own Private Irgendwo“ über seine Leidenschaft, die experimentierfreudige Rap-Musik. Außerdem mit von der Partie ist der Berliner Schriftsteller und Sportjournalist Martin Krauss. In seinem Blog martinkrauss.de berichtet er Hintergründiges über aktuelle politische und kulturelle Debatten.

 

Über thematisches an diesem Abend wollte Bisley nicht viel verraten. Nur soviel deutete er an. Es wird ins Gesicht und geradeaus sein.Die Themen sind nicht festgelegt. Die Autor stehen im Mittelpunkt.„Wir sind gespannt und wollen mal sehen was passiert“, so Laurin.

 

Der Termin für einen zweiten Abend steht schon fest. Der 7. Dezember 2013.

 

Der Eintritt beträgt 5 Euro und es gibt noch Restkarten für „The Blog House“ am 5. Oktober 2013.

 

Karten gibt es unter www.theaterdo.de oder Tel: 0231 / 50-22 390.




Ein Egozentriker auf später Sinnsuche

Theater mit Kay Voges ist immer überraschend. Der Besucher weiß nicht, was ihn erwartet. War in der vergangenen Spielzeit die Vermischung zwischen Film und Theater das Motto, dreht sich in der aktuellen Spielzeit alles um Wiederholungen und Identitäten. So auch bei Ibsens Drama „Peer Gynt, das am 28. September 2013 Premiere feierte.



„Wer bin ich? Und wenn ja, wie viele?“, der Bestellertitel von Precht könnte durchaus auch auf den Titelhelden „Peer Gynt“ zutreffen. Seien wir ehrlich: Peer Gynt ist nicht die Person, die vermutlich am meisten Sympathien einheimst. Er lügt, dass sich meterweise Balken biegen, er ist selbstsüchtig und nur auf seinen Vorteil bedacht. Ein Mensch, der verschiedene Rollen spielt. Doch was ist der wahre Kern von Peer Gynt? Vielleicht kennt ihn Solveig, die Frau die ihr ganzes Leben auf ihn gewartet hat, als er durch die Weltgeschichte reiste und seinen Zielen hinterher jagte.

Voges schafft es bravurös, den komplexen Stoff so einzudampfen, dass er in 90 Minuten erzählt werden kann. Dabei halfen ihm die sechs Schauspieler, der Musiker Thomas Truax und ein außergewöhnliches Bühnenbild. Der Regisseur konzentriert sich auf einige der Geschichten, die Peer Gynt wiederfahren sind: Der Brautraub, die Trollhöhle, der Tod der Mutter, die Irrenanstalt und seine Rückkehr, dennoch bleiben von der Vorlage auch einige surreale Elemente. Voges stellt die Sinnsuche Peer Gynts in den Mittelpunkt. Aber kann jemand ohne echten Kern eine Identität haben? Bei der berühmten „Zwiebelmethapher“ in Ibsens Stück vergleicht sich Peer Gynt ja mit einer Zwiebel, die Schichten hat, aber keinen Kern.

Da niemand weiß, wer oder was Peer Gynt wirklich ist, löst sich auch die klassische Rollenzuteilung auf. Alle Schauspieler spielen Peer Gynt. Schnelle Kleiderwechsel, archaisch wirkende Verwandlung durch Auftragen von Farbe macht das Spiel zu einem optischen erlebbaren Spiel: Mittels grüner Farbe wird eine Schauspielerin zur Tochter des Trollkönigs, durch rote Farbe zur entführten und entehrten Braut, das reine unschuldige Weiß bleibt Solveig vorbehalten.

Bei den sechs Schauspielern gab Peer Oscar Musinowski sein Dortmund-Debut. Er spielte energisch, voller Elan und lässt viel für die Zukunft hoffen. Uwe Rohbeck glänzte vor allem in der Rolle des deutschen Irrenarztes Dr. Begriffenfeldt, der seinen Patienten Peer Gynt mit Elektroschocks und Spritzen foltert. Berührend spielt Friederike Tiefenbacher die sterbende Mutter von Peer Gynt. Wobei sie, nachdem der Sargdeckel sich gesenkt hat – ihre Verwandlungskunst unter Beweis stellte und kurze Zeit später als eine neue Inkarnation von Peer Gynt „wiederaufersteht“.

Doch dahinter müssen sich Bettina Lieder, Julia Schubert und Sebastian Graf nicht verstecken. Sie alle sorgten für einen berührenden, manchmal auch komischen Theaterabend.

Passend dazu, gab es Musik von Thomas Truax. Wer Grieg erwartete, war auf dem Holzweg. Truax.spielte zwar das bekannte Stück „Marsch der Trolle“ von Grieg auf einem seiner selbst gebauten Instrumente, aber ansonsten unterstützte Truax das Stück mit seiner teils rockigen teils folkigen Musik perfekt.

Außergewöhnlich war das riesige Wasserbecken auf der Bühne (Bühnenbild Michael Sieberock-Serafimowitsch), in dem die Schauspieler das Stück spielten. Es war nicht nur praktisch (man konnte sich die Farbe aus dem Gesicht waschen), sondern das Wasser unterstützte die Akteure auf der Bühne. Die Schauspieler ließen es sanft durch die Hand rieseln oder kraftvoll nach allen Seiten wegspritzen. Das Wasser diente als riesige Reflexionsfläche.

Fazit: Ein rundherum gelungener Abend mit einem engagierten Schauspielensemble, guter Musik, dem Element Wasser und einer mutigen Inszenierung. Logisch, dass alle Beteiligten gefeiert wurden.

Weitere Termine: 04. Oktober 2013, 18. Oktober 2013, 02. November 2013, 17. November 2013, 04. Dezember 2013, 21. Dezember 2013, 16. Januar 2014 und 22. März 2014.

Karten gibt es unter www.theaterdo.de oder telefonisch 0231 5027222.




Ein Rückzugsort für Männer

Aus dem Trio wird ein Quartett. (v.l.n.r.) Ekkehard Freye, Frank Genser, Sebastian Kuschman und Andreas Beck. (Foto: © Edi Szekely)
Aus dem Trio wird ein Quartett. (v.l.n.r.) Ekkehard Freye, Frank Genser, Sebastian Kuschman und Andreas Beck. (Foto: © Edi Szekely)

Am Samstag, den 21. September 2013 um 20 Uhr ist im Studio des Dortmunder Schauspiels Premiere für „Männerhort“ nach einer Komödie von Kristof Magnusson. Das Regie-Duo Jennifer Whigham und Jens Kerbel haben den „Männerhort“ nach Dortmund mit seinem neuen „Shopping-Tempel“ Thier Galerie verlegt.

Warum geht es?

Drei gut situierte Männer müssen ihren Frauen jeden Samstag fünf Stunden beim Shoppen im großen örtlichen Einkaufszentrum (Thier-Galerie) begleiten. Im Heizungskeller des Konsum-Tempels haben sie einen Rückzugsort gefunden und ihn gemütlich eingerichtet. Bei Bier, Pizza (Doppelt-Käse scharf), Fernsehen, Technik und Fußball lassen sie s sich gutgehen. Mit allen möglichen Ausreden gelingt es ihnen jeden Samstag, sich (langsam) von ihren kaufwütigen Frauen loszueisen und in ihren „Männerhort“ zu fliehen.Eines Tages entdeckt Brandschutzexperte Mario ihren Rückzugsort und will sie zunächst auffliegen lassen. Doch dann findet auch gefallen am „Männerhort“. Mario erklärt selbstsicher, er schaffe schon nach einer Stunde den Absprung in das Versteck. Eine darauf folgende skurrile Wette stellt die Beziehung der Männer und hat ungeahnte Folgen…

 

„Es geht um die vier Männer mit Shopping-Trauma“ aber auch um Frauen. Das ist eine Geschichte mit vielen Klischees über Männer und Frauen wie aus einer amerikanischen Vorabendserie,“ so Kerbel. „Wir versuchen, Brüche zu setzen. Der Bezug zu den Frauen wird beleuchtet. Unsere Herangehensweise ist eine Gegenüberstellung von Klischee und Wahrheit“, fügte Whigham hinzu.

 

Die Regisseure verrieten: Die Komödie wurde 2003 im Bonner Schauspiel uraufgeführt. Neben einer genauen Recherche über die hiesige Thier-Galerie mussten auch einige Aktualisierungen vorgenommen werden. So hat sich zum Beispiel die Technik weiter entwickelt und Fußballspieler wie Michael Ballack sind inzwischen Geschichte. Auch das Ende des Stückes wird eine Veränderung erfahren.

 

Die Vorstellung wird etwa 90 Minuten dauern.

 

Die Premiere und die anderen Vorstellungen im September und Oktober sind schon ausverkauft.

 

Karten sind noch für den 1. und 17. November 2013 zu haben.

 

Informationen und Karten erhalten Sie über Tel. 0231/50 27 222 oder www.theaterdo.de